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1626 BvrlcnblaU s. d. Dtschn. Ruchhandel. Nichtamtlicher Teil. ^ 33, 10. Februar 1908. die Vermittelung des Buchhändler-Hilfsverbandes Fühlung mit den verschiedenen Gehilfen-Organisationen zu gewinnen. Die Zahl der Ereignisse mehrt sich nun in rascher Folge. Mit einem Rundschreiben vom 23. November lädt die deutsch-nationale Buchhandlungsgehilfenschaft die Kollegen für eine am 25. November abzuhaltende außerordentliche Versammlung ein: Buchhandlungsgehilfenschaft Leipzig, den 23. November 1907. zu Leipzig. Geehrter Herr Kollege! Nachdem der Deutschnationale Handlungsgehilfen-Verband am 4. November beschlossen hat, in eine Bewegung zugunsten einer Gehaltserhöhung für die Handlungsgehilfen etnzutreten, versucht der sozialdemokratische Zentralverband in bekannter Weise im Trüben zu fischen und beruft seit einigen Tagen das Personal einzelner Firmen im Buchhandel zu besonderen Be sprechungen zusammen. Bei diesen Zusammenkünften gebärdet man sich äußerst radikal, spricht von Machtmitteln der Arbeiter schaft und ihrer Mithilfe und versucht die Köpfe jüngerer Leute dadurch zu umnebeln und in die eigne Organisation zu bringen. Lediglich das letztere ist den Drahtziehern dieser Bewegung die Hauptsache. Wir könnten diesem Treiben, dem die Ernüchterung in dem Augenblicke folgen wird, wo es sich um praktische Arbeit handelt, ruhig zusehen, wenn nicht die von uns eingeleitete Arbeit dadurch ebenfalls aufs schwerste geschädigt werden würde. Zu diesem Zweck müssen wir unS über die geeigneten Schritte sofort und unverzüglich klar werden und berufen des halb für Montag, den 25. November, abends 8*/, Uhr, eine Außerordentliche Versammlung der Deutschnationalen Buchhandlungsgehilfen nach dem Kleinen Saal der .Drei Lilien- (Kohlgartenstraße) ein. Wir bittend dringend um Ihr Erscheinen, an diesem hoch wichtigen Abend darf niemand fehlen. Deutschen Gruß! Deutschnationale Buchhandlungsgehilfenschaft zu Leipzig. I. Auftr. d. Vorstandes: gez. Fr. Frahm. Inzwischen war auch Herr Dullo von Berlin herbei geeilt und beruft im Namen der Allgemeinen Vereinigung Deutscher Buchhandlungsgehilfen für 28 November eine Buchhändler-Versammlung ein. Das Flugblatt ist auf rotes Papier gedruckt und zeigt in seiner Satzanordnung das be kannte Gepräge der Wahlaufrufe. Bemerkenswert ist, daß hier zum erstenmale Forderungen in fester Form publiziert werden. Ein Eingehen auf den Text erübrigt sich, da der Ton des Rundschreibens genügend für sich selbst spricht. Leipziger Buch Handlungsgehilfen! Es gärt in Euren Reihen! Die schwere Not der Zeit hat auch Euch gelehrt, wieder einmal über Eure wirtschaftliche Lage nachzudenken, sie hat Euch gezeigt, daß diese wirtschaftliche Lage für Euch ist! Eine seit Jahrzehnten unerhörte Verteuerung deS gesamt den Markthelfern, mußten die Arbeitgeber des Buchhandels — der allgemeinen wirtschaftlichen Lage entsprechend — eine bedeutende Verbesserung ihres Einkommens zugestehen! Nur an Euch denkt man nicht! Im ganzen Deutschen Reiche ist es bekannt, daß die kauf männischen Angestellten des Buchhandels zu den schlechtest be zahlten gehören, aber die miserabelsten, unhaltbarsten Verhältnisse herrschen im Buchhandel in Leipzig. Monatsgehälter von 60, 75, 80 Mark bilden hier auch heute noch die Regel, ca. zwei Drittel sämtlicher kaufmännischen An gestellten im Leipziger Buchhandel erhalten Gehälter von 100 Mark und weniger, darunter Kräfte, die jahrelang im Dienste der Arbeit fronden! Die Markthelfer werden viel besser bezahlt, nicht freiwillig, sondern weil sie diese bessere Bezahlung erzwungen haben! Erzwungen dadurch, daß sie sich in einer einzigen Or- anisation zur Wahrung ihrer Interessen zusammengefunden aben! Leipziger Vuchhandlungs - Gehilfen! Wenn Ihr jetzt über Eure wirtschaftliche Lage nachdenkt und zu der Einsicht kommt, daß sie miserabel schlecht ist, dann bedenkt, daß Ihr sie selbst, lediglich selbst verschuldet habt, und daß auch Ihr selbst sie nur verbessern könnt! Verbessern dadurch, daß auch Ihr Euch zur Wahrung Eurer Interessen in einer einzigen Organisation zusammenfindet! Darin habt Ihr bisher am schwersten gesün digt, hütet Euch, daß Ihr nicht gerade jetzt wieder den gleichen Fehler macht! Gerade jetzt buhlt man ja wieder von allen Seiten um Eure Freundschaft, den Moment der Erregung sucht man von rechts und von links zu benutzen, um Euch auf falsche Wege zu drängen! Hütet Euch! nichts gewonnen! Gewonnen wird nichts damit, daß man Euch die gleiche Taktik empfiehlt, wie sie die Markthelfer angewendet haben; sie wird und kann Euch nicht zum Ziele führen, weil Euer ArdeitSoerhältnis ganz anderen gesetzlichen und sozialen Bedingungen unterworfen ist als daS der Markthelfer. Steht Mann für Mann hinter der einzigen Organisation, die nicht nur durch wohlfeile Redensarten, sondern durch die Tat, durch sorgfältig vorbereitete Handlungen Euch helfen will und Euch helfen wird, wenn Ihr selbst wollt und selbst helft! Leipziger Vuchhandlungs - Gehilfen, hört, was wir Euch zu sagen haben: 1. Wir haben am 25. November folgende Forderungen dem Buchhändler-Hilfsoerband und dem Verein der Buch händler zu Leipzig eingereicht: 1) Mindestgehalt von 110 Mark für alle kaufmännischen Angestellten, die Gehilfenarbeit verrichten, im Alter von 18 bis zu 20 Jahren. 2) Teuerungszulagen von 10L für alle bester bezahlten Angestellten. 3) Allgemeine neunstündige Arbeitszeit mit zweistündiger Mittagspause. 10 Uhr abends mit 75 Pfg. für die Stunde. Von 10 Uhr abends ab und Sonntags mit 1,50 Mart für die geschmälert werden darf. 5) Ein jährlicher Urlaub von 14 Tagen. 6) Sonnabend - Frühschluß vom Sonnabend Rogate bis 30. September um 5 Uhr, vom 1. Oktober bis Sonn abend vor Roaate um 6 Uhr nachmittags unter Ein haltung einer Mittagspause von mindestens 2 Stunden. 2. Wir haben durch einen Aufruf sämtliche Buchhandlungs- Gehilfen in ganz Deutschland aufgefordert, keine Stellung unter 125 Mark Monatsgehalt in Leipzig anzunehmen, bis diese Forderungen anerkannt sind. 3. Wir haben beschlosten, daß allen Buchhandlungs-Ge- htlfen, die sich aus Leipzig jetzt unserer Organisation an schließen, Eintrittsgeld und Beltrag bis zu nächstem Jahre gestundet werden. 4. Wir haben beschlosten, daß allen Leipziger Buch handlungs-Gehilfen, auch denen, die sich erst jetzt unserer Organisation anschließen, die volle Stellenlosen-Unterstützung gewährt wird, wenn sie aus Anlaß dieser Bewegung gemaß- regelt werden. So handeln wir, so suchen wir Euch zu schützen! Nun handelt Ihr! Erfolg ist nur möglich, wenn die Arbeitgeber misten, daß die erdrückende Mehrzahl von Euch hinter uns steht, daß Ihr