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Unterhaltungsbeilage Ser Deutschen Zeitung „.»Ir,,«»» Hans Wolfgang Sehn» versuch einer Wertung seines Schaffens Don Dr. Werner Eiese ^ H^nS^o^l^ang Deh^m ^ssen^letztt» ie- Ursprung der ^kenschhe!?. A?^/mnrich1una über die Persönlichkeit und das Wert des Verfassers veröffentlichen wir nachfolgenden Aussatz. Die Schnstkttung. Die Frage ist wohl berechtigt, ob die große Leser- vemejnde derer, die in Behm den vorherrschend naturwissen schaftlich und naturästhetisch wirkenden Schriftsteller schätzt, nicht allmählich in eine solche mündet, diö dem Künstler und Dichterphilosophen den Vorzug.seines Schaffens Anerkennt. Zum mindesten spricht das bisherige Schrifttum des noch verhältnismäßig jungen Gelehrten dafür, daß bei ihm Wissenschaft und gefühlsmäßige Intuition zugleich zum Mittler werden, unser Zeitalter in seinen geistigen und kulturellen Strömungen mit dem Weitblick des Universa lsten zu umspannen. Denn Behm ist letzten Endes ganz llnioersalist, unbeschadet seiner hervorragenden Fähigkeit geistvoller Auslegung wissenschaftlicher Problemstellungen. Er kommt von der Naturforschung her. kennt sich überschau- lich aus in allen Winkeln ihrer Thesen und Antithesen und wachst doch schließlich über die Forschung als solche weit hinaus. Seine Jahr um Jahr erscheinenden Werke find ein be redtes Zeugnis hierfür. An ihnen läßt sich feststellen, wie der anfänglich noch in der Forschung selbstsicher und dogma- tisch sich bewegende Gelehrte zu Zweifel und Verzicht vor dem llnzulaglichen gelangt, um schließlich die Dopprlpoljg- keil alles Erkennenwollens klar berauszumeißeln. Alle naturforschliche Beweiskraft erschöpft sich, nämlich in men schenmöglichen Beariffssormulierungsn, doch die höhere Aufgabe ist schließlich d»e. den Dingen die Segnung eines tiefumklärten Erlebnisses abzurmaen. Man mag in nüchterner Genügsamkeit Verständnis da für haben, daß z. B. die prächtigen Echneetristalle als Muster hexagonale/ Systeme sich bei dem Sublimations- Prozeß des atmosphärischen Wasserdampfes entwickeln, für Behm ist Schnee gleichwohl „Musik, die das Kalte, Unbeug same zur Milde zwingt, greifbar gewordene Seele, die das Reine sinnt". Und wahrend ,chie fallende Flocke immer und überall eine Weise des Befreienden harft", liegt dagegen „Schmelz des Unendlichen darüber", wo .Zlocke um Flocke däs Mißfarbene deckt. . . . .Wenn Schnee unter Kufen des Schüttens knirWt, träumt er das Schicksal alles Wan. dslöaren. Schnee solltest du nie betreten." Diese Hervor- tHruna eines nur bruchstücklich wiedergegebenen Beispiels mäg überzeugen, daß Behm recht eigentlich tief im Religiö sen wurzelt. Alle uns konkret sicht, und fühlbar werdenden Gegenstände rder Ausdrucksmittel dieser Welt find not. wendig dazu da, beziehentlich auf den Menschen dessen ethische Maxime zu erhellen. Es ist eine Reminiszenz an das Eoethe'sche Weltaefühl. daß den höchsten Zweck des ganzen Aufwandes von irdischen Gebilden. Gestirnen oder werdenden Welten unabänderlich tn jenem glücklichen Menschen sieht, der sich unbewußt daran erfreut. Und wenn Lehm selbst einmal an da» Nietzsche. wort erinnert, daß die Tiere den Menschen als ein Wesen betrachten, das in höchst gefährlicher Weise den gesunden Tierverstand verloren hat. so bewerft dies um so deutlicher ftine Abkehr vom Allzumenschlichen. Es bedarf einer Renaissance des Menschgewordenen, denn „das Gefühl, mit dem wir die Welt umspannen, die Lieb«., die wir allem noch st^en wir im Sinne Behms erst ganz am Äi einer sich vorbereitenden Zeitwende. Der pseudobafte pooz- nnrt der intellektuell-mechanistischen. Welt, und Lebens- wertung wehrt sich verzweifelt um seinen Tbronsessel und ein Mosaik von tausend dünkelhaft subjektwierten Teil- analysen täuscht dem Kurzsichtigen die vermeintliche Lösung der Welt, und Lebensrättel vor. Im Wandel der letzten fünfzig Jahre wurde, biowgisch besehen, Linie Darwin- wo etwa der Vttalismus und der Teleologismus bromsond wirkten, erwiesen sich deren Perspektiven mehr oder minder als spielerisch ersonnerie DeutunMmöglichkeiten. Doch Neu. land ist ausgebreitet! Ein hingebungsvolles Ein» fühlen in dieNatur^ weniger die formale Beschrei bung wird Aufgabe der mittelbaren Zukunft sein. Und wiederum erwächst aus dem Ringen um eine geschlossene Eelamtschau alles Weltgeschehens jene Demut vor dem Un zulänglichen, die schon fast ausgeschaltet war. Auch alle Gelehrsamkeit ist Gottesgnadentum. Das spricht sich recht deutlich in Behms Schrifttum aüs. Nicht umsonst wußte er einmal zu sagen: „Nur das Gefühl bezwingt die Welt. Weisheit ist eitel und gelehrt, «in schöner Name nur." Wenn ein Kritiker Behmsscher Werke einmal äußerte, daß er soviel über Pflanzen und Tiere und kaum etwas über den Menschen .auszusagen habe, so hat dies nur be» dingte'Berechtigung. Nur ein hellhöriges Erfassen der menschlichen G^enwartsschwächen^kann Selbsthekennt- ich drei GeßAoister meiner Seele. Das Tier, das' Kind und die Nacht. Weil sie die Schriftzuae des Ewigen im Zeitlichen sind. -Weil sie das Reine, Unbefleckte, das unge. heuchelte in di« Schatten des Daseins strahlen. Weil sie den Sinn des Daseins silbern um die Seele barfen." Und es hat vielleicht selten einen Meister der Feder 'gegeben, der im Rhythmus erhabenster Feinfühligkeit dies« drei Ge schwister dem Leser zwingend näher tragt. Man greife deshalb zu Behms „Adonis. ein Buch von Menschen und Tieren, Sternen und Blumen" (Alfred Kroner Derlag, Leipzig) und man wird in köstlich reinem Nacherleben stehen. Die Abschnitte „BoM zweiten Gesicht", „Stirb und Werde", „Seele des Seins", „Irrlicht des Lebendigen". .Aon Emsen und Immen"» .Flucht vor dem Tier" seien sonder» l'^e b^rvorgeh^en.^. Ob zoir nun ttn^ Reigen^^r Winter» und Blüte^webe^ ü^ttrll^atmet nur ^fsts Jnnerl^M^ Gerade in diesem Buche sind Ausblicke und Ansätze gegeben, die noch unvergleichlich Großes und Erhabenes aus Behms Feder erwarten lassen unlf schon hier rechtfertigen sich sein« Worts: „Duldsamen Erträgen« kann ich in letzter Tiefe doch nur ein Eucher der Seele sein." Wenn Lehm allzeit für denNatur-und Heimat« schutzgedanken einaetrsten ist und in Dort und Schrift dafür gekämpft hat. so erscheint das nur selbstver ständlich. Hier sind aber auch gleichwohl die Wurzel» seine» Heimatgefühls verankert und nur so konnte er auch das wirklich einzigartige Hevmatbuch vom Schauen und Er leben formen, das er unter dem Tttel.Heilige Erde" (R. Doigtländers Derlag. Leipzig) in die Lande schickt«. Ist doch gerade in diesem Buche des Verfassers hohe Kunst eoler Darstellung zu besonderer Meisterschaft entwickelt. Einztzartig schön rauscht, gewonnen am Erlebnis der Natur, Las Hohelied der Heimat auf. Die gesamte Kapitelfolge „Blick in di« Zeit"^ „Erlösende Natur^. ,-Aon Frühling Frühling". „Im grünen Herren", „Grenzen des Erlebens", „Sinfonie der See", .Mnsames Land", „Wald- gehet imris", ..Stille Feste". „ÄLsklang" gleitet wie ein« Kette verklärender Beglückung am geistigen Auge des Lesers vorüber. Wir verstehen, daß uns die Heimat zur heiligen Erd« wird, sobald wir sie mit jener sinnigen Beschaulichkeit erfassen, wie Behm dies aufgezeiat hat. In harmonischer Ausgeglichenheit ergänzen sich. Volkstum und Natur und in geschwisterlicher Verbundenheit mit der ihn umgebenden Tier, und Pflanzenwelt fühlt jeder einzelne unter uns La» Geheimnis zur inneren Gesundung entschleiert. Doch fragen wir Lun nach jener Perspektive, dle Behm anstelle des allenthalben materialistisch'wertenden und in zusammenhanglosen Einzelthesen zerfallenden Natur- und Weltbildes zu geben weih, so erhalten wir auch eine Ant wort auf diese Frage. Vor kurzem erschien (ebenfalls bet R. Doigtländer, Leipzig) sein schon umfassenderes Werk „Pl'anetentodunv Lebenswend e. das. wie der Untertitel bescheiden genug sagt, eine .Betrachtung zUm kommenden naturforschlich deutbaren Weltbild" ist. Hier stehen wir vor geradezu umwälzenden Neuland, vor einer begriffsmoglich geschlossenen Ueberschau des Weltalls und des Lebens, die schon ersihüttern muß. Eine der ersten Kritiken sagt bezeichnend: „Jedenfalls hohen wir seit Darwins Tagen kein Werk aüfzaweisen. das )o gänzlich neuartig erd- und leben-geschichtlich« Zusammenhang« deutet und der gesamten Wbstammungs- und Entwicklungslehre «In anderes Gesicht verleiht. Für jeden, der Interesse an den Schicksalswegen lebendigen Seins und Werdens, ander Ver gangenheit und Zukünft unseres Erdsterns bat, bedeutet da» Werk geradezu eine Offenbarung. Es ist eines der not- wendeten Bücher unserer Zeit, ein Buch, dessen Inhalt schlechterdings jeden angeht." Ls ist uns hier verwehrt, inhaltlich des Näheren zu erläutern. Doch Behm wird recht behalten, daß es noch Zeit zur großen Einkehr ist, „die immer-die Besten ünter uns schmerzlich ersehnten. Weil sie ahnen und fühlen, daß Harmonie im Erkennen zugleich Harmonie eines Erlebens zeitigt, das die unverbrüchliche Gewißheit auf.zweckdienliches Eingeordnetsein im welt raumtiefen Ozean alles Werdens und Versehens verbürgt," Was Behms Schaffen gibt und geben will — und dafür sprechen mehr oder minder auch alle weiteren ftiner Werke — ist sozusagen das Weltbild von moraen. getragen von der unabänderlichen Sehnsucht nach Erlösung aus de» Herz und Gemüt fesselnden Ketten eines nicht me-/ mög lichen. Kulturbildes. Gewiß, es haben noch andere Meister der Feder vieles und wertvolles hierzu zu sagen, aber Behm hat ourchaus seine eigene Note, geht unbekümmert, von „der Parteien Gunst und Haß umwittert" seinen Weg. Schon heute.dürfen wir ihn zu jenen zählen, an deren Forderungen und Ansichten man nicht gleichgültig Vorbei gehen kann. Noch laßt sich allerdings nicht sagen, zu welcher Ausdrucksform sich Behm schließlich durchrinat. denn dl« philosophisch-künstlerische Seite in ihm ist zwelselsvhne stark entwickelt und möglicherweise ist es der Wurf eines große» Kulturromans, der ihm einmal gelingen konnte. 2SI0 K» 69, 23, März 1927. Fertige Bücher. «öri-nbla>, s. d. D„chn. «u«i,-nd-i.