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Redaktioneller Teil. .V 130. 0. Juni 1914. keine Frage sein, daß der Börsenverein sich dieses Verzeichnis nutzbar macht, es kann keine Frage sein, daß der Vorstand dieser Übernahme die sorgfältigste Aufmerksamkeit schenken und aus diesem Gedanken heraus mit einem solchen Antrag kommen mußte. Herr Seemann hat in ausführlicher Weise die Chancen des Erfolgs dargelegt; Herr vr. Ruprecht hat sie zum Teil bestritten. Meine Herren, derartige Berechnungen nehme ich für das, was sie wert sind, für eine Wahrscheinlichkeitsrechnung; ich messe ihnen gar keine Bedeutung zu. Sie mögen richtig oder salsch sein, das wird sich zeigen. Das ist aber gar nicht das Entscheidende bei der Sache. Daß der Börsenverein bei der Übernahme der Bibliographie eine direkte Schädigung erfahren wird, ist von keiner Seite behauptet worden, und das wäre das einzige, was Sie vielleicht veranlassen könnte, dem Antrag nicht so freundlich gegenüberzustehen. Die Einwendungen des Herrn Or. Ruprecht sind ja sehr abgeschwächt worden, aber sie ver dienen doch Beachtung, um so mehr als sie von einem Mann kommen, dessen warmes Interesse und warmes Herz für den Buchhandel uns allen bekannt ist; seine Einwendungen sind sicher sehr beachtenswert, aber sie können aus unsere Entschließung deshalb keinen Einfluß ausüben, weil wie gesagt die Übernahme der Deutschen Bücherei verpflichtet. Sie verpflichtet gegenüber der Staatsregierung und den Leipziger Behörden; sie verpflichtet gegenüber dem Verlagsbuchhandel. Der Börsenverein hat die Verpflichtung übernommen, und der Börsenverein ist nicht gewöhnt, seine Verpflichtungen nicht zu erfüllen. Herr vr. Ruprecht hat den Börfenvereinsvorstand ersucht, dafür besorgt zu sein, daß der bibliothekarische Einfluß nicht überwiegen wird, der Ein fluß des Buchhandels soll gewahrt bleiben. Meine Herren, die Verdienste, die sich die Hinrichs'sche Buchhandlung um die Aus gestaltung der Bibliographie erworben hat, sind weltbekannt und auch gestern und heute erwähnt und anerkannt worden; ich schließe mich dieser Anerkennung vorbehaltlos an. Aber, meine Herren, es ist nicht dies nur die Hinrichs'sche Buchhandlung gewesen. Die Bibliographie ist in Deutschland, und eigentlich nur in Deutschland entstanden und gepflegt worden. Erst der deutsche Buchhändler, der deutsche Antiquar ist es gewesen, der die Bibliographie nach dem Auslande getragen hat, und wenn Sie heute noch die antiquarischen Kataloge, die der deutsche Antiquar herausgibt, mit den ausländischen vergleichen, so finden Sie nur da, wo ein deutscher Antiquar der Begründer oder Leiter eines Unternehmens ist, die wirkliche Bibliographie; alles andere ist ein Verzeichnis von Büchern. Die Systeme von Schrettinger, von Placius sind in Deutschland entstanden, und die deutsche Bibliographie ist durchaus Eigentum des deutschen Geistes. Der Börsenverein hat es stets für seine Ausgabe gehalten, deutschen Geist und deutsches Schrifttum zu pflegen, und es ist nur logisch, daß auch die deutsche Bibliographie ihm über wiesen wird. Es ist von dem bibliothekarischen Einfluß gesprochen worden. Ich habe auch der Männer, die ja auch Bibliothekare waren, die die Systeme geschaffen haben, gedacht; aber diese Systeme sind größtenteils veraltet. Auch den Bibliothekaren wird es gut tun, wenn buchhändlerischer Einfluß in die Bibliographie eindringt; wenn das formale Wesen, das der bibliothekarischen Bibliographie heute noch anhängt, durch den Sauerteig des Buchhandels etwas schmackhaster gemacht wird. Die Amerikaner haben das Verdienst, die Bibliographie umgestaltet zu haben, sie haben sie in praktischer Weise für den Gebrauch umgestaltet. Unsere Bibliothekskataloge sind kaum für den Fachmann verständlich, geschweige denn für den einsachen Benutzer, und da wird der Einfluß des Buchhandels sehr günstig wirken, und darum begrüße ich, daß Buchhandel und Bibliothekare zusammenarbeiten werden. Es ist auch die Frage der Privatunternehmung gestreift worden. Meine Herren, das ist eine wirtschaftlich sehr schwierige Frage, die sich nur von Fall zu Fall entscheiden läßt. Wo es sich um eine größere Unternehmung handelt, da wird der Angestellte in den meisten Fällen zum Beamten, und da ist kein großer Unterschied mehr zwischen der Bewirtschaftung durch eine Korporation oder durch einen einzelnen. Ich habe mich also vorbehaltlos dem ersten Antrag des Vorstandes angeschlossen. Ich begrüße es allerdings, daß der Antrag etwas modistziert worden ist, insofern als er der Kommission einen größeren Einfluß gewährt und auch die Hauptver sammlung sich heute prinzipiell nicht zu entschließen braucht. Ich würde mich deshalb freuen, wenn die Versammlung dem Antrag vorbehaltlos zustimmen wollte. Was den Antrag L betrifft, so habe ich mich anfangs nicht recht mit ihm befreunden können; aber die Fassung, die er jetzt erhalten hat, glaube ich doch vertreten zu können, insosern als es daraus ankommt, eine Gelegenheit nicht zu verpassen. Ich habe mich gestern schon dasür eingesetzt, daß man mit der Hinrichs'schen Buchhandlung, wenn es irgendwie geht und sie es durch ihre Forderung möglich macht, zu einer Einigung kommen sollte, und ihr nicht ohne Entschädigung dasjenige nimmt, was seit 117 Jahren in ihrem Besitz war. Dies trifft aber nicht zu auf die mehrjährigen Bände. Das sind Konkurrenzunter nehmungen, da haben Sie Kayser, Heinsius, der soviel ich weiß eingegangen ist, da haben Sie endlich Hinrichs. Das sind keine Unternehmungen, die ein Eigentum sind, aber eine Stärkung werden können für den Börsenverein. Ich vertraue auch da unserem Vorstand, und will mich deshalb nicht gegen den Antrag wenden. Ich möchte nur noch eins sagen. Wenn Herr Rost ansührt, daß die Bibliographie billiger geworden sei, so ist das kein Beweis, daß sie nicht noch billiger werden könnte, nament lich da der Börsenverein keinen Unternehmergewinn zu nehmen braucht. Die Kataloge sind reichlich teuer und der kleine Sorti menter ist kaum imstande, sich die halbjährlichen Kataloge anzuschaffen, geschweige denn die mehrjährigen, dadurch wird der Einfluß der Baisortimenterkataloge erheblich gestärkt, nicht zum Wohl des Buchhandels, namentlich deshalb nicht, weil der jüngere Buchhändler stets zum Bolckmar greift und es verlernt, bibliographische Hilfsmittel zu benutzen, auch verlernt, sein Gedächtnis zu stärken und seinem Gedächtnis zu trauen. — Ich kann also nur empfehlen, nehmen Sie auch diesen Antrag des Vorstandes einstimmig an. Herr Paul Nitschmann - Berlin: Ich werde mich sehr kurz fassen. Ich kann vorausschicken, daß ich beiden Anträgen zustimmen werde. Ich habe nicht zu denen gehört, die die Begründung der Deutschen Bücherei enthusiastisch begrüßt haben, ich stehe auch heute noch auf einem skeptischen Standpunkt, bekenne mich aber gern zu der britischen Anschauung: kilgkt or N'ronx, mx countr)'. Infolgedessen begrüße ich den Ankauf von Kaysers Lexikon durch den Börsenverein, sei es auch nur als Sicherheitskauf. Der Preis ist billig, das Lexikon ist jeden Augenblick für diesen Preis wieder los zu werden. Ich begrüße seiner sogar das Scheitern der Verhandlungen mit der Firma Hinrichs, im Gegensatz zu vielen von Ihnen vielleicht. Ich sage mir: die Deutsche Bücherei ist heute noch in einem Jugendzustande, sie hat noch viele Kinderkrankheiten durchzumachen, sie soll ihre Kräfte erst erproben an dem vierjährigen Kayser, mit dem eingearbeiteten Stab von Mitarbeitern, um, wenn die Kräfte ausreichen, später die Herstellung der halbjährigen und wöchentlichen Verzeichnisse zu übernehmen. Ich stehe nicht auf dem Standpunkt des Herrn vr. Ruprecht, daß es leichter sei, eine halbjährige Bibliographie zu machen als eine mehrjährige; im Gegenteil, die mehrjährige läßt dem Bearbeiter viel mehr Zeit, während die wöchentliche viel schneller und infolgedessen bei unzureichender Praxis viel flüchtiger gefertigt werden muß. Darin aber stimme ich Herrn vr. Ruprecht voll bei, daß die Deutsche Bücherei eine Bibliographie schaffen muß, die unter keinen Umständen eine bibliothekarische, sondern eine buchhänd lerische ist. lBravo!) Ich habe gestern schon mich in dem Sinne ausgesprochen, daß jeder Einfluß aus die Bibliographie durch die Bibliothekare verhindert werden muß; es muß Sorge getragen werden, daß diese Bibliographie so hergestellt wird, daß sie 928