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130, 9. Juni 1914, Redaktioneller Teil. Börsenblatt >, d, Dlschn Buchhand,I. Es hat nun nicht an Stimmen gefehlt, welche darauf Hinweisen, daß es doch eigentlich nicht Sache des Börsenvereins fei, Verlagsbuchhandel zu treiben und bestehenden Einrichtungen dadurch einen unbequemen Wettbewerb zu bereiten. Dem gegenüber ist aber darauf hinzuweisen, daß ein Verein wie der unsere eine Einheit höherer Ordnung ist und daß er sich auf die Dauer nur kräftig erhalten kann, wenn er im Kampfe Aller gegen Alle sich mit dem versieht, was sein Ansehen und seine Kraft steigern kann. Zu diesen Hilfsmitteln gehören neben einem wohlgefüllten Geldbeutel das Börsenblatt, das Adreßbuch und die Bibliographie, Um aber nicht in den Ruf zu kommen, das Recht des Stärkeren auszuüben, hat der Börsenverein schon seit längerer Zeit Verhandlungen angebahnt, um das Bestehende nicht rücksichtslos zu beseitigen, sondern in kollegialer Art vorzugehen. Obwohl der Verein erst seit 1892 das wöchentliche Verzeichnis von der Hinrichs'schen Buchhandlung bezieht, obwohl er nur bis Ende 1916 verpflichtet ist, es fortzubeziehen; obwohl er schließlich durch das rapide Wachstum seines Bedarfs die Rentabilität des Unternehmens sehr günstig beeinflußt hat, war er doch bereit, dem Unternehmer die vorgeschlagene Ab tretung so günstig wie möglich zu machen. Er war bereit, etwa den fünffachen Betrag der angegebenen Rente zu zahlen, um die nach zwei Jahren ohnehin endende Verpflichtung jetzt schon abzulösen. Dieser Vorschlag ist von Hinrichs leider abgelehnt worden. Es ist aber von dem Börsenverein nicht zu verlangen, daß er sich um des Vorteiles eines Einzelnen willen des Vorteiles der Gesamtheit, die er darstellt, entschlage. Es kann dem Börsen verein nicht verdacht werden, wenn er nicht länger als nötig 26 000 M, jährlich für eine Bibliographie zahlt, die er selbst sür den gleichen oder geringeren Betrag in mindestens gleicher, wahrscheinlich aber besserer Beschaffenheit Herstellen kann. Infolge der vorläufigen Mitteilungen, die der Börsenvereins-Vorstand ins Börsenblatt hat gelangen lassen, meldete sich Ende vorigen Jahres der Verleger des Georgschen Schlagwortkataloges mit einem Angebot, Da die Verhandlungen wegen der Ablösung der wöchentlichen Bibliographie noch kein bestimmtes Resultat erkennen ließen, war der Vorstand nicht in der Lage, darauf einzugehen; er wollte die Beziehungen zur Hinrichs'schen Buchhandlung nicht trüben. Infolgedessen ging der Verlag des Georgschen Schlagwortkataloges an die ebengenannte Firma über. Der Vorstand erkannte daraus sofort, daß er bei der etwaigen Erwerbung der Bibliographie keinen leichten Stand haben würde; mancherlei Anzeichen sprachen dafür, daß bei der Hinrichs'schen Buchhandlung die Absicht bestehe, eine bibliographische Monopolstellung zu erlangen. Die Hoffnung des Vorstandes, der heutigen Versammlung den Ankauf der Hinrichsschen Gesamtbibliographie aus Grund einer angemessenen Preisforderung Vorschlägen zu können, war trügerisch. Die außerordentlichen Anstrengungen, die die Firma durch Anfügung eines gut gear beiteten Schlagwortregisters zu dem Halbjahrskatalog machte, die Schärfe, mit welcher sie dem Konkurrenten Ehr, H, Tauchnitz, dem Verleger von Kaysers Bücherlexikon, in einem Nachdrucksprozeß gegenübertrat, ließen darauf schließen, daß der Kaufpreis, den der Börsenverein sür den Erwerb der Bibliographie zu zahlen haben würde, sehr hoch, wo nicht unerschwinglich sein würde. In dieser Zeit — am 16, Januar 1914 — trat die Firma Tauchnitz mit einem günstigen Kaufangebot, Kaysers Bücherlexikon betreffend, an den Vorstand des Börsenvereins heran; dieser beschloß, die Angelegenheit dem Rechnungsausschuß zur Beschluß fassung zu unterbreiten, der seinerseits die Vorlage günstig ausnahm und den Ankauf warm empfahl. Der Preis beträgt 13 000 M, insgesamt, und zwar 7500 M, sür die Aushändigung der Kontinuationsliste und 5500 M, sür die bisher geleisteten Arbeiten an dem im Entstehungszustande befindlichen Band, Der durchschnittliche jährliche Absatz älterer Bände beläuft sich auf rund 4000 M, Die Vorräte, welche sich aus rund 11 500 Bände belaufen, werden günstig angeboten. Es sind ca, 111 komplette Exemplare von Bd, l—36 vorhanden, allerdings müssen 16 Bände anastatisch neu hergestellt werden, aber die Kosten dafür sind IN dem Kaufpreis einbegriffen. Der seitherige Bearbeiter Conrad ist mit Fortführung der Aufgabe betraut worden. An Stelle des Ankaufs des Georgschen Schlagwortkatalogs hat der Vorstand für vorteilhaft gehalten, den bisherigen Bear beiter dieses Katalogs anzustellen und zunächst für die Arbeit in der Deutschen Bücherei zu verpflichten. Sollte der Börsen verein sich entschließen, einen Schlagwortkatalog zu veröffentlichen, so bedarf es sür ihn jetzt keiner Vorbereitungen oder Kapital anlagen, Die Arbeit für einen solchen Katalog, mag er nun halbjährig oder mehrjährig sein, kann sogleich beginnen. Da die Abstandssumme, welche die Hinrichs'sche Buchhandlung für die Außerkraftsetzung des noch bis Ende l916 lausenden Vertrags forderte, viel zu hoch war, als daß der Vorstand sie zur Bewilligung hätte empfehlen können; da ferner die beträchtliche Summe, welche der Vorstand geboten hatte <30 000 M,>, nicht angenommen wurde, die Hinrichssche Buchhand lung vielmehr ihr Angebot zurückgezogen hat, so sieht sich der Vorstand nicht in der Lage, die Herausgabe der wöchentlichen Bibliographie früher als 1917 in die Hand zu nehmen. Dagegen empfiehlt er in Übereinstimmung mit dem Rechnungsausschuß den Erwerb des Kayserschen Lexikons, dessen in Herstellung befindlicher Band, die Jahre 1911—1914 umfassend, im Lause des Jahres 1915 erscheinen könnte. Nach den ziffernmäßigen Unterlagen, die für die Beurteilung des Kaufpreises gegeben worden sind, ist anzunehmen, daß der Gewinn an einem Bande des Kayserschen Lexikons rund 10 000 M, beträgt, der Betrag von 7500 M,, der für das Verlagsrecht gezahlt werden würde, könnte also schon durch den Verkauf der in Arbeit befindlichen Bände 37 und 38 im Jahre 1915 gedeckt werden, wenn der Band die Jahre I9ll—1914 umsaßt. Es ist also für die späteren Jahre ein erheblicher Nutzen zu erwarten, der dann der Verbesserung der Bibliographie dienen könnte. Durch die hochherzige Entschließung der sächsischen Staatsverwaltung und durch die Liberalität der Stadt Leipzig sind die Mittel zur Errichtung und Verwaltung der Deutschen Bücherei bereitwilligst gewährt worden; durch die glänzende Frei gebigkeit des deutschen Verlagsbuchhandels wird nun auch das edle Gesäß mit wertvollem Inhalt gestillt. Aber der Börsen- verein besteht ja nicht nur aus Verlegern, Er darf auch an seine Sortimentsmitglieder einen Appell richten, sich der großen und guten Sache zu widmen. Nicht durch Geldbeiträge, sondern dadurch, daß der Sortimentsbuchhandel sich des einen wert vollen Nebenprodukts der Deutschen Bücherei, der Bibliographie, annimmt. Der Nutzen, der sich aus dem Ertrag des biblio- graphischen Verlags voraussichtlich ergeben wird, sollte der Beitrag sein, den das Sortiment der neuen, großartigen Einrichtung des Börsenvereins leistet. Hierdurch kann der hohe Anschaffungspreis der bibliographischen Lexika gemindert werden; auch wäre eine immer bessere Qualität, eine fast absolute Vollständigkeit und Korrektheit der Verzeichnisse zu erzielen. Durch solche Be tätigung einmütiger Sympathie für das Unternehmen wird es auch möglich werden, die bibliographischen Arbeiten zu jenem Grade von Vollendung zu führen, der bisher nur ideal war. Uber die Probleme der Bibliographie hier einen längeren Bortrag zu halten, dürfte sich schon mit Rücksicht auf den knappen Zeitraum, der zur Verfügung steht, verbieten. Nur soviel sei gesagt, daß die Bibliographie, wenn sie hohen Ansorde rungen entsprechen soll, keine bequeme Aufgabe ist. Nichts scheint leichter, als einen Titel nach gegebener Vorschrift abzu schreiben, Format und Seitenzahl festzustellen und dazuzusetzen; allein das Problem, hunderttausend der verschiedenartigsten lite rarischen Erscheinungen zu einem fehlerlosen, konsequent geordneten Ganzen zusammenzufassen, erfordert einen Auswand von geistiger Energie, von Geduld, peinlicher Genauigkeit, Sinn sür Systematik, Kenntnis der gleichartigen Arbeiten und nicht selten auch von besonderem Scharfsinn, daß eine mangelhaft und eine gut gearbeitete Bibliographie vergleichbar ist mit zwei Zeit- Messern: einer gewöhnlichen Taschenuhr und einem Chronometer für wissenschaftliche Messungen, Bibliographie ist kurz gesagt eine Präzisionswissenschaft, und daher ist es für den Buchhandel von großer Wichtigkeit, daß die auf guter theoretischer und 921