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^ 101, 4. Mai 1910. Nichtamtlicher Teil. — Sprechsaal. Börsenblatt s. d. Dtjchn. Buchl,anbei. 5339 Personalnachrichten. Gestorben. — Ein Kabel aus der Hauptstadt Mexiko meldet mir, daß dort am 28. April Herr Walter C. Müller, Inhaber der Firma lübroria, Inlernaeional äs Müller 8errouvog, nach nur vierzehntägigem Krankenlager am Typhus gestorben ist. Wer den im besten Mannesalter Plötzlich vom Tode Ereilten gekannt hat, wird, gleich mir, durch diese Trauerbotschaft tief erschüttert sein. Der Verstorbene stammte aus Lübeck und wanderte nach beendeten Universitäts-Studien nach den Vereinigten Staaten aus. einer kleineren, emporblühenden Stadt eine Druckerei gründete und erfolgreich betrieb. Nach einigen Jahren verlegte er sein Geschäft in die Hauptstadt. Hier gelang es ihm bald, durch eisernen Fleiß und eigene Tüchtigkeit sein Geschäft so auszubauen und zu heben, daß es zu den leistungsfähigsten des ganzen Landes gerechnet werden konnte. Als ich im Jahre 1607 aus Gesundheits rücksichten meine deutsche Buchhandlung und deutsche Zeitung von Mexiko an Walter Müller verkaufte, trat ich in engere Be ziehungen zu ihm und lernte in ihm einen Mann von vornehmer Denkungsart und festem Charakter kennen, einen Mann von immenser Arbeitskraft, großer Tüchtigkeit und ausgeprägtem Pflichtgefühl. Dadurch, daß wir gemeinschaftlich mein Adreßbuch- Unternehmen in Mexiko bis zum heutigen Tage fortführten, blieb ich mit ihm in steter Fühlung. Sein Tod ist für die deutsche Kolonie in Mexico, deren Bester einer er war, ein harter Schlag. Für seine Mutter, für seine Frau und Kinder bedeutet sein Hinscheiden einen nie zu ersetzenden grausamen Verlust. Deutsch geblieben bis ins Mark, hatte er seine vier Kinder zur Erziehung nach Lübeck gesandt, wo seine Frau Ende März zum Besuch ebenfalls eingetroffen war. In seiner Todesstunde hat ihm also gefehlt, was ihm das Liebste auf Erden war. Walter Müller war im vollsten Sinne des Wortes ein Pionier des Deutschtums im überseeischen Ausland, er war ein ganzer Mann, der seinem Vaterlande nur Ehre gemacht hat. Ich werde seiner stets gedenken. Möge er sanft in fremder Erde ruhen! Ach wie so bald verhallet der Reigen, Wandelt sich Frühling in Winterszeit, Ach wie so bald in trauerndes Schweigen Wandelt sich alle die Fröhlichkeit! Berlin, 2. Mai 1910. Max Ahlschier. Sprechsaal. »Spät — aber nicht verspätet.« Die schönen Tage in Aranjuez sind nun zu Ende —, so werden auch diejenigen, denen es vergönnt war, die diesjährigen Kantatefeste mitzufeiern, denken. Die Ostermesse ist vorüber, vorüber die mit ihr verbundenen Arbeiten, überwunden die kleineren und größeren Sorgen, die die Messe namentlich dem Sortimenter bereitet. Man darf jetzt Rückblicke halten auf das Ergebnis des ver gangenen Jahres. Ist es ein befriedigendes oder unbefriedigen- des gewesen, hat's der Arbeiten und Mühen gelohnt, sind die Hoffnungen in Erfüllung gegangen, die Verlag und Sortiment von seinen Unternehmungen erwartet haben? Alle diese Fragen werden den einen oder andern der Kollegen mehr oder weniger bewegen. Neben der Rückschau muß man aber auch Umschau halten, ob die guten Beziehungen der Kollegialität nicht durch Vorkommnisse beeinflußt worden sind, die erstere zu stören wohl geeignet wären. Ich will deshalb heute in den hier fol- genden Ausführungen eine reine Sortimenter-Angelegenheit be leuchten, deren frühere Veröffentlichung nur infolge anderweitiger Inanspruchnahme bisher unterblieben ist. Hie Warenhaus-Buchhandel, — Hie Vereinsbuchhandel, — Hie Abzahlungsgeschäfte, — das sind die bekannten Kümmernisse des Sortiments, über die es kaum noch lohnt Klagelieder anzustimmen. Aber damit nicht genug! Es wird uns Sortimentern nicht nur immer schwerer, gegen diese bereits bestehenden und ähnliche noch ent stehende Konkurrenzen anzukämpfen, sondern auch gegen Unterbietungen, die leider aus Kreisen des Buchhandels selbst stammen. Zu diesen, die das Geschäft erschweren, treten alljährlich noch andere Auswüchse in die Arena des geschäftlichen Lebens, die dem Sortimenter, besonders aber dem wissenschaftlichen Sortimenter das Leben geradezu verbittern, das sind z. B. die sogenannten »Mischkataloge«, auf die ich an dieser Stelle Hin weisen und über die ich zur Aussprache hiermit anregen möchte. In Mischkatalogen, so lautet § 17 Absatz 2 der Verkaufs ordnung, sind die zum Ladenpreis angesetzten neuen Werke von den antiquarischen in einer dem Publikum klar verständlichen Weise zu unterscheiden. Trotzdem in dieser Darstellung gewissermaßen ein Zugeständ nis der Berechtigung derartiger Kataloge liegt, halte ich die Ver breitung socher, die ich im Auge habe und auf die ich im folgenden näher eingehen will, für ungehörig, für eine Unsitte, gegen die das reine Sortiment genötigt ist sich zu schützen. Was sind Mischkataloge? Bücher-Kataloge, in denen die verschiedensten Werke gleich zeitig zu neuen und antiquarischen Preisen angeboten werden, die also mit zwei Preis-Rubriken, einer für die Ladenpreise und einer anderen für die antiquarischen Preise, versehen sind. Die Herausgabe solcher Misch-Kataloge geschieht seitens einiger Buchhandlungen schon seit einer Reihe von Jahren, gewissermaßen als Spezialität, und sie dienen ihnen als ein be liebtes Mittel, Kundschaft heranzuziehen und den Umsatz zu heben. Ob nur in größeren Städten mit Hochschulen solche Kataloge herausgegeben und verbreitet werden, ist mir nicht bekannt. Entsprechen diese Misch-Kataloge nun den guten Gewohn heiten des Buchhandels? Nein! denn sie entsprechen in vielen Fällen nicht dem an einen Bücherkaralog zu stellenden Erfordernis, nämlich erstens dem, daß die Mehrzahl der als antiquarisch vorhanden angezeigten Bücher auf Lager ist, und zweitens dem, daß die Titel genau mit Auflage und Jahreszahl angegeben werden. Ein Mischkatalog verleitet zu der Annahme, daß alle in ihm angezeigten antiquarischen Werke ebenso wie neue jederzeit dauernd zu den angesetzten Preisen käuflich sind. Werke, die durch öffentliche Angebote von den Verlegern selbst oder durch Grosso- händler zum antiquarischen Vertrieb zu beziehen sind, selbstver ständlich ausgeschlossen. Anders mit einem genau als Anti quariats-Katalog bezeichneten Katalog; dieser läßt, was jeder nur einigermaßen mit dem Buchhandel Vertraute weiß, an nehmen, daß die in ihm angezeigten Werke, wenn nicht anders angegeben, nur einmal auf Lager sind. Die Mehrzahl der Antiquariats-Kataloge gibt auch bei jedem Titel die Auflage und die Jahreszahl des Erscheinens an. Werden nun Misch-Kataloge verbreitet, so werden die Empfänger derselben, angezogen durch die billigen Antiquarpreise schnell versuchen, ihren Bedarf bei der Handlung zu decken, deren Katalog sie erhalten haben. Das kann man niemandem verdenken. Da es sich aber in allen diesen Angeboten im günstigsten Falle nur um eine Auswahl wirklich vorrätiger antiquarischer Exemplare handeln kann, so muß dem Käufer mit Bedauern mitgeteilt werden, daß das betreffende Buch fehlt. Nun gibt es ja die schöne Ausrede: Gerade verkauft — trifft in einigen Tagen wieder ein — oder eine andere beliebige Ent schuldigung —, in Wirklichkeit wird der Gedanke des Verkäufers aber sein, zu versuchen, möglichst schnell ein antiquarisches Exem plar zu beschaffen oder ein Exemplar vom Sortimentslager mit einem etwas außergewöhnlichen Rabatt an den Mann zu bringen. In manchen Fällen wird sich der Kauflustige zufrieden geben und, wenn er Zeit hat zu warten, dem Buchhändler Auftrag zur Be schaffung des gerade nicht mehr vorrätigen geben; in vielen Fällen wird aber derjenige, der ein bestimmtes Buch infolge der Katalog.Anpreisung verlangt und es nicht findet, direkt getäuscht, er macht vielleicht einen vergeblichen Weg, oder er läßt eine andere gerade passende Gelegenheit zur Erwerbung des Buches an anderer Stelle vorübergehen; kurzum er hat Verdruß, weil er sich getäuscht fühlt. Ich glaube nicht fehl zu gehen, wenn ich behaupte, daß viele, oder etwas gelinder ausgedrückt, auch nur manche der in Misch- 689*