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.V 238 13. Oktober 1909. Nichtamtlich« Teil. Börsenblatt f. d. Dtschn. Buchhandel. 12055 solche Aufwendungen, die eine Gesellschaft für eine neue Zeit schrift zur Erwerbung eines entsprechenden Abonnenten- und Jnseratenstammes gemacht hat, auch in der Form von Einführungs reklame, ganz oder teilweise zu einem Aktivposten zusammen gefaßt werden. Voraussetzung ist dabei natürlich immer, daß sie zunächst ordnungsgemäß als Passiva verbucht worden sind. Ich sage ausdrücklich »ganz oder teilweise«, denn demgegenüber fordert das Gesetz auch wiederum, daß bei der Gegenüberstellung der Aktiva und Passiva nur der gemeine Wert maßgebend sein soll, den ein Vermögensgegenstand, also hier der erworbene Abon- nentenstamm, am Schlüsse des Geschäftsjahres hat; nicht aber ein besonderer, individueller Wert, den er kraft eigentümlicher Verhält nisse des Besitzers hat. die sich auf andere nicht übertragen lassen Man darf sich also nicht etwa einbilden, daß man den Schaden fehlgeschlagener Spekulationen dadurch aus den Bilanzen eliminieren kann, daß man die nutzlos verausgabten Gelder einfach als Verlags recht unrentabler Zeitschriften verbucht. Dieser durchaus falschen Ansicht scheint man in einer Gesellschaft m. b. H. gewesen zu sein, in der eine Tageszeitung mit knapp 25 000 > Reingewinn auf eine halbe Million geschätzt wurde. Auf meine verwunderte Frage, wie denn diese exorbitante Bewertung zu begründen sei, wurde ich dahin belehrt, daß in das Blatt im Laufe der Jahre bereits über zwei Millionen gesteckt worden wären. Das ist aber in meinen Augen nur ein Grund mehr, einen solchen Vielfraß um so niedriger einzuschätzen. Nur der Reingewinn ist maßgebend; abgesehen von ganz neuen Blättern, deren Leserkreis und Rentabilität beständig zunebmen. Aber auch sie dürfen niemals höher bewertet werden als die zu ihrer Einführung aufgewendeten Beträge ausmachen. Wenn einzelne Firmen ideelle Werte grundsätzlich nicht als Ver mögensgegenstände rechnen, so ist dagegen selbstverständlich nicht das geringste einzuwenden. Nur läßt sich diese Gepflogenheit nicht überall in der Praxis durchführen. Es könnte sonst beispiels weise eine Gesellschaft, die ihrer Geschäftslage nach berechtigt wäre, eine hohe Dividende zu verteilen, leicht in den falschen Ver dacht geraten, die Hälfte ihres Grundkapitals verloren zu haben. Zum leichteren Verständnis dieser Tatsache braucht man sich nur eine Gesellschaft mit einem Grundkapital von 1000 000 ^ vor zustellen, die sich mit einem Reklameaufwand von 600 000 ^* sehr schnell ein Blatt geschaffen hat, dessen Einnahmen seine Herstellungs kosten um 100 000 übersteigen. Bucht die Gesellschatt die ver ausgabten 600 000 nicht bloß auf der einen Seite, sondern auch als Verlagsrecht, wozu sie, wie gesagt, berechtigt ist, dann darf sie eine Dividende verteilen; unterläßt sie das aber, so wird sie so lange scheinbar einen Verlust zu tragen haben, bis sie die 600 000 Propagandakosten wieder verdient hat. Und damit werden ihre Aktionäre wohl nicht immer einverstanden sein. Die hier gestreiften Verhältnisse erklären das Mißtrauen, das das Großkapital im allgemeinen der graphischen Industrie entgegenbringt. Es muß dabei eben viel zu viel mit Imponderabilien gerechnet werden. Felle, Schuhe, Stoffe, selbst Streichhölzer und Stiefelwichse haben immer einen Minimalwert, der sich jederzeit feststellen läßt; literarische Erzeugnisse und Kunstprodukte aber nicht. In neunzig Fällen von hundert werden sie weiter nichts sein als unbrauchbar gemachtes Papier — Makulatur. Wer das nicht glauben will, der erkundige sich doch einmal bei erfahrenen Verlegern, wie oft sie sich nicht in ihrem Leben bei aller Vorsicht verrechnet haben. Wird nun noch die Frage aufgeworfen, warum gerade so viele Gesellschaften der graphischen Industrie so schlecht da stehen, und warum es so häufig mit Firmen bergab geht, sowie sie erst einmal in den Besitz einer Gesellschaft übergegangen sind, dann könnte die treffendste Antwort darauf lauten: Viele Köche ver derben den Brei. Der bisherige Inhaber, der das Geschäft hoch gebracht hat, zieht sich gewöhnlich so bald wie möglich von der Leitung zurück, verstimmt durch die Kontrolle des Aufsichtsrats; und wenn dann nicht unmittelbar eine geeignete Persönlichkeit an seine Stelle tritt, die durch die Höhe ihrer Beteiligung oder kraft andrer Eigenschaften eine einheitliche Leitung durchsetzen kann, dann ist gewöhnlich das Schicksal der Gesellschaft entschieden: sie bewegt sich von null an auf abschüssiger Bahn. Es entstehen Eifersüchteleien und Reibereien, durch die meistens die besten Kräfte lahmgelegt, wenn nicht gar ausgeschaltet werden. Der ganze Apparat arbeitet schwerfällig, weil einer ohne den andern nicht disponieren darf, und die Firma geht in ihrer Konkurrenzfähigkeit zurück. Die Direktoren suchen sich nicht in erster Linie der Kund schaft, sondern zunächst ihrem Aufsichtsrat angenehm zu machen, weil sie sonst abberufen werden. Kurz, es stimmt und klappt alles nicht mehr so wie früher, und die alten Geschäftsfreunde verlaufen sich. Carnegie hat einmal irgendwo den Lehrsatz aufgestellt: »Gehirn wird vom Kapital höher bewertet als Kapital«. Wer aber hinter die Kulissen solcher Gesellschaften gesehen hat, wird mir beipflichten, wenn ich demgegenüber die Behauptung auf stelle: »Jeder Ignorant — bisweilen wäre ein weit schärferer Ausdruck am Platze — mit hunderttausend Mark Vermögen gilt im geschäftlichen Leben hundertmal mehr als der klügste Fach- mann, der nur tausend Mark hat.« Am deutlichsten tritt das bei der Besetzung von Stellen zutage. Keine Kapitaleinlage — kein Posten! Und die Folgen davon sind dann die immer schöner werdenden Bilanzen. Irgendwo — der Ort tut nichts zur Sache — hatte man einmal einen Herrn aus der Konfektionsbranche zum Generaldirektor einer großen graphischen Kunstanstalt bestellt, weil er für 600 000^ Aktien übernommen hatte. Up ewig ungedeelt! Wenige Jahre darauf mußte die Gesellschaft mit einer Unter bilanz von fünfviertel Million liquidieren! Das ist die Macht des Geldes. In einer andern Gesellschaft hatte eine Gruppe von Aktionären ihrem Direktor, einem anerkannt tüchtigen und bewährten Fach manne, in der Person eines jüngeren Herrn so eine Art von Adlatus, Berater in Geldsachen oder dergleichen aufgenötigt. Was war die Folge davon? Von da ab leitete dieser Herr die Geschäfte. In einer Verhandlung, der ich beiwohnte, führte nicht der Direktor mit den Fachkenntnissen das Wort, sondern der besagte Herr mit den Stimmen in der Generalversammlung. Als ich seinen Vor trag einmal zu unterbrechen wagte, um ihn in der schonendsten Form auf einen offenbaren Irrtum über eine interne buchhänd lerische Frage aufmerksam zu machen, bekamen wir folgende klassische Antwort zu hören: »Aber erlauben Sie mal, das muß ich doch auch beurteilen können, ich bin Doktor jurib!« Vor diesem eben einfach alles schlagenden Argument strich ich selbstverständ lich sofort die Segel und empfahl mich. Also Jurist, und — so nebenher noch Sortimenter und Verleger, bloß weil Kapital hinter ihm steht. Vielleicht ist er inzwischen auch noch Techniker ge worden. Da darf man sich allerdings nicht wundern, wenn selbst die besten Firmen dabei zugrunde gehen. Kleine Mitteilungen. Deutsche Export - Revue, G. m. b. tz. in Berlin. — Handelsregister-Eintrag: Im Handelsregister 6 des Unterzeichneten Gerichts ist am 5. Oktober 1909 folgendes eingetragen worden: Nr. 6982. Deutsche Export-Revue, Gesellschaft mit beschränkter Haftung. Sitz: Berlin. Gegenstand des Unternehmens: Verlag, Be- und Vertrieb von Exportzeitungen, von Adreß büchern und anderen Publikationen, insbesondere die Übernahme und der Fortbetrieb der zu Berlin im Verlage von Hermann Paetel erscheinenden Deutschen Export-Revue sowie Begründung, Erwerb und Übernahme anderer Geschäftsbetriebe für den Export. Das Stammkapital beträgt 400 000 Geschäftsführer: Konsul Albert Blom in Wannsee, Professor vr. Rudolf Fitzner in Wilmersdorf. Die Gesellschaft ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung. Der Gesellschaftsvertrag ist am 28. September 1909 festgestellt. Die Gesellschaft wird durch zwei Geschäftsführer oder durch einen Geschäftsführer und einen Prokuristen oder durch zwei Prokuristen vertreten. Außerdem wird hierbei bekannt gemacht: Öffentliche Bekanntmachungen erfolgen im Deutschen Reichs anzeiger. Die Gesellschafter: 1. offene Handelsgesellschaft in Firma: Hermann Paetel in Berlin, 2. Konsul Albert Blom in Wannsee, 3. Professor vr. Rudolf Fitzner in Wilmersdorf, bringen in die Gesellschaft ein: die im Verlage von Hermann 1565*