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Redaktioneller Teil. 12, 16. Januar 1919. meine Eröffnungsansprache mit den Worten Ulrich von Huttens, der auch in schwerer Zeit lebte, trotz Tod und Tränen schließe: .Künste und Wissenschaften blühen! Cs ist eine Lust zu leben!*« B u ch h ä n d l e r i s ch c r F a ch s ch u l v e r e i n in Bayern E. V. Ioh. Alb. Mahr, H. Bruckmann, 2. Vorsitzender. Schriftführer. Die Spartakuswoche im Berliner Zeitungsviertel. (6.—11. Januar 1919.) Unpolitischer Brief eines p a s s i v b e t c i l i g t e n Buch händlers. Lieber Freund! Durch die von mir täglich übersandten Morgen-, Mittag- und Abendblätter bist Du über Beginn, Fortgang und Rück- flutung der hiesigen bolschewistischen Springwelle mehr als genügend unterrichtet. Ich will nun noch einige persönliche Erinnerungen an diese — Gott sei Dank! — nunmehr der Vergangenheit angehörcuden roten Tage folgen lassen. Als ich am 6. Januar arbeitseifrig wie immer meiner in der Lindenstraße gelegenen Arbeitsstätte zustrebte, fand ich diese Straße am Belle-Alliance-Platz durch bewaffnete Militär- und Zivilpersonen, welch letztere gerade nicht sehr vertrauenerweckend aussahcn, ver sperrt. Am Abend vorher war der »Vorwärts« zum zweitenmal seit der Revolution vom 9. November v. I. von Spartakiden besetzt worden. Die roten Fahnen hingen wieder aus dem »Vorwärts«-Gebäude, und auf der Straße loderten zwei große Feuer: Zu Asche brannte hier kost bares maschinenglattes Druckpapier, viele Tausende Wahlaufrufe der gemäßigt-sozialistischen Partei. Auf der anderen Straßenseite wurde das Publikum durchgelas sen, und im Geschäft erfuhr ich dann, daß Spartakus auch die anderen großen Zcitungsverlagshäuser Mosse, Ullstein, Scherl, die Reichs druckerei, das Wolffschc Telcgraphenbureau und später auch Büxen stein widerrechtlich besetzt hatte. Die reichshauptstädtische bürgerliche Presse war also mundtot gemacht. Was das für die Stadt der »In telligenz« bedeutet, brauche ich nicht näher auszuführcn. Nebenbei be merkt, wollten die Spartakiden die eine oder andere der großen Ber liner Zeitungen in ihrem Sinne weiter erscheinen lassen, was ihnen aber infolge des geschlossenen Widerstandes der Beamtenschaft der be treffenden Verlagshäuser nicht gelang. Sie konnten selbst beim »Vor wärts«, den die unabhängigen Sozialisten als »rechtmäßiges« Eigen tum in Besitz genommen haben wollten, nicht einmal mehr als ein seitig bedruckte Blätter mit hetzerischen Aufrufen herausbringen, da sie von dem Nachrichtendienst abgeschnittcn wurden und auch Mangel an dem nötigen technischen Personal zur Herstellung der Zeitung hatten. Berlin war also auf den Straßcn-Zeitnngsverkauf angewiesen, wobei eS in den ersten Tagen nur die Wahl hatte unter ganz links stehenden Blättern wie: »Freiheit«, »Note Fahne«, »Republik« und kleinen unbedeutenden Nachrichtenblättern. Es erschienen auch neue Zei tungen, z. B. »Das neue Berliner Tageblatt«, von irgend jemand zusammengestellte, in einer kleinen Druckerei oft nur einseitig be druckte Blätter, die aber reißend abgingen. Erst später kamen dann die meist in der Provinz verbreiteten rechtsstehenden Blätter auch in den Berliner Straßenverkanf. Unzählige IN Pfg.-Stücke wurden so „mgescyt. Große Demonstrationszüge bildeten im übrigen die Signatur des 6. Januar. Die unabhängigen Sozialdemokraten und die Lieb- knechtschen Kommunisten waren anfgeboten worden. Aber die ge mäßigten Sozialdemokraten erließen dann ihrerseits gleichfalls Auf forderungen zu Gegendemonstrationen, und so zogen ans vielen Groß betrieben geschlossene Trupps auf die Straße mit dem Schild: Für die Negierung Ebert-Scheidemann! Diese bildeten auf dem Wilhelms platz und der Wilhelmstraße einen undurchdringlichen Wall der Re gierung. Nachmittags sah man die Züge der Linkssozialisten mit ihren roten Fahnen durch die Lindenstraße zum »Vorwärts« ziehen. Män ner, Arbeiter und Soldaten, Frauen und Mädchen, vorweg auch einige Trupps Bewaffnete. Von Zeit zu Zeit ertönten Rufe wie: Liebknecht hoch, Ebert-Scheidemann nieder, der folgende Zug stimmte dann in die Rufe Hoch, hoch, hoch! und Nieder, nieder, nieder! ein. Vox populil? Ich hatte mir die Stimme des Volkes eigentlich etwas anders vor- estellt. Bei den Demonstrationen in den folgenden Tagen fehlte mehr und mehr die Weiblichkeit, ein Zeichen dafür, daß die Lage ernster wurde. Auf den Straßen ballen sich Menschenmassen um einzelne Redner, die meist für Liebknecht agitieren, wie Bienenschwärme zusammen. Einige Spartakiden reißen jugendlichen Zettelverteilern die Flug blätter der Gegenpartei ans der Hand und stecken sie in Brand: das 42 soll wahrscheinlich den Kamps der Geister markieren! Es gibt er regte Szenen auf der Straße. Tie Lindcnstraßc ist vor dem »Vor wärts« auf ganzer Breite abgcsperrt. Große Geschäfte schicken ihre Angestellten nach Hause. Die Sicherheit auf der Straße nimmt ab. Es wird viel geschossen. Am Abend des 8. Januar bei Verlassen des Geschäfts hören wir Schüsse an beiden Enden der Lindcnstraße snnten »Vorwärts«, oben Mosse) fallen, sodah wir für den Heimweg durch die gegenüberliegende Markthalle die Friedrichstrabe gewinnen müssen. Der 9. Januar bringt Einstellung des Straßenbahnverkehrs in folge Streiks der Schaffner; auch die Stadtbahn soll nicht mehr funk tionieren. Auswärts wohnende Angestellte kommen überhaupt nicht zum Dienst, die in entfernteren Stadtteilen erst mit mehrstündiger Ver spätung. Der Verkehr auf der Straße nimmt stark ab. Um Straßen- Agitatvren, die jetzt teilweise auch für die Regierung sprechen, zieht sich das Volk dicht zusammen. Mittags erlebe ich ein Feuergefecht am Anhalter Bahnhof; um 1 Uhr nachmittags werden die Liebknecht-Leute im Mosseschen Ge schäftshaus, nach von uns beobachteter vorheriger Nücktreibung des Publikums aus den Zugangsstraßen, vom Turme der Jerusalemer Kirche mit Maschinengewehren beschossen, abends fordern uns Re gierungssoldaten zum Verlassen des Geschäfts aus, da die ganze Lin- deustraßc abgcsperrt werden soll. Am 10. Januar ist das Bild noch im wesentlichen unverändert, nur die Straßenbahn fährt wieder, nachdem den Schaffnern ein Mo natsgehalt von .// 100.—, jährlich um 10 ./k steigend bis .// 500.—, be willigt worden ist. Im Geschäft ist ein erheblicher Rückgang der Post- cingänge festzustellen. Mittags wird mein Überschreiten des Belle- Alliance-Platzes durch entsetzendes Maschinengewehrfeuer beschleunigt, das anscheinend von den Dächern kommt. Alles stiebt auseinander und flicht Deckung. Dazwischen fährt ganz gemütlich ein Straßen bahnwagen mit seinen ahnungslosen Fahrgästen. Bezeichnend für die se» Arbeitcrkrieg ist es, daß die große Masse der Bevölkerung sich als neutral ans den Kriegsschauplätzen bewegt und nur durch Znfalltref- fer beschädigt wird. Ein kurz nach mir im Geschäft ankommcnder Beamter erzählt, daß an derselben ^elle ein Ncgierungssoldat vor seinen Angen durch Kopfschuß getötet worden sei. In der Nacht zum 11. Januar hört das Schießen am Anhalter 24ahnhof und Umgegend gar nicht mehr ans. Morgens dröhnt die Luft von Artillericfeuer. Die Hochbahn steht still, was am Großstadt-Baro meter »Sturm« bedeutet. Es gelingt mir trotz mehrfachen Versuches nicht, das Geschäft zu erreichen. Alle Wege dahin sind abgesperrt. Mittags erreicht uns die Kunde von der Eroberung des »Vorwärts« und der Bürcnsteinschen Druckerei durch die Negiernngstrnppen; Ullstein, Mosse und Scherl werden später von den Spartakiden ge- ränint, und im Laufe des Sonntags fallen auch sämtliche anderen, von den Kommunisten widerrechtlich besetzten öffentlichen Gebäude. Ein sofort vorgenommener Gang durch das Zeitungsviertel zeigt große Zerstörungen an der Fassade des »Vorwärts«-Gebäudes, wäh rend die bürgerlichen Verlagshäuser teilweise zwar viel Schüsse durch Maschinengewehrfeucr aufweisen, aber sonst äußerlich nicht gelitten zu haben scheinen. Ein Gefühl der Erleichterung ergreift alle darüber, daß die Ord nung noch einmal über die finsteren Gewalten der Zerstörung gesiegt hat. Hoffentlich bleiben wir von neuer Schreckensherrschaft verschont, die wir nur den einen Wunsch haben, in Ruhe an dem Aufbau des neuen Deutschen Reiches zu arbeiten. B e r l i n , den 12. Januar 1919. E. D g. Paschke,;Max, und Philipp Rath, Lehrbuch des Deutschen Buchhandels. Vierte, der- mehrte und verbesserte Auflage. Zwei Bünde. Leipzig 1918. Verlag der Börsenvcreinr der Deutschen Buchhändler. Geb. se 10 Mk. Ladenpreis, t> Mk. bar^ Als vor etwas mehr als zehn Jahren, im Juli 1908, die erste Auf lage des vorliegenden Werkes erschienen war, wurde ihm «in Ehren platz in der Geschästsbücherei des Buchhändlers vorausgesagi, und der Erfolg, drei starke Auflagen in diesem Zeitraum aus einem immerhin eng begrenzten Absatzgebiet, hat der Voraussage rechtgegebcn. Hat auch der Inhalt der zweiten und der dritten Auslage keine wesentlichen Änderungen erfahren, was bei den gründlichen, jahrelangen Vorarbei ten und dem Umfassenden, wohldurchdachten Plane, der dem ganzen Werke zugrunde lag, nicht anders zu erwarten war, so war doch schon bei der dritten und mehr noch in der neuesten Ausgabe die sorgsame, feilende Hand der Urheber zu erkennen, sitr die auch das scheinbar mehr Nebensächliche nicht ohne Bedeutung ist. Mit Recht betonen die Ver fasser, daß die während des Krieges im Geschäftsbetrieb eingetrctencn Veränderungen noch nicht berücksichtigt werden konnten, da ein Lehr-