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6, g. Januar 1913. Redaktioneller Teil. lKortsctzung zu Seite 2M.j spekte und Zirkulare mit Unterschrift, Werke über Goeschen, darunter ein 800 Seiten umfassendes, unveröffentlichtes Ma nuskript von Ferdinand Weibert: »Episoden aus dem Leben eines deutschen Buchhändlers»; ferner Verlagskataloge, Aus züge aus den Metzkatalogen, Kopien von Verlagskontrakten und dergleichen mehr. Es ist eine unschätzbare Sammlung zur Geschichte der deutschen Literatur und des deutschen Buch handels in ihrer Glanzperiode, die hier zum Verkauf kommt. Solange sie im Besitze der Familie Goeschen war, mutzte man sich bei dem Gedanken beruhigen, daß sie sich im Ausland befand. Jetzt aber regt sich der Wunsch, sie wieder in Deutsch land an einer Stelle, die ihr gebührt, zu sehen, am liebsten in der Bibliothek oder in dem Archiv des Börsenvereins. Der Preis ist nicht niedrig, aber auch nicht unerschwinglich; sie soll F 375.— oder ungefähr 7500.— kosten. Vielleicht fühlt sich einer unserer großen Verleger veranlaßt, sie zu er werben und dem Börsenverein damit ein nachträgliches Weih nachtsgeschenk zu machen; vielleicht ist auch durch eine all gemeine Subskription die Summe zusammenzubringen, damit auf diesem oder jenem Wege ein Schatz deutschen Ursprungs für uns zurückerobert werden kann, den wir dem Auslande nicht lassen dürften! Die Anregung dazu sei hier gegeben. B. P. Stuttgarter Briefe. i. Das ganze Deutschland soll es sein! — Fortbildungskurse. — Bücher wagen. — Weihnachtsreklame. — In insmoriani. — Aus Wissenschaft und Kunst. »Können wir heute, beinahe ein halbes Jahrhundert, seit dem der deutsche Norden dem Süden zum letztenmal mit den Waffen in der Hand gegenübertrat, aufs neue von einer Main linie sprechen?« Mit dieser Frage beginnt der erste, die neuen Stuttgarter Hoftheater behandelnde Artikel in dem von der Firma Albert Koch L Co., Stuttgart, herausgegebenen Weihnachtskatalog. Wenn auch dort von einer kulturellen Mainlinie gesprochen wird, so muß doch festgestellt werden, daß unser Buchhandel seit langen Jahren am Werke ist, die Spuren dieser Mainlinie zu verwischen. Um nur einige wenige Beispiele herauszugreifen: Unseres Bismarcks Werke haben in der Schwabenhauptstadt ihre .Heimstätte gesunden, sein bedeutendstes Werk verdankt seine Ent stehung der Initiative eines Stuttgarter Verlegers, der einst auch als Vorsitzender des Börsenvereins am Einheitsbau des Buchhandels kräftige Arbeit geleistet hat. Die monumentalste Biographie über den Preuhcnkönig Friedrich den Großen, die von Reinhold Koser, ist im Stuttgarter Verlage erschienen, und das liebenswürdige Jagdtagebuch des Deutschen Kronprinzen hat im vorigen Jahre von Stuttgart aus seinen Siegeslauf in die Welt angetreten. Solche Betrachtungen drängen sich auf, wenn wir von dem Denkmal sprechen, das der Buchhandel im Begriff ist dem deutschen Volke zu errichten: der »Deutschen Bücherei«. Um Stimmung für dieses gewaltige Unternehmen zu machen, haben Herr Kommerzienrat Karl Siegismund, der Vor sitzende des Börsenvcrcins, und Herr Arthur Meiner, der Vor sitzende des Deutschen Verlegerdereins, unsere Stadt Mitte No vember v. I. mit ihrem Besuche beehrt. Es spricht für das Ver trauen, das beide Herren in den Gemeinsinn des hiesigen Buch handels gesetzt haben, daß sie Stuttgart als ersten zu besuchenden Platz für ihre opferwillige Reise ins Auge gefaßt hatten. Dieses Vertrauen ist, wie wir erfuhren, nicht getäuscht worden, beide Herren haben sich erfreulicherweise höchst befriedigt über die Aufnahme ausgesprochen, die sie und das von ihnen vertretene Riesenwerk bei der hiesigen Kollegenschast gefunden haben. Sie durften die Gewißheit mitnehmen, daß der hiesige Buchhandel der guten Sache warmes Verständnis entgcgenbringt und ihr tatkräftige Unterstützung zuteil werden lassen wird. Der Stutt garter Buchhandel ist gewillt, zu zeigen, daß er auch hinsichtlich der Pflege des Gemeinwohls den bisherigen Platz behaupten wird. Als ein Wahrzeichen des geeinigten Deutschland darf wohl auch der Bücherwagen betrachtet werden, der uns mit der Buchhandels-Hauptstadt Leipzig verbindet und landauf, landab in schnellem Laufe die Geistesware hin- und leider auch wieder zurückträgt. Der dreijährige Vertrag, den der Buchhändler-Ver ein mit der Speditionsfirma Paul von Maur wegen des Bücher wagens abgeschlossen hatte, ist mit Ende des verflossenen Jahres abgelaufen. Wie der Briefschreiber erfuhr, brachte die Er neuerung dieses Verlages monatelange Beratungen und lang- wierige Erörterungen mit sich. Von einigen Formalitäten ab gesehen, darf jetzt aber der neue Vertrag als abgeschlossen be trachtet werden, so daß der endgültige Vollzug bald erfolgen dürfte. Wie zu erwarten war, wird es ohne eine Erhöhung der Spesen leider nicht abgchen; daß sie nicht noch höher wur den, ist dem mit den Verhandlungen betrauten Ausschuß zu verdanken, dessen Mitglieder es nicht an Zeit und Mühe fehlen ließen. Die Fortbildungskurse für Buchhändler, die der Stuttgarter Buchhändler-Verein in Gemeinschaft mit den Gehilfenvereinen in früheren Wintern veranstaltet hat, sollen sicherem Vernehmen nach in diesem Winter wegen zu geringer Beteiligung der Ge hilfenschaft keine Fortsetzung finden. Man hätte erwarten dür fen, daß bei dem lebhaften Anklang, den diese segensreiche Ein richtung anfänglich fand, der Besuch besser gewesen wäre, als es der Fall gewesen ist. Dem namentlich in Gehilfenkreisen oft betonten Bedürfnis nach Weiterbildung trugen diese Kurse in bester Weise Rechnung, aber es zeigte sich doch, daß die Kurs leiter sich hinsichtlich des Bildungseifers unseres jüngeren Nach wuchses verrechnet haben. Jedenfalls hat mancher Besucher wert vollen Gewinn sürs Leben davongetragen. Die umstehenden beiden Anzeigen (letztere in Ver kleinerung wiedergegeben) sind in den Wochen vor Weih nachten in den Tagesblättern erschienen, eine Kollektiv- Reklame des hiesigen Buchhandels, über die man sich nur freuen darf. Das im Börsenblatt wiederholt erwähnte Münchener Plakat habe ich im Schaufenster hiesiger Sortimenter und an Plakatsäulen ebenfalls gesehen. Ein weiterer Hinweis auf Bücher als Weihnachtsgeschenke wurde wiederholt dadurch gebracht, daß einzelne Sortimenter Exemplare des von ihnen für den Vertrieb bevorzugten Weih nachtskatalogs an die Redaktionen der Tagesblätter gesandt haben, die dann auch in den entsprechenden Notizen darauf hin wiesen. Unsere beiden allgemeinen Weihnachtskatalogc von Albert Koch L Co., gedruckt in der Union, und Nesf L Koehler, gedruckt in der Deutschen Verlags-Anstalt, sind ja bereits in Nr. 287 des Börsenblatts in dem Artikel »Neue Weihnachtskata- loge« besprochen worden. Wer die beiden stattlichen und schön gedruckten Kataloge genauer ansieht, wird finden, daß sie sich hinsichtlich der Reichhaltigkeit des Inhalts und der literari schen Bearbeitung getrost ihren norddeutschen Vettern an die Seite stellen können, ja sie in letzterem Punkte vielleicht noch übertreffen. Angesichts der Flut der Weihnachtskataloge und der Verleger-Almanache drängt sich immer mehr die Frage auf, ob nicht in dieser Beziehung doch des Guten zu viel geschieht, und wohin wir mit der Überproduktion noch kommen. Unter dem Schlagwort »Buchkultur« kommen immer neue Ausgaben alter, längst vergessener Schmöker auf den Markt. Solange die Sache noch neu war, mag sie ja auch ihre Liebhaber gefunden haben, ob aber der eigentliche Buchsport, der die Bücher nicht seines Inhalts wegen, sondern zum Anschauen kauft, bei uns so viele Liebhaber finden wird, daß sich derartige Ausgaben lohnen, er scheint doch zweifelhaft, über die »Prachtwerke« ist seinerzeit viel gezetert worden, sie feiern jetzt in den verschiedenen Lieb haberdrucken eine Auferstehung. Mehr und mehr scheint der Buchhandel auf das gefährliche Gebiet bloßer Spekulation zu geraten. Der Verlagsbuchhandel, der seine Aufgabe als Kultur träger wirklich erfüllen Wik, muß aber in erster Linie bei der Erzeugung von Büchern aus den Inhalt, erst in zweiter auf die Ausstattung sehen. Das Hervortreten erotischer Darstellungen ist auch gerade keine Empfehlung für den Buchhandel. Und wenn außerdem vielfach die Ausstattung auf alte Vorbilder, namentlich us der Biedermeierzeit, zurückgeht, so ist auch das kein Zeichen des Fortschritts. Nicht besser ist die Ausländerei im jetzigen Buch handel. Wir Deutschen sind ja von jeher dem Auslande nach-