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^ 232, 6. Oktober 1910. Nichtamtlicher Teil. Neue Hoffnung läßt die Herzen des Jünglings und der Jungfrau höher schlagen. Sie entsprechen der freundlichen Aufforderung des »erfolgreichen modernen« Verlegers und erhalten sogleich »kostenlos- die Auskunft, er sei bereit, zu sehen, zu prüfen und — selbstverständlich nur bei Aussicht auf Erfolg — zu verlegen. Mit bangem Zagen wandert das Manuskript hinaus. Schon nach wenigen Tagen kommt diesmal der Bescheid voll höchst schmeichelhafter Worte, mit dem Ausdruck felsenfester Überzeugung, daß der spärlichen Zahl der Großen ein neuer Heros sich beigesellen werde, daß man es sich zur Ehre schätze, daß man für würdige Drucklegung einer solchen Dichtung besorgt sein werde, daß man mit seinen »weitreichenden Verbindungen-, mit dem angesehenen Namen der Verlagsfirma dem Autor einen sicheren literarischen Er folg verbürgen könne usw. usw. Freilich sei der Markt über schwemmt, der Geschmack des Publikums durch die verrohte Kritik und die Unmenge dilettantischer Machwerke miß- geleitet, und wenn auch nach dem Dichterworte das Echte der Nachwelt unvcrloren bleibe, so ließ sich doch über den Absatz im Voraus nicht urteilen. Deshalb ersucht der freundliche Verlag je nach dem Umfang des Werkes vor der Drucklegung um einige hundert oder tausend Mark. Nicht etwa ä konäs xeräu, nein, nach Deckung der Kosten soll dem Herrn Autor alljährlich die Hälfte vom Ertrag seines Buches zustehen und so die vorgeschossene Summe, ja vielleicht ein viel höherer Betrag, in seine Tasche fließen. Wie das gleißt und lockt! Wie das der Eitelkeit wohltut und durch den leicht zu berechnenden Gewinn bei Absatz der ganzen Auflage noch goldene Früchte verspricht! Die Verlags firma führt gewöhnlich einen klassisch klingenden, un bestimmten Namen, wie »Bukephalus-Verlag« oder »Ariadne- Verlag», auch die Verbindung mit dem Wörtchen -modern ist sehr geschätzt, und ihre Erzeugnisse suchen manchmal auch die vornehmsten Muster moderner Buchkunst nachzuahmen. So bringen denn der arme Student, das alternde Fräulein mühselig die geforderte Summe zusammen, der reiche Dichterling opfert sie leichten Mutes. Alle wollen sie ihren Namen gedruckt sehen, alle wollen sie berühmt werden! Selig halten Sie die fertigen Exemplars mit den leuchtenden Umschlägen in Händen, empfangen von den willigen Lippen der Verwandten und Freunde die Gewähr der Unsterblichkeit und flanieren des Tages hundertmal an den Schaufenstern der heimischen Buchhandlung vorüber, um zu sehen, ob da nicht neben dem neuesten Hauptmann oder Bartsch ihr Wer! prangt. Vielleicht lesen sie auch gedruckt in ein paar Pro vinzzeitungen ihr Lob mit den bombastischen Worten des Waschzettels. Dann wird alles still. Der freundliche Verleger muß »ach einiger Zeit auf eine Anfrage erwidern, daß der Absatz leider gleich Null sei, junge Talente setzten sich bekanntlich schwer durch; aber er verweist auf die lobenden (von ihm selbst fabrizierten) Besprechungen in Malminken oder Wald hausen und rät zu einem zweiten Versuch, der bei der wachsenden Reife des nun schon »in weiteren Kreisen be kannten» Autors gewiß Erfolg bringen würde. Ist der Verfasser nicht inzwischen über die Eigenart seines Verlegers ins klare gekommen, oder überwältigt ihn der Ehrgeiz, den er auf keine andere Art befriedigen kann, von neuem, so mag sich das Spiel wiederholen -— vielleicht Unter den Dilettanten Uberwiegen die glücklichen ewig Blinden, denen der Irrtum das Leben ist. Auch von ihnen gilt die Kassandrafrage: »Frommt's, den Schleier auf zuheben?» Und die Ausbeutung der Eitelkeit ist von jeher, nicht erst seit heute und gestern, von weniger vornehmen Verlegern in ähnlicher Weise zum Haupt- oder Nebenerwerb gemacht worden. Aber während früher diese Schmarotzerpflanze der lite rarischen Produktion im verborgenen vegetierte, wagt sie sich seit kurzer Zeit ohne alle Scham ans Tageslicht und wird dadurch zu einer öffentlichen Gefahr. Neben den Mitteln zur Verschönerung der Büste, deren Anpreisungen ihnen psychologisch nahe verwandt sind, erscheinen massen haft Inserate von der Art des vorhin angeführten. Offenbar erreichen sie ihren Zweck, unerfahrene Autoren auszubeuten. Immer zahlreichere Angebote dieser Art be weisen, daß aus dem bisher vereinzelten unfeinen Gebaren eine neue Verlegergattung erwachsen ist, literarische Prosti tuierte, die ihre Kunden auf offener Straße locken und den »Wurzen«, deren sie im geheimen lachen, käuflichen Ruhm statt käuflicher Liebe versprechen. Der harmlose Leser einer angesehenen Zeitschrift mag wohl meinen, wenn er auf solche Inserate stößt, da suche ein Verlag, dem es an den nötigen Beziehungen fehlt, Möglich keiten, seinen Autorenkreis zu erweitern. Aber jeder Sach kundige wird bestätigen, daß der ehrbare Buchhandel niemals mit solchen Mitteln neue Autoren zu gewinnen sucht, sondern entweder an die Schriftsteller selbst herantritt oder aus den freiwillig eingesandten Manuskripten das ihm aussichtsreich scheinende wählt. Auf diesen beiden Wegen findet auch das ausschweifendste Verlegersehnen sein Genüge. Das Ansehen des deutschen Buchhandels beruht mit darauf, daß er den literarischen Markt von wertlosen und schädlichen Erzeugnissen rein hält. Er vor allem führt den Kampf gegen die Schmutz- und Schundliteratur, der gegen wärtig auf der ganzen Linie entbrannt ist. Er sollte auch einmütig gegen den aufsprießenden Afierverlag Front machen, dessen Produkte in anderem Sinne Schmutz- und Schund literatur heißen dürfen. Auf welche Weise das geschehen soll, mag den berufenen Organen des Buchhandels überlassen bleiben. Zunächst gilt es, die unkundigen Autoren zu warnen und ihnen den Glauben zu nehmen, daß der In haber des »Bucephalus»-Verlags oder ein anderer Bieder mann seines Schlages sie für ihr gutes Geld berühmt machen werde. Neuigkeiten des russischen Buchhandels?) Pg. — Petersburg, M. --- Moskau, P. f. — Preis fehlt. (Vgl. 84, 102, 122, 164, 166, 193, 201 d. Bl.) Ad amowitsch, B. Sammlung kriegsgeschichtlicher Materialien des Leibgarde-Kexholmschen-Kaisec von Österreich-Regiments. I. Bd. 2 Tle. Pg. 8°. 406 S. P. f. Adreßkalender des Gouvernements Jekaterinoslaw auf das Jahr 1910. Unter Red. von G. A. Bogdanow. Jekaterinoslaw. 8°. 382 u. 42 S. 1 R. Akssakow, S. T. Gesammelte Werke. Unter Red. von A. G. Hornfeld. 6. Bd. Pg. 12°. 411 S. 1 R. Alexandrow, A. Vollständiges russisch-englisches Wörterbuch. 4. Ausl. Pg. 8.° 758 S. 6 R. 50 K. Alexandrowskij, I. Neuester Selbstunterricht für Mandoline mit 60 russ. und klein-russ. Liedern u. a. M. 4°. 63 S. 1 R. Arkadij-Petrow. China während des letzten Jahrzehnts. (Sozialpolit. Skizze.) Mit 28 Portr. polit. Personen. Pg. 8°. 232 S. 1 R. 30 K Arktur. Die Grundfragen der äußeren Politik Rußlands in Ver bindung mit dem Programm unserer Marinepolitik. Odessa 16°. 646 S. 1 R. 20 K. Awertschenko, A. Lustige Austern. »Humorist. Erzählungen. Pg. 8°. 209 S. m. Portr. 1 R. 10 K. Barataschwili, N. Gedichte und Briefe. Tiflis. 8°. ll6 S, 46 K. (In georgischer Sprache.) *) Die angezeigten Schriften sind, wo nicht ausdrücklich eine andere Sprache angegeben ist, in russischer Sprache verfaßt. 1503'