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Redaktioneller Teil. l, 3. Januar 1916. Wicklung. Damit steht durchaus nicht im Widerspruche, daß wir jede Absonderung und Abschließung Deutschlands von den ande ren Nationen für verhängnisvoll halten würden: wir werden im Gegenteil fremde Sprachen noch besser lernen und uns noch ein gehender mit den wirtschaftlichen und kulturellen Verhältnissen des Auslandes beschäftigen müssen, um andere Völker verstehen zu lernen und unsere Interessen im internationalen Leben nach drücklich vertreten zu können. Zu neuen Ufern lockt ein neuer Tag Nicht die Zahl der gewonnenen Schlachten, sondern der innere Gewinn, den wir aus diesem Kriege davontragen, wird für das Schicksal und die Zukunft unseres Volkes entscheidend sein. Und wenn auch viele, gestützt auf die Unvollkommenheit der menschlichen Natur, der Meinung sind, das; nach dem Kriege alles beim alte» bleiben werde, so möchten wir dieser Auffassung cntgcgcnhaltcn, daß es wesentlich auf das Beispiel und darauf ankommcn wird, an das Gegenteil zu glauben, um diese Prophezeiung zu schänden zu machen. Dankbar haben wir bei unserer eigenen Arbeit einpfunden, das; Vertrauen mit Vertrauen erwidert wird und das; keine Arbeit vergeblich ist, die sich zum Ziele setzt, immer Besseres und Vollkommeneres zu leisten. Auch der ständige Mit arbeiterkreis des Börsenblattes hat sich bedenklich gelichtet, und wenn dies nach außen hin weniger in Erscheinung getreten ist, so danken wir dies der Mitarbeit unserer Leser, an die auch bei dieser Gelegenheit die Bitte ergeht, in enger Gemeinschaft mit der Redaktion die Arbeit im neuen Jahre wieder aufzunehmen. Erst wenn jeder sich zur Mitarbeit bereitfindet, werden wir mit unserer Arbeit der Allgemeinheit nützen und sic mitten hinein in die Arbeit unserer Berufsgenossen stellen kön nen. Leser und Redaktion müssen daher, um die Lücken auszufüllcn, jetzt noch mehr zusammenrllcken und in gemeinsamer Arbeit, Anregung gebend und nehmend, sich darüber zu ver ständigen suchen, was alles getan werden muß, um gute Bücher in möglichst weite Volkskreise zu tragen und an unserem Teile an der Erziehung der Massen mitzuarbeiten. Denn nicht um »schöne Artikel« oder blendende Phrasen ist es uns zu tun, sondern darum, der Praxis unseres Berufes zu nützen, indem wir die Dinge so darstellen, wie sie uns und an deren erscheinen, damit die nach Verwirklichung ringenden Ge danken sich in enger Berührung mit der Praxis läutern und ihr dienstbar gemacht werden können. Daher werden wir uns auch freimachen müssen von der Vorstellung, daß in unserem Berufe alles vortrefflich bestellt sei und uns zu tun nichts übrig bleibe, alz alles zu loben, was getan oder unterlassen wird. Wir wer den im Gegenteil, bei uns selbst anfangend, einen strengeren Maß stab an uns legen und mehr Kritik üben müssen, wenn wir den an uns nach dem Frieden herantretenden Aufgaben gewachsen sein wollen und der Wunsch des Kaisers in seiner Antwort an die Kundgebung der deutschen Erwerbsstände in Erfüllung gehen soll: Gott der Herr kröne das Werk mit seinem Segen und lasse alle die schweren Opfer unserer Tage zu einer guten Saat werden für eine glückliche Zukunft des deutschen Volkes und Vaterlandes! Hirschwaldsche Buchhandlung — August Hirschwald in Berlin 1816-1918. Zur Begrüßung von R. L. Prager. Anfang 1816 gründete August Hirschwald, geb. um 1776, in Berlin unter der Firma Hirschwaldsche Buchhandlung ein Sor- timentsgcschüft, dem er später ein Antiquariat angliederte. Da mals war Berlin nicht viel mehr als eine bessere Mittelstadt, wenn sie auch die Hauptstadt des Königreichs Preußen war. Alles lag nahe beieinander, und der Geschäftsinhaber wohnte gewöhnlich in dem Hause, in dem er sein Geschäft betrieb. Das Geschäft wurde ruhig und ohne große Aufregung besorgt: die Gewinne hielten sich in bescheidenen Grenzen. Das Leben war billig, die Vergnügungen erschwingbar. Bei den geringen Entfernungen waren Wagenfahrten nur ausnahmsweise nötig, für die eine An zahl Droschken mit den berühmten Berliner Pferden zur Ver fügung standen. Ausflüge machte man nach Schöneberg, Char lottenburg und andern Orten, und man mußte sich schon früh am Tage rüsten, wenn man eine solche Reise antreten wollte, denn die Beförderungsmittel waren sehr primitiv und bestanden in einigen Kremsern, die z. B. nach Charlottenburg am Branden burger Tor, das wirklich damals noch ein Tor war, das abends zum Teil geschlossen wurde und an das die Stadtmauer stieß, auf gestellt waren. In diesem Berlin also gründete August Hirschwald seine Buchhandlung in der Burgstraße 25 und führte sie in der üblichen Weise bis zum Jahre 1833 fort. In diesem Jahre trat sein Neffe Eduard Aber, geboren am 10. November 1816, ihm zur Seite, und von diesem Tage an kann man den Aufschwung des Ge schäfts rechnen. Eduard Aber war ein ungewöhnlich fähiger und tätiger Mann, dem es gegeben war und auch gelungen ist, das Geschäft in ganz neue Bahnen zu lenken. Die Lage der König lichen Anatomie in der Neuen Friedrichstraße, in größter Nähe des Hirschwaldschen Geschäftslokals führte zu näherem Verkehr, und Aber verstand es, die Professoren und Dozenten nicht nur zu Kunden des Sortiments zu gewinnen, sondern sie auch zu litera rischen Arbeiten anzuregen, die den Grundstock des Hirschwald schen Verlags bilden sollten. Freilich mutzte Aber seinem Tätig keitsdrangs noch Zügel anlegcn; denn der gute Onkel Hirsch wald war auf derartige Exzentrizitäten, wie Verlegen nament lich größerer Werke, nicht gerade gut zu sprechen, wenn er auch selbst seinem Betriebe einen kleinen Verlag angegliedert hatte. Aber, der zuerst als Gehilfe eingetreten war, wurde im Jahre 1835 Prokurist und übernahm das Geschäft käuflich im Jahre 1810 zu dem damals erheblichen Kaufpreise von 20 006 Thalern. Ausgeschlossen von dem Kauf war «ine kleine Anzahl von Ver- lagsartikeln, die sich August Hirschwald vorbehielt, unter der Firma seines Namens weiter zu vertreiben. August Hirschwald zeigte diesen Geschäftsllbergang dem Buchhandel unter dem 15. Juni 1841 in einem Rundschreiben an, von dem «in Exemplar mit der handschriftlichen Unterzeichnung August Hirschwalds und Eduard Abers sich im Besitze der Firma befindet. Dieses Rundschreiben, namentlich seine Einleitung, ist nicht ohne Humor, und ich kann es mir nicht versagen, seinen An fang hierherzusetzen: »Wer bereits sechs Decennien seines Lebens zurückgelegt und im siebenten desselben wandelt, hat Ursache, an die große Reise zu denken, die ihm bevorsteht, und die er nicht aufschieben kann, sobald der Uostillon äe mort plötzlich vorfährt und ins Abschiedshorn stößt«. In dem Rundschreiben wird der Verkauf der Handlung damit begründet, daß er nur einen noch ganz jungen Sohn habe, der erst nach 12 Jahren mündig sein werde, und ferner, daß er nur das Sortiment verkaufe, weil er seinem Sohne, wenn er auch Buchhändler sein will, das Verlagsfeld, »welches ich nur unbe deutend bestellte, mit den ihm zu Gebote stehenden Kräften tüch tiger als ich zu bearbeiten« Vorbehalten wolle. Er empfiehlt dann seinen Neffen und fügt hinzu, daß er nicht jedem seine seit 26 Jahren in Ehren erhaltene Firma, auch für den höchsten Preis, überlassen hätte. Am 3. September 1848 starb August Hirschwald, 78 Jahre alt, und Eduard Aber übernahm an diesem Tage auch den Ver lag zugleich mit der Firma August Hirschwald, welche beiden Fir men noch heute in alter Weise fortgestihrt werden. Ein Jahr später trat der damals noch minderjährige Sohn des Gründers, Ferdi nand Hirschwald, geboren den 18. November 1826, in die Firma als Teilhaber ein. Der Sohn Eduard Abers, Albert, geboren am 12. Mai 1842, der sich durch längeren Aufenthalt im Auslande für die Nachfolgerschaft gut vorbereitet hatte, wurde von seinem Vater im Jahre 1862 als Prokurist pnd am 12. Mai 1872 als Teilhaber ausgenommen. Am 8. September 1899 starb Ferdi nand Hirschwald, und kurze Zeit darauf, am 25. September des selben Jahres Eduard Aber, von welchem Tage an Albert Aber alleiniger Inhaber der beiden Firmen ist. Mit dem Eintritt Eduard Abers begann das Geschäft, das bis dahin als allgemeines Sortiment mit Antiquariat geführt worden war, sich zum Spezialgeschäft für Medizin und Naturwissenschaften zu entwickeln. Immer mehr Mediziner, Studenten, Dozenten und Professoren wurden Kunden.