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Redaktioneller Teil. 1, 3. Januar 1916. schon manches kritische Urteil abgeben müssen. Und diese Regeln heißen: Schweige, so oft du ungewiß bist, und rede, wenn du auch gewiß bist, als wärest du ungewiß. Ruhme zuerst das Gute, das da ist; dann zeige das Gute an, das nicht da ist, wenn du dies noch für nötig hältst. Rühme nie das Gute, das nicht da ist; denn das ist Verblendung. Kannst du nicht die Rolle des Zensors spielen, so vertritt die eines getreuen Anzeigers; hebe drei Stellen ans dem Buche heraus, eine gute, eine mittelmäßige und eine schlechte, und laß alsdann die Leser urteilen. Bist du nicht sittlich genug, das Wahre und Gute zu ehren, wo du es findest, so sei wenigstens so wohlgesittet, daß du dich nicht durch Lästerung des Guten vor aller Welt entehrst.« Der Apotheker Franz Meier trocknete nochmals den Schweiß ab, der ihm über Hals und Stirne ausgebrochen war. Dann räusperte er sich stark und sprach: »Verzeihung! Wenn ich aus dem Kriege heimkehre, will ich's besser machen.« »Was —?« Der alte Bell riß Mund und Augen auf. »Die Rezensionen « »Seid ihr einig?« fragte lächelnd die Frau und trat mit einer Schüssel voll Knopfle, Sauerkraut und Würstle ein. »F. M.?«, fragte ihr Mann verblüfft. »Ja, freilich . . . Räum' ab, wir wollen essen.« »Hast du gewußt?« »Nein, aber das F. M. Hab' ich dem Herrn Franz Meier an der Nase abgclescn.« Na — und dann schmeckten Würstle, Sauerkraut und Knöpfle schließlich auch dem schwitzenden, reuigen Rezensenten. Kleine Mitteilungen. Deutsche Vereinigung für Internationales Recht. — Die im Jahre 1912 gegründete Deutsche Vereinigung für Internationales Recht, der die meisten deutschen Vertreter dieser Wissenschaft angehören, hält ihre Mitgliederversammlung am 4. Januar, abends 844 Uhr, in Berlin, Hotel Kaiserhof ab. Auf der Tagesordnung stehen Be richterstattung, Satzungsänderungen, die Selbständigmachung der D. V. f. I. N. von Internationul I.avv ^.aaoeiation, die Einsetzung einer wissenschaftlichen und einer praktischen Arbeitskommission u. a. In einer der Einladung des Vorstandes beigefügten Denkschrift werden die Gründe dargelegt, die eine Loslösung der Vereinigung von der genannten I. I.. im Interesse der deutschen Seefahrt, der deutschen Industrie und des deutschen Handels als wünschenswert erscheinen lassen. Als nächste und wichtigste Arbeitsaufgabe soll weiter das Problem der Freiheit der Meere ins Auge gefaßt werden. Die deutsche Sprache in England. — Aus der »Morning Post« vom 11. Dezember gibt das »Berliner Tageblatt« die folgenden Mit teilungen wieder: Gestern abend nahm der Lordmayor die Verteilung der Preise an die Studierenden des »Oitz^ ol I^ouckon Golls^e« vor. Ter Rektor Sidncy Humphries sagte in einer Ansprache, das College habe durch den Krieg gelitten. Es seien nur 454 Mitglieder während der Session eingeschrieben worden, das seien 145 weniger als im Jahre 1912/13, und an den Abendkursen hätten 1429 Studierende teilgcnommen, was einer Abnahme von 31,5 Prozent gleichkomme. Es habe sich ein starker Zufluß zu den russischen Kursen gezeigt, dem man durch die Errich tung dreier neuer Klassen mit im ganzen 151 Schülern begegnet sei. Die französischen Klassen seien normal geblieben, dagegen habe die Teilnchmcrzahl an den deutschen Kursen um 70 Prozent abgenommen. Diese Abnahme sei zwar selbstverständlich, doch zeige sie einen gewissen Mangel an Voraussicht, der nicht ermutigt werden sollte. Die deutsche Sprache werde im geschäftlichen Leben nach dem Kriege notwendig sein, und wenn die Engländer sie nicht anzuwenden imstande seien, müßten wieder Deutsche angestellt werden. Einer der späteren Redner, Sir Edward Clarke, sagte, er teile das Bedauern des Rektors über die sinkende Beteiligung an den deut schen Kursen. Es sei ein völliger Irrtum, anzunehmcn, daß nach Be endigung dieses unglückseligen Krieges die Engländer in der Lage wären, eine ökonomische Trennung zwischen sich und dem großen deut schen Volke durchzuführen. Es müsse stets wirtschaftlicher Verkehr zwi schen den beiden Ländern bestehen, und diejenigen, die den Versuch machten, die Unterschiede und die Trennung, die leider beständen, zu unterstreichen, würden die Grundlagen zu künftigen Feindseligkeiten und künftigen Übeln legen, anstatt etwas zu tun, dem Lande zu dienen. England werde auf lange Zeit hinaus keine Deutschen im Lande haben, die an seiner Arbeit teilnehmen. Es sei darum höchst wichtig, die Zahl jener jungen Engländer zu vermehren, die Deutsch erlernen, damit sie ihrem Lande zu einem vollen Anteil am Welthandel verhelfen könnten. Er hoffe daher auf eine Zunahme in der Zahl der Teilnehmer an den deutschen Klassen. — Die vernünftigen Äußerungen des Rektors des Oit.^ ol l^onckon OolleAo und des berühmten Juristen Sir E. Clarke bilden einen neuen Beweis dafür, daß die aushetzenden Artikel des größten Teils der Londoner Presse durchaus nicht der Ausdruck der gesamten öffentlichen Meinung Englands sind. Man kann annehmen, daß das volle Ver ständnis dafür, wie sehr im wirtschaftlichen Leben Deutschland und England auf einander angewiesen sind, sich nach dem Friedensschlutz sehr rasch in beiden Ländern wieder einstcllen wird. Bücher in der Kriegszcit. — Der Gesellschafter der Hofbuchhandlung Moritz Perles, Herr Friedrich Schiller, schreibt in der »Österreichischen Volkszeitung« (Wien) vom 18. Dezember: Nicht mit Schadenfreude, aber doch mit einer gewissen Befrie digung erfuhren wir aus mancherlei Berichten, daß der Buchhandel sowohl in England als auch in Frankreich sich in einer Krisis befindet. Es wird erzählt, daß dort die ungünstige Lage der Bücherproduktion öffentlich besprochen wird und verschiedene Vorschläge zur Besserung gemacht werden. Von all dem kann beim deutschen und österreichischen Buchhandel nicht die Rede sein; nach Ausbruch des Krieges machte sich freilich auch bei uns eine Bestürzung geltend, die lähmend auf die Betriebe einwirkte, aber diese Periode dauerte knapp vier Wochen — dann stellten sich alle Kräfte auf die neue Gestaltung der Dinge ein, und nach und nach bürgerte sich in Leipzig, Berlin und Wien wieder die gewohnte Regsamkeit ein. Selbstverständlich wird die Büchererzeugung hauptsächlich vom Krieg beeinflußt. Aus der kürz lich veröffentlichten Statistik ist zu ersehen, daß die deutsche Kriegs literatur auf 6400 Bände gestiegen ist; davon entfallen 1700 auf Un» terhaltungsschriften, 1600 auf Politik, Wirtschaft, Kultur, und 1200 auf Militärisches. Man kann also nicht von geringer Produktion sprechen, eher von Überproduktion. Wir bedürfen eben zweierlei: Sammlung und Zerstreuung, und die Bücher helfen uns nach beiden Richtungen. Auf dem Weihnachtsmarkt ist natürlich für die Jugend reichlich gesorgt, vor allem wird das vaterländische Bilderbuch »Prinz Eugen, der edle Ritter«, mit Text von Hugo v. Hofmannsthal und Bildern von Wacik, alle Kinder interessieren; lustige Bilder und Verse enthält der »Kriegsstrnwwelpeter«; Knaben, die sonst für Jndianergeschichtcn schwärmen, werden jetzt vernünftigerweise lieber patriotische Bücher lesen, z. B. »Hoch Habsburg«, »Österreichs Walhalla«, »Österreichs Sagenkränzlein«, alle drei von H. Fraungruber, ferner »Märchen kranz aus der Ostmark von B. Dovsky, »Sagen und Geschichten aus der Kaiserstadt Wien« von M. Bermann und andere. Die reifere Jugend findet in dem vortrefflichen, reich illustrierten Werke von Hauptmann Seeliger und Linienschiffsleutnant Descovich »Unsere Helden im Weltkrieg« eine fesselnde Darstellung der wichtigsten kriegerischen Vorfälle der beiden letzten Jahre. An Romanen wäre zu erwähnen: Ganghofer, »Die Trutze von Trutzberg«, Edith Gräfin Salburg, »Vater und Vaterland«, Jacob Wassermann, »Das Gänsemännchen«, Rudolf Greinz, »Die kleine Welt«. Von einigen Büchern, die in den letzten Monaten erschienen sind, möchte ich die Höhe der jetzt bekannten Auflage angcben, um zu zeigen, welche Leselust und welche Kaufkraft dem deutschen Publikum inne wohnt; ich nenne in bunter Reihe, ohne systematische Ordnung: »Die Taten der Emden und anderer Kreuzer«, 130. Tausend; »Das große Heimweh«, Roman von Rudolf Herzog, 70. Tausend; »Das Volk in Waffen«, 140. Tausend; »Deutscher Aufstieg 1750 bis 1914« von Karl Lamprccht, 25. Tausend; »Vadding in Frankreich«, 27 Bilder von H. Zille, 30. Tausend; »Mitteleuropa« von Naumann, 45. Tau send; »Liller Kricgszeitung«, 50. Tausend; »Die Masken des Todes«, Roman von Thea v. Harbou, 60. Tausend; »Ritter Tod und Teufel«, Kriegsgedichte von Rudolf Herzog, 50. Tausend; »Der Znpfgeigen- hansl«, Lieder mit Noten von Breuer, 223. Tausend. Personal!! lichrichten. Gefallen: im Gefecht bei Bcrsemünde Herr Paul Sell, der 7>< Jahre in der Berliner Zweigniederlassung der Firma I. G. Cotta'sche Buchhandlung Nachfolger in Stuttgart als Gehilfe gearbeitet hat. Fleiß, Strebsamkeit und ehrenhafte Gesinnung zeichneten ihn ans. 4