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1502 Bö-I-nblaU 1 d. Dlschn. Buchhand«. Nichtamtlicher Teil. 28. 4. Februar 1909. Nichtamtlicher Teil. Punch-Ausstellung in London. Von Fritz Worm. »Wenn von der ganzen englischen Kunst nichts übrig bleibt als die Punch-Illustrationen, so ist das schon genug.« — Der das gesagt hat, ist kein anderer gewesen als Menzel; und auch nur von ihm ist dieses Wort verständlich. Denn für uns ist mit englischer Kunst ein für allemal eine Reihe köstlicher Erinnerungen an schöne Frauen und in Licht getauchte Land schaften verbunden. Die edle Kunst der vornehmen Damen Gainsboroughs und Reynolds' ist uns unvergeßlich; Träume von schimmernder Luft, von Sonne und See erwachen, wenn wir an Turner denken, und .eine stille, etwas müde Frauengestalt Whistlers lebt unauslöschlich vor unseren Augen. — Menzel aber, dem Kunst nur etwas bedeutete, wenn sich Fleiß mit ihr paarte, dem Talente und Gaben Spielzeug für Kinder waren, wenn nicht Ernst und rastlose Tätigkeit sie bildeten, Menzel konnte für Turners formlose Farbenvisionen kein Verständnis haben, und ihm, dem Frauenschönheit eine Materie der bildenden Kunst war von nicht größerem oder geringerem Werte für die künstlerische Behandlung wie eine Haustür oder ein bestaubter Stiefel, ihm konnten Gainsboroughs schöne Frauen nichts geben. Hingegen hatte er für sauber gezeichnete Studien stets Inter esse, auch wenn jeder geniale Zug darin fehlte. Im tiefsten Grunde durchaus zeichnerisch veranlagt, hat er stets die richtige war, ein ungemein scharfes Entdeckerauge gehabt. Die Qualitäten des jüngst verstorbenen Wilke schätzte er ungemein. So mag er vielleicht die Punch-Künstler als die Fortsetzer Hogarths be trachtet haben. Dieses Blatt, im Jahre 1841 gegründet, hat bis auf den heuti gen Tag fast unverändert sein Wesen gewahrt. Will man es charakterisieren, so mag man das Wortspiel gestatten: Seine Eigenart ist, daß es keine Eigenart hat. Gutmütiger Humor, harmlose Verulkung, das ist die Summe der Töne, die es erklingen läßt. Das pathetische Element des Felicien Rops ist ebenso ohne Einfluß auf den Punch geblieben wie die realistisch-bittere Darstellung Toulouse-Lautrecs. Beardsleys groteske Linie, Th. Th. Heines dekorativ-karikierende Manier, alles ist spurlos an ihm vorüber gegangen. Das überblicken wir jetzt mit einem Male, wenn wir die Räume der Leicester-Galerie in London durchwandern und die vielen Zeichnungen betrachten, die aus nahezu sieben Jahrzehnten das, was der Punch war und ist. Freilich, wenn wir an die Blätter herantreten, um sie auf ihren Gehalt an Witz und Humor zu prüfen, werden wir gründlich enttäuscht. Kaum der leise Versuch künstlerischer Behandlung einer scherzhaften Situation ist zu spüren; von Satire oder grotesker Linie gar nicht zu reden. Sieht man aber von alledem ab (wobei man die Frage offen lassen mag, ob man das bei einem Witzblatte darf), so hat man doch einen reinen Genuß. Wie könnte es auch anders sein? Waren doch erste Zeichner im Redaktionsstabe, und was sie boten, sind tüchtige Skizzen voll feiner Beobachtung und wirklich künst lerischer Qualität: Leech, Tenniel, Du Maurier, Doyle und alle überragend: Charles Keene. Von ihm sehen wir Blätter, die höchste Lebenswahrheit und feinste Ökonomie der Ausdrucksmittel vereinigen, Federzeichnungen, schwarz und in Sepia, oder Bleistift skizzen, ab und zu mit Weiß gehöht. Ganz köstlich ist ein Schiffs verdeck mit Passagieren, die sich zurücklehnen oder Vorbeugen und so den schönsten Stoff für Bewegungsstudien abgeben. Dann und wann interessiert uns ein Blatt des Inhalts wegen, so »66rmrm/8 aus der Zeit der Belagerung von Paris: eine verhüllte Frauengestalt, die Hungersnot. Der einzige Zeichner, der ein wenig von modernen Ein flüssen in sich ausgenommen hat, E. T. Reed, gibt uns hin und wieder eine Skizze, die auch ohne Text einen humoristischen Genuß verschafft und uns vergegenwärtigt, daß wir es mit Zeichnungen zu einem Witzblatt zu tun haben. Da ist eine Dar stellung Beruard Shaws, als Entwurf für ein hölzernes Spiel zeug gedacht, der charakteristische Bart, der ganze Kopf mit einem Dutzend Strichen notiert und doch von höchster Portrütähnlichkeit. So darf man die künstlerische Qualität dieses fernab von Einflüssen der Neuerer stehenden Blattes nicht unterschätzen, und dem Engländer wird ein solches Unterfangen auch nie in den Sinn kommen. Er betrachtet mit fast ehrfürchtiger Bewunderung die Reliquien, die in dem einen Saale aufgestellt sind : den berühmten ewigt hat; dann die Statuette des Mr. Punch, des kleinen spaß haften Mannes mit der großen Nase, eines Verwandten unseres (übrigens wertvolleren) Kladderadatsch-Männchens, Charles Keenes Pfeife und endlich ein Blatt von dem Papier, das für die Her stellung der ersten Nummer des Punch verwendet worden ist. — Und wenn der Humor sonst wenig vertreten ist, hier kann man Versäumtes uachholen, und die Heiterkeit kommt zuletzt doch noch auf ihre Kosten. Fritz Worm. Aus dem Deutschen Buchgewerbehause in Leipzig. Sonderausstellung von Richard Grimm-Sachsenberg. Im Raum der alten Drucke hat der Leipziger Graphiker Richard Grimm-Sachsenberg eine Sonderausstellung seiner Arbeiten veranstaltet, die eine eingehende Kenntnisnahme seines bisherigen künstlerischen Schaffens gestattet. Außer Original zeichnungen und farbigen Studienblättern enthält die Ausstellung Steinzeichuungen, Holzschnitte und Radierungen, die sich in zwei Gruppen gliedern. Die erstere zeigt neben einigen figürlichen Dar stellungen, vor allem Landschaftsmotive, während die zweite aus schließlich dem buchgewerblichen Gebiet angehört. Unter den der ersten Gruppe angehörenden Blättern haben die landschaftlichen Schilderungen den weitaus meisten künst lerischen Gehalt, denn die formale Durchbildung steht hier auf gleicher Stufe mit dem Ausdruck der Stimmungswerte. Wie das Malerische eines jeden Motivs mit der Geschlossenheit des bildlichen Zusammenfassens des Naturausschnitts harmonisch im Einklang steht und der Stimmungsgehalt zu nachhaltiger Wirkung gebracht ist, das verleiht diesen Blättern einen ganz eigenen Reiz. Einzelne Darstellungen zeigen einen gewissen Hang zum Düsteren, der dann den Künstler zu phantastischen und mystischen Beigaben führt. Da ist unter anderem ein von malerischen Baumgruppen — die übrigens prächtig gezeichnet sind — ein gefaßter Weiher, auf dessen tiefdunklem Wasser durch irgend eine Berührung seiner Oberfläche sich auseinanderstrebende Kreise ge bildet haben. Ein höchst stimmungsvolles, von starkem Natur gefühl zeugendes Blatt. Jedoch die blos der Natur entnommenen Formen genügten dem Künstler nicht als Ausdruck seines künstlerischen Empfindens, und so hat er aus den Auswüchsen der Baumrinde allerlei phantastische Gesichter gebildet. Ob diese Zugabe nötig war, lasse ich dahingestellt sein; für den Ernst des Stimmungscharakters, der diesem Blatt innewohnt, sind sie jedenfalls völlig belanglos. Am sympathischsten berühren jene Landschaftsbilder Grimms, die sich möglichst eng an das gesehene Naturmotiv anschließen, und unter diesen wiederum sind es die Winterbilder, die sich durch ungesuchte Naturpoesie auszeichnen. Auch in der Tönung, die sich bei diesen Blättern auf weuige zarte Farben beschränkt, ist er hier am glück lichsten. Sobald er sich stärkerer Tonwerte bedient, wie bei einigen Buntstiftzeichnungen und farbig behandelten Blumenstudien, nimmt seine Farbe leicht etwas gar zu Materielles an. Die für den Buchschmuck bestimmten landschaftlichen Federzeichnungen erscheinen nach jeder Richtung hin als reife, ausgeglichene, künstlerische Schöpfungen. Bei seinen buch gewerblichen Arbeiten, die sich aus Titelzeichnungen und anderem Buchschmuck, Exlibris, Vorsatzpapieren, Schriftproben usw., zusammensetzen, fällt es angenehm ins Auge, daß es dem Künstler vor allem darauf ankam, bei der Lösung derartiger Aufgaben die Zweckbestimmung nicht aus dem Auge zu lassen. In diesen Arbeiten offenbart sich daher eine durchaus