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keinen, auch nicht den kleinsten Zug verändern, aber sie werden in diesen Tagen doch Manchem eine Anregung werden, zu jenem Bilde zurückzukehren, um sich in seinen Anblick zu vertiefen nnd zu sam meln in dem Anschauen der gewaltigen Persönlichkeit. Und der Ver tiefung und Sammlung, bedarf auch der Buchhändler in der an zer splitternder und zerstreuender, ncich'schNellem Gewinn rastlvs ringen der Arbeit so überreichen Gegenwart. Da ist es gut und heilsam, Wenn man ein Leben, wie Friedrich Perthes es gelebt hat, einmal wieder in stillen Stunden an sich vorüber ziehen läßt. Es war auch ein Leben voll Unruhe in einer Zeit, da Revolu tionen und Kriege die Völker erst nach langem, fast bis zur Vernich tung geführtem Kampfe zum Frieden kommen ließen. Ehe der Tag von Leipzig anbrach, lag lange, schwere Nacht über Deutschland ge breitet und eine vollständige Hoffnungslosigkeit und stumpfe Gleich gültigkeit gegen sein grenzenloses Leiden wie gegen den frevelnden Uebermuth des Unterdrückers hatte sich selbst der Besten bemächtigt. Aber Perthes verlor den Muth nicht. „Muß das Herz," schrieb er am 25. August 1805 an Johannes von Müller, „uns nicht deshalb schon groß werden, daß wir gerade in der schlimmsten Zeit leben?" Er gedachte der großen Seher alter Zeit, welche aus den Zeichen er kannt hatten, daß Gott etwas Neues machen wolle; er glaubte an sein Volk und an dessen Wiederauferstehung, wo die Msisten ver zweifelten. Das „kaiserlich gesinnte Herz", welches er aus seinem kleinen thüringischen Heimathlande mitgebracht hatte, hoffte fest und sicher auf Las neue Erstehen der alten deutschen Herrlichkeit. Erlebt hat er sie nicht, aber dieser Glaube, der Glaube an die Unzerstör barkeit deutschen Geistes und deutscher Sitte, hat ihn in jenen schlimmen Jahren aufrecht erhalten und ihn im Leben nie verlassen. Es wäre eine dankbare Aufgabe, der lebenden Generation den P a- trioten Perthes in einer seine politische Thätigkeit und "Gesinnung zusammenfassenden Darstellung vorzuführen; einem geeigneter» Orte und einer berufenen Feder muß ihre Lösung überlassen wer den. An dieser Stelle soll nur darauf hingewiesen werden, daß die Wurzeln von Perthes' späterem bedeutungsvollen buchhändle rischen Wirken zum größten Theile in seinen patriotischen Gesin nungen und Tugenden ruhten, welche ihm ein Recht gaben, in den engen Bund der edelsten Geister als ein Voll- und Gleichberechtigter einzutreten. Das ist ja das Eigenthümliche des Buchhandels, was ihn von allen anderen merkantilen Berufsarten unterscheidet, daß äußere Mittel und geschäftliche Fertigkeiten nur dann große und bleibende Erfolge erzielen, wenn sie sich mit hervorragenden Eigen schaften des Geistes und Charakters verbinden; der Werth des Man nes entscheidet, wenn es sich darum handelt, das Vertrauen der her vorragenden Geister einer Nation in der Weise zu erwerben und zu erhalten, wie es Perthes in den verschiedenen Richtungen seines buchhändleriscken Wirkens sich erworben und bis zu seinem Tode erhalten hat. Hätte Perthes einen andern Lebcnsberuf erwählt, er würde eine Zierde desselben geworden sein, wie er eine Zierde des Buchhandels geworden ist. Die allgemeine Teil nahme, welche aus allen Kreisen der Gebildeten seiner Biographie entgegengebracht, die Ungeduld, mit welcher nach dem Erscheinen des ersten Bandes die Fortsetzung erwartet, die Hingabe, mit welcher das Werk gelesen, und das Interesse, mit welchem es besprochen wurde, zeigen wohl am deutlichsten, daß die geistige und sittliche Bedeutung des Mannes es war, welche ihm die Theilnahme der Nation nach seinem Tode bewahrte, wie sic ihm die Liebe und Achtung der Mitwelt erworben hatte. Und dieses dem Menschen Perthes zugewendete Interesse ist dem Buchhändler Perthes zu gute gekommen; ja, ich sage nicht zu viel, wenn ich es ausspreche, daß durch Friedrich Perthes' Leben den weiteren Kreisen erst ein Verständniß für die Bedeutung des Buchhandels erschlossen ist. Die rein kaufmännischen Kreise sind es von jeher gewohnt gewesen, mit einer gewissen Geringschätzung auf den Buchhandel herabzusehen, dessen Jahresumsatz nur einen verschwindend kleinen Bruchtheil jenes gewaltigen Capitals bildet, in welches sich die handeltreibende Welt theilt; zudem sind die For men, in welchen sich der buchhändlerische Verkehr bewegt, so eigen thümliche, den kaufmännischen Gebräuchen oft so widersprechende, daß dem Kaufmann nur sehr selten ein Verständniß für dieselben abzugewinnen ist. In den entgegengesetzten Anschauungen bewegt sich der Theil der schriftstellerischen Kreise, welcher in dem Buch händler nur den Kaufmann erblickt, während das größere Publicum sein Urtheil über den Buchhandel nur aus seinem Verkehr mit der Buchhandlung bildet, die es zur Befriedigung seines literarischen Privatbedürfnisses zu benutzen Pflegt. Da erscheint die Biographie von Friedrich Perthes und vor den Augen der erstaunten Leser entrollt sich das in dasLeben derNation tief eingreifende Wirken eines deutschen Buchhändlers, durch wel ches dem Kaufmann, wie dem Gelehrten und Jedem, der geistigen Interessen zugänglich ist, eine ganz neue Anschauung von dem We sen und der Bedeutung des Buchhandels erschlossen wird. Aber auch der Buchhändler stand betroffen vor diesem Bilde seines großen Collegen, welches von nun an jedem ernst strebenden Jünger des Buchhandels als ein Ideal vorschwebte, dem so Mancher, ohne es zu erreichen, mit der besten Kraft seines Herzens nachstrebte und welches ihm die Mühen und Sorgen seines Berufes verklärte durch den Blick auf das ihm erst durch Perthes ganz erschlossene Wesen seines Berufes. Für buchhändlerische Kreise ist es beider bevorstehenden Jubel feier vielleicht nicht ohne Interesse, die in der Biographie zerstreuten Aeußerungen und Ansichten von Perthes über die Bedeutung und Aufgabe des deutschen Buchhandels, sowie sein buchhändlcrisches Wirken in einer dem vortrefflichen Werke entnommenen kürzen Zusammenfassung zu überblicken. Vielleicht gibt eine solche flüch tige Skizze auch dem Einzelnen Gelegenheit, das in ihr nur Ange deutete weiter zu verfolgen und darüber nachzudenken, wie mit den von einer neuen Zeit völlig umgestalteten Formen des buchhänd lerischen und literärischen Verkehrs die Ansichten eines Perthes über Wesen und Aufgabe des deutschen Buchhandels zum Segen für Viele sich vereinigen lassen.*) Perthes gründete, kaum 24 Jahre alt, im Jahre 1796 in Ham burg eine Buchhandlung, welche sich, was bis dahin noch Niemand gewagt hatte, ausschließlich mit dem Sortimentsbetrieb beschäftigen sollte. Zunächst sah auch er in dem Buchhandel das Mittel, welches Vermögen und äußere Selbständigkeit verschaffen müsse, aber die Bedeutung, welche der Buchhandel für das gesammte geistige Leben des deutschen Volkes halte, trat ihm dennoch so vorherrschend vor die'Seele, daßver- während seines langen Lebens weniger Gewicht auf den Etwerb gelegt hat, wie jeder Beamte auf die Besoldung zu legen gewohnt ist. Ohne eine großartige Gestaltung des Buch handels schien ihm Wissenschaft und Kunst in ihrer Wirkung gefähr det; „wo der Balgentreter fehlt," äußerte er, „spielt der größte Virtuos vergebens auf der Orgel." Manche literärisch todte Gegend hatte er durch die Regsamkeit eines tüchtigen, dort sich niederlaffcnden Buchhändlers aufleben sehen, und schon von diesem Gesichtspunkte aus beklagte er, daß dem interessanten Erwerbszweige viel zu wenig Aufmerksamkeit gewidmet werde. An den Orten ferner, an welchen die Buchhändler Sinn für Wissenschaft und Kunst besaßen, sah er vorzugsweise wissenschaftliche und künst lerische Werke abgcsetzt; wo sich dagegen ein Buchhändler von niedrigem und sittenlosem Charakter angesiedelt hatte, fanden *) Um die Citate nicht zu sehr zu Hausen, habe ich dieselben in dem nachstehenden Referate, welches, namentlich im Anfänge, einzelne Partien der Biographie wörtlich wiedergibt, ganz weggelassen.