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5334 Börsenblatt f. d. Dtschu. Buchhandel. Nichtamtlicher Teil. 100. 3. Mai 1909 sich (wie Abzahlungs- und Versandfirmen) an das sogenannte kleine Publikum wenden. Diese Zurückhaltung stand zweifellos in unmittelbarem Zusammenhang mit der ungünstigen Konjunktur, mit dem großen Arbeits- und Stellenmangel. Die Fabriken von Buchdruckmaschinen waren durchweg gut beschäftigt und mit Aufträgen reichlich versehen. An tech nischen Neuerungen sind vor allem zu verzeichnen: die Aus gestaltung der Jllustrations-Rotationsmaschinen, die Fortentwicklung der Setzmaschinen und der in der Stereotypie Verwendung findenden Plattengießmaschinen. Die chemigraphische Branche hat, im Vergleich mit dem Vorjahre, eine bemerkenswerte Änderung nicht zu verzeichnen. Der Bedarf hat sich allerdings etwas gesteigert, jedoch macht sich die österreichische Konkurrenz, besonders auf dem Gebiete der Drei- und Vierfarbenklischees, immer stärker fühlbar. Außerdem fällt es den im »Bunde der chemigraphischen Anstalten« kartellierten Firmen schwer, gegen diejenigen, durchweg kleineren Betriebe zu konkurrieren, die diesem Verbände nicht angehören und infolge dessen unter dem Konventionspreise liefern können. Der Ver band, dem auch die Kupferdruckanstalten angehören, hat sich u. a. auch in der Herstellung eines friedlichen Verhältnisses zur Arbeiter schaft auf Grund mehrjährigen Tarifvertrages ein Verdienst er worben; derselbe wurde im Herbst 1908, nach dreijähriger Dauer, auf weitere fünf Jahre abgeschlossen. Die Kupferdruckbranche hatte das Ausbleiben ausländischer Orders zu beklagen und war fast ausschließlich auf das inländische Geschäft angewiesen. Zum Teil war die Ausfuhr durch Zölle behindert. Beispielsweise zahlen Kupferdrucke bei Einfuhr nach Rußland den prohibitiven Zoll von 12 Rubel per Pud, gleich etwa 25 Prozent des Warenwertes. In England ist die Industrie des eigenen Landes rüstig vorangegangen, doch mag der Rück gang im Geschäft dorthin zugleich auch auf die politischen Be ziehungen zurückzuführen sein. Die Einfuhr ist namentlich von Österreich sehr bedeutend und um so gefährlicher, als die öster reichische Konkurrenz fast zollfrei nach Deutschland gelangt. Durch einen Massenimport von billigen Schnellpressendrucken aus Eng land wurde die Nachfrage nach Handpressendrucken stark be einträchtigt. Auch in der Reproduktionstechnik des Drei- oder Vier farbendruckes liegen die Verhältnisse äußerst ungünstig, und man geht wohl nicht zu weit, wenn man annimmt, daß nur einzelne von den Anstalten, die dieses komplizierte Verfahren in Deutschland ausüben, hierbei ihre Rechnung finden. Die Konkurrenz Österreichs macht sich sehr fühlbar. Um dem Sinken der Preise entgegenzuwirken, hat auch auf diesem Gebiete das Kartell der chemigraphischen Anstalten eine Preiskonvention geschaffen. Die Arbeitslöhne sind auch in dieser Technik, infolge des geschlossenen Vorgehens der Arbeiterorganisation, stetig gestiegen und betragen durchschnittlich für Ätzer und Retoucheure 35 ^ in der Woche ein Satz, der in Österreich nicht in Betracht kommen dürfte. Chromolithographische, photographische und ver wandte Industrien. Der Geschäftsgang der chromolithographischen Fabriken war unbefriedigend. Die Verkaufspreise konnten nicht auf der früheren Höhe erhalten bleiben, ein Ausgleich für den Minder ertrag konnte aber nicht etwa durch Verbilligung von Roh viele Fabrikanten zur Einschränkung ihres Betriebes und Ent lassung eines Teiles ihrer Arbeiterschaft gezwungen sahen. Die Ausfuhr nach Amerika war ungünstig beeinflußt durch die Nachwehen der Krisis und gleichzeitig durch die Zurückhaltung, die sich die Käufer im Hinblick auf die ungeklärte politische Lage vor der Präsidentenwahl auferlegten. Der Absatz nach Frankreich stockte für Kalenderrückwände und Verlagsplakate mittleren Genres nahezu völlig, weil die dortige Industrie die Möglichkeit hatte, für billiges Geld sich die Be nutzung der Urheberrechte an den in Deutschland geschaffenen Dessins zu sichern. Notwendigerweise wurden hierdurch die französischen chromolithographischen Anstalten lästige Mitbewerber für die sonst aus Deutschland bezogenen Waren, die bei der Ein fuhr nach Frankreich einer starken Zollbelastung unterliegen. Es haben sich daher im abgelaufenen Jahre bereits zwei deutsche Anstalten der maschinellen Einrichtungen der französischen An stalten bedient, um ihrerseits in Frankreich selbst für eigene Rech nung in Lohndruck arbeiten zu lassen. Im Verfolg dürfte es voraussichtlich zum Ankauf französischer Fabriken seitens deutscher Fabrikanten und damit zu einer weiteren Verpflanzung eines Teils unserer heimischen Industrie nach dem Auslande kommen. Nach Österreich ist deutsche chromolithographische Industrie schon in dieser Weise ausgewandert. Sowohl in Österreich als auch ganz besonders in Deutschland droht dem Absatz von Kalendern und Reklamemitteln ein großer Nachteil durch die seitens vieler Detailverkaufs-Vereinigungen und Rabattsparvereine getroffene Vereinbarung, wonach Gratiszugaben, insbesondere Kalender am Schluß des Jahres, nicht mehr verteilt werden dürfen. Die beteiligten Kalenderfabrikanten^und Grossisten traten zu einer Abwehrbewegung zusammen. Die Ausfuhr nach Rußland und Italien blieb, besonders in billigeren Artikeln, gegenüber dem Vorjahr erheblich zurück; des gleichen war der Absatz in Österreich und nach den Balkanländern gegen Ende des Jahres infolge der Balkanwirren teilweise ins Stocken geraten. Der Bedarf an Ansichts- und Genrepostkarten ist für einzelne Arten erheblich zurückgegangen, und es besteht in diesem Artikel eine Überproduktion, die dazu führte, daß Lagerbestände zu verlustbringenden Preisen verkauft wurden, und noch dazu häufig an Händler von sehr zweifelhafter Bonität. Solche Ver käufe belasteten naturgemäß den Markt schwer. Die Preise sind weiter gesunken und müssen zum Teil als durchaus unrentabel bezeichnet werden. Bei den Bromsilberpostkarten insbesondere wurde ein starker Preisrückgang dadurch bewirkt, daß die im Jahre 1907 im »Verbände photographischer Reproduktionsanstalten« vereinbarte Preiskonvention für diesen Artikel zum l. April 1908 gelöst wurde. Die Verminderung des Absatzes trat besonders im Export von Postkarten hervor, der nach der Reichsstatistik von 6 458 700 kx im Jahre 1907 auf 5 154400 Icx im Jahre 1908, also um 20L zurückgegangen ist. Die Hauptabsatzgebiete, Großbritannien und die Vereinigten Staaten von Amerika, zeigten auch die größten Ausfälle. Zum Überfluß kamen aus den Vereinigten Staaten am Schlüsse des Jahres beunruhigende Nachrichten, denen zufolge die sehr erstarkte dortige Industrie bei einer andersgearteten Einteilung der Tarifpositionen einen wesentlichen Zollaufschlag verlangte, der z. B. bei Ansichtspostkarten den siebenfachen Betrag der bisher geltenden Sätze ausmachen würde. Wenn solche oder ähnliche über triebene Zollerhöhungen auch wohl nicht endgültig zur Annahme kommen werden, so würde doch schon jedwede Zollmehrbelastung gegenüber den bestehenden Sätzen nachteilig für den überaus wichtigen Absatz nach Amerika sein. Schon bei den jetzigen Zöllen ist die amerikanische Konkurrenz in günstiger Position, zumal für alle billige Ware. Die Amerikaner haben in den letzten Jahren, durch die hohen Eingangszölle geschützt, große Fortschritte im Buntdruck gemacht; dazu kommt, daß sie ohne jegliche Kosten jedes aus Deutschland importierte Dessin, das erfolgreich ist, nach machen können. Unter den verschiedenen Arten der Postkarten ist eine gewisse Verschiebung insofern zu bemerken, als die immer mehr vervoll- kommnete Drei- und Vierfarbenreproduktion, die auf Buchdruck maschinen von Buchdruckern ausgefübrt wird, dem Steindruck gewerbe einen Teil der Arbeiten wegnimmt, die ihm früher zufielen. Die Branche wurde im Berichtsjahre sehr beunruhigt und ge schädigt durch polizeiliche Beschlagnahmen von Ansichtspostkarten ohne die Angabe von Drucker und Verleger, welche nach Ansicht der beschlagnehmenden Behörden auf Grund des Preßgesetzes auf den Postkarten regelmäßig zu finden sein müßten. Die Handels kammer hat sich der betroffenen Industrie in mehreren Eingaben an die zuständigen Behörden angenommen, die in den »Mitteilungen« 1908, S. 136 und 231, abgedruckt sind. Erfreulicherweise ist im Sinne der von der Handelskammer vertretenen Auffassung am 11. Dezember 1908 eine Entscheidung des Kammergerichts und daraufhin am 24. Februar 1909 eine Verfügung des Ministers des Innern dahin ergangen, daß gewöhnliche Ansichtspostkarten, d. h. solche, welche lediglich Zwecken des Verkehrs, des geselligen und häuslichen Lebens dienen, ohne daß der Darstellung ein politischer, religiöser,sozialer oder unsittlicher Gedanke zugrunde liegt, von der Vorschrift des § 6 des Reichspreßgesetzes betr. Angabe des