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Buchgewerbe in einer Menschenkrast vereinigt; Werke solcher Art stammten aus einem Geiste, waren aus einem Gusse n»d bildeten einheitliche, stilgerechte, kunstgemäße Erschei nungen. Dieser einheitliche Geist wirkte aus der Hand schriftenzeit fort in die goldene Zeit des Buchdruckes, die mit dem bisher einzig dastehenden Bibeldruck Gutenbergs cinsetzte; er begann aber mit der Trennung des Handels vom Handwerk zu schwinden und kam ganz abhanden, als die erhöhten tech nischen Anforderungen eine Zerteilung in mehrere Gewerbe herbcifiihrten. Die Buchgewerbe hatten sich, namentlich seit der Vervollkommnung der Technik in unserm Jahrhundert, so sehr von einander entfernt, daß kaum noch ein innerer Zusammen hang zu spüren war. Dazu gesellte sich die Sucht, mit un zulänglichen Mitteln etwas äußerlich Glänzendes, durch den Schein Täuschendes auf den Markt zu bringen; alles dies trug dazu bei, die Kunst im Buchdruck zu vernichten und trotz aller technischen Fortschritte tief unter das Werk Gutenbergs und seiner Jünger sinken zu lassen. Bevor nun wieder eine Buchdruckerkunst erstehen konnte, bedurfte es zunächst der Erweckung und Belebung des Bewußtseins, daß alle Buch gewerbe eng zusammengehören. Der Deutsche Buchgewerbe verein hat sich als Aufgabe gestellt, die Buchdruckerkunst, die buchgewerbliche Kunst überhaupt, zu einen, zu pflegen und weiter zu entwickeln. Inwieweit er der Lösung seiner Auf gabe nahegekommen ist, und welche Ziele er sich fernerhin gesteckt hat, wird in folgendem dargelegt werden. »Anregung zur Sammlung der Kräfte, eine Bewegung zu gunsten einer künstlerischen Hebung des Buchgewerbes konnte nur von der Stadt kommen, wo seit dem Ende des sechzehnten Jahrhunderts die Messen dem Buchhandel besonders förderlich gewesen waren und infolgedessen die bedeutendste Verlagsthätigkeit entstand, mit der die technischen Zweige des Buchgewerbes in hervorragender Weise entwickelt wurden. . »Leipzig ist also durch eine geschichtliche Ueberlieferung von drei Jahrhunderten und durch die Kraft seiner gegen wärtigen Wirksamkeit der natürliche Mittelpunkt für alle gemeinsamen Bestrebungen des Buchgewerbes. Wenn ein deutscher Buchgewerbeverein gegründet wurde und jetzt ein Deutsches Buchgewerbehaus errichtet wird, so konnte nur Leipzig dafür der Ort sein. Hier werden schon seit längerer Zeit die Bausteine zusammengetragen; willige Hände regen sich, sie aufzuschichten, um eine Stätte zu schaffen, von der aus unser Gewerbe sich zur alten Höhe künstlerischer Voll endung aufschwingen soll. »Ein Vergleich mit dem Germanischen Museum in Nürnberg wird unsere Ideen am besten erläutern! während dort die Geschichte der Kultur unseres Volkes als Ganzes zusammengefaßt und mehr in historischem Sinne erhalten wird, soll im Deutschen Buchgewerbehause vor nehmlich dem Fortschritte des wichtigsten Einzelteiles unserer Kultur vorgearbeitet und das aus der Vergangenheit Ueber- kommene zu Nutz und Frommen der Buchgewerbe wieder belebt werden. Vor allem: dieselbe Inschrift wie über dem Germanischen Museum soll auch über dem Buchgewerbehause leuchten: Eigentum des deutschen Volkes. Durch diese Inschrift will der Buchgewerbeverein bekunden, daß er das ganze deutsche Land als sein Arbeitsfeld betrachtet und seine Thätigkeit stets von dieser Anschauung leiten läßt. »Zum Beweise dessen dürfen wir hier an die Organisation der Gesamtvertretung des Buchgewerbes auf den großen Industrieausstellungen erinnern. Dieselben Männer, die 1876 in Philadelphia die buchgewerbliche Gruppe leiteten, begründeten 1884 den Deutschen Buchgewerbeverein und lösten 1893 in Chicago, 1897 in Leipzig die Aufgaben in glanzvoller Weise. »So hat der Verein das Vertrauen der leitenden Kreise in solchem Maße gewonnen, daß ihm von Reichs wegen die SkLSunblechztallcr Jahrgang. Vertretung des gesamten Buchgewerbes für die Weltausstellung im nächsten Jahre übertragen werden konnte. Seit dem vorigen Jahre hat der Buchgewerbeverein Wanderaus stellungen eingerichtet, die den Fortschritt des Buchgewerbes über alle deutschen Lande tragen sollen. Wo immer die Kunst sich dem Gewerbe verbindet, giebt sie den Boden, auf dem Meister und Gesellen in gemeinsamer Arbeit einander verstehen lernen: so mögen auch von der neu errichteten Heimstätte vaterländischer Kunst, dem Deutschen Buchgewerbe hause, stetiges Gedeihen und dauernder Frieden allezeit ihren Ausgang nehmen. »Wir sehen heute, daß die Bestrebungen des Buchgewerbe vereins in weiteren Kreisen richtig gewürdigt werden, und dürfen daher noch vor der Vollendung seines Heims auch das nicht-Leipziger Buchgewerbe zur Teilnahme an unserer Arbeit auffordern. Wir treten somit an die uns gleich- gesinnten Männer in dem weiten Gebiete des deutschen Buch gewerbes heran und bitten, dem Wohlwollen für das schöne Werk in thatkräftiger Unterstützung Ausdruck zu geben. Gott grüß die Kunst!« .... — Diesen Worten über die Entwickelung des Buchhandels und des Buchgewerbes überhaupt fügen wir den historischen Rückblick über das Werden und Wachsen des Deutschen Buchgewerbevereines und sein Ringen nach erstrebenswerten schönen Zielen an: »Als die Männer, die Anfang der achtziger Jahre zu erst die Forderungen der Zeit erkannt hatten, zur Be gründung eines Buchgewerbevereins zusammengetreten waren, sahen sie recht wohl, daß damals viele Fachgenossen waren, die die Fortschritte anderer Gewerbe, das Voranstreben des Auslandes und den Umschwung zu ungunsten der heimischen Arbeit noch nicht empfunden hatten; sie fühlten sich ver antwortlich, bei Zeiten dafür zu sorgen, daß nicht die Ent wickelung der deutschen Buchgewerbe zu Hause, sowie deren Stellung im Welthandel durch den Mangel des Zusammen haltes auf Jahrzehnte hinaus geschädigt werde. In stiller, zielbewußter Arbeit suchte man die Verbindungen von Ge werbe zu Gewerbe zu festigen und dankte vor allem dem Schutze des Börsenvereines der deutschen Buchhändler, daß die Kräfte des Buchgewerbevereins in der Anfangszeit zusammen gehalten werden konnten. »Die für den Börsenverein besorgten Jahresausstellungen führten nach und nach die Fühlung mit weiteren Kreisen herbei; so verdankt der Buchgewerbeverein dem Buchhandel den größten Teil der Bibliothek und der Musterblätter. Die Königlich Sächsische Regierung stiftete mit einem Aufwand von 400 000 ^ die Königliche bibliographische (ehemals Klemm'sche) Sammlung, die sie dem Vereine als Mittelpunkt seiner Sammelthätigkeit zur Verwaltung überwies. »Der Haushaltplan des Jahres 1898 zeigt folgende Ziffern: vom Königlich Sächsischen Ministerium des Innern 2000 vom Rate der Stadt Leipzig 2000 vom Rate der Stadt Dresden 300 vom Börsenverein der deutschen Buchhändler 3000 vom Vereine der Buchhändler zu Leipzig 1000 von Leipziger Vereinsmitgliedern 4200 und von außer-Leipziger Vereinsmitgliedern 1200 »Mehr und mehr schlossen sich die Buchgewerbe an, und immer neue Aufgaben drängten zur Lösung: die von allen Gewerbszweigen geforderte Nutzbarmachung der Sammlungen und des Bücherbestandes, die sich stets vergrößernden Oster meß- und ständigen Jahresausstellungen des Buchhandels, die vielfachen Ausstellungen der einzelnen Gewerbszweige, die Vorführung der Neuheiten auf dem Gebiete der buch gewerblichen Maschinen, der immer wieder bervortretende Wunsch der großen gewerblichen Verbände sowie der ver schiedenen Organisationen der Gehilfenschaft, am Buchgewerbe verein und seinen Räumlichkeiten Anteil zu haben, und viele 499