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Eugen Diederichs Eugen Diederichs, Leben und Werk. Ausgcwählte Briefe und Aufzeichnungen, herausgegcbe» von Lulu von Strang und Torney - Diederichs. Jena: Engen Diederichs Verlag. -ISS S. u. 8 Tafeln. Lw. RM 8.50. Schon zu seinen Lebzeiten hat Eugen Diederichs selbst so viel in Verlautbarungen aller Art über sein Werk und sein Wollen vor der Öffentlichkeit ausgebrsitet, daß es nicht mehr möglich ist, einen »unbekannten« Eugen Diederichs jetzt erst noch vorzustellen. Da sind — den wenigsten allerdings bekannt — schon seine frühen Aufsätze, die er noch als Gehilfe für »Unser Blatt« geschrieben, auf die aber schon ganz und gar das »ex un^us leonom« zutrifft. Dann die zahlreichen Rundschreiben, Kataloge, Börsenblattanzeigen und -anfsätzc n. u. a. in. Endlich seine »Sclbstdarstellung«, bei Felix Meiner in der von mir hcrausgegebsiren Sammlung wie in der Festschrift zu seinem sechzigsten Geburtstag veröffentlicht. So oft und wo immer Eugen Diederichs da? Wort ergriffen hat, er hatte etwas Beachtliches zu sagen, und er tat cs stets in einer so persön lichen Art, daß immer der ganze Mensch dastand. Gemeinhin hat Eugen Diederichs auch selbst stets am besten für sich gesprochen. Was über ihn veröffentlicht worden ist, hat damit meist kaum Schritt zu halten vermocht. Nur einem, der ihm so nahe gestanden wie Ehmcke, konnte es einmal etwa gelingen, ihm mit einer unge- schmeichelten, phrasenfreien Aussage menschlich so gerecht zu wer den und ihn darin zugleich so lebendig zu machen, wie es seinerzeit in dessen Nachruf für den toten Freund geschehen ist. Um so ge spannter greift man nach allem dem nach dem Band, der in aus- gewählten Briefen und Dokumenten Engen Diederichs noch ein mal selbst über sein Leben und Werk Rechenschaft geben läßt. Hat der Tote hier nun doch noch etwas anderes zu sagen als der Lebende? Grüßt uns der altbekannte wohlvertraute nur nochmals erneuert oder begegnet uns ein tatsächlich neuer, ungeahnter zu völliger Überraschung? Nun, wir brauchen in nichts umznlernen, erst recht aber haben wir in diesem zusammensasscnden überblick über den Werdenden, in dieser Zusammcnschan des Ganzen, wie er war und ward, bestätigend Gelegenheit und Anlaß, den Mann völlig kennenzulcrncn. Um es vorweg zu betonen: nur der Frau, die ihm ini Leben am nächsten gestanden und zur engsten Mit arbeiterin geworden, war es möglich, das doppelte zu vollbringen, in dieser von ebenso viel einfühlender Liebe wie künstlerischer Ge staltungskraft bestimmten Auswahl von Selbstzeugnissen ursprüng licher Unberührtheit den Dahingegangenen noch einmal zum Spre chen zu bringen, genau so wie wir ihn kennen und in Erinnerung haben, und doch so voller Spannung im Ausbau, als ob er alles znm erstenmal sagte. An der Persönlichkeit des Sprechers oder richtiger: des Schreibers liegt es, daß dabei etwas herrusgekommen ist, was mehr ist als eine Lebensbeschreibung üblicher Art. Eugen Diederichs hat selber von sich schon 1906 gesagt sS. 130): Meine Berlagstätigkeit ist nicht nur ein getreues Abbild meiner inneren Entwicklung, sondern auch der Ausdruck der Einflüsse, die ich in mein Wesen aufnehme. Auf diese Weise ist dieser Band ein Tagebuch geworden, das man einmal zu den wichtigsten Doku menten der Zeit rechnen wird, fast möchte man sagen: eins von den Kriegsbüchern, die uns noch fehlen. Denn hier erlebt man von Blatt zu Blatt noch einmal mit die Entwicklung aus den Weltkrieg hin, das große vierjährige Drama selbst, den Ansatz zu neuem Aufstieg — hohe Blüte, tiefer Fall, heldisches Aufbäumcn gegen Der Einband — das Ganz richtig hat der Verleger die große propagandistische Wirkung eines guten Schutzumschlages erkannt. In dieser Er kenntnis sind auf dem Gebiete der Schutzumschlaggeftaltung her vorragende typographische und künstlerische Leistungen geschaffen worden. Doch so ansprechend ein solcher Schutzumschlag wirkt, um so geschmackloser sieht dann oft der Einband des gleichen Buches aus. >»t» Leben und Werk herbes Schicksal, trotzigen Glauben an Deutschlands Unvergäng- lichkeit und unerschütterlichen Willen zu neuem Ansang. Diederichs kam von der Kunst her. Renaissance und Humanismus umwehen seine Anfänge. Er fühlt selbst zuerst Nenromantik. Aber das 16. Jahrhundert führt ihn von der Reformation ins Revolutionäre, in den Kampf gegen kirchliche Orthodoxie, gegen philisterhafte Ver knöcherung, gegen Schulfuchsercicn aller Art. Das Irrationale der Mystik lockt so gut wie die Naturphilosophie, das Rannen der Sage und des Märchens. Und unversehens ist er durch die Berührung mit diesen um neue Volkwcrdung ringenden Kräften in der Politik. Ihm ist gerade dabei nicht immer wohl, aber er kann nicht heraus aus dem magischen Ring, nachdem er einmal hineingeratcn. Fast nachtwandlerisch mutet es an, ivenn er am I. September 1914 schreibt (S. 244): Das Wort Demokratie wird nach dem Krieg niemand mehr hören wollen. Stimmt cs nicht aber auch sehr nach denklich, wenn er in der Zeit des Modernistenstreits 1908 schon glaubte, die Bemerkung fallen lassen zu müssen, man habe in Deutschland verlernt Märtyrer seiner Überzeugung zu sein, mehr noch als in Frankreich <S. 156)? Auf die Jugend fetzte er alle Hoffnung, der er früh verständnisvoller Förderer wurde. Schon seit 1904, vermutlich angeregt durch eine Bemerkung Wilhelm Bodes sS. Il6), tritt aber auch in stets neuer Form bei ihm das Bestreben hervor, etwas zustande zu bringen wie jenen Bund heimlich Verschworener Lagardes, von dem er später immer wieder spricht, einen Zusammenschluß geistiger Kräfte, die bereit waren, statt nur zu reden, Verantwortung und Führung durch Tat zu übernehmen. Das geschah ja mit der Lauensteiner Bewegung auch im Rahmen des Buchhandels. Vom Buchhandel im engeren Sinn ist im übrigen in dem Buch nicht sehr viel die Rede. Mancherlei wird gestreift. Für den Verleger etwa werden beispielsweise die Briefe, in denen Diederichs Verlagsangcbote ablchnt oder Ma nuskripte kritisiert, unzweifelhaft mit besonderem Genuß und Nutzen zu lesen sein. Aber das tritt im Rahmen des Ganzen doch verhältnismäßig weit zurück. Trotzdem wird gerade der deutsche Buchhandel stolz darauf sein können, daß hier zu sehen ist, wie in der Tat im recht aufgefaßten und recht erfüllten Bcrlcgerberuf alles zusammenschießt, was die Nation bewegt, und wie der Buch handel nicht als letzter am sausenden Webstuhl der Zeit mitwirkt, das Gewand der Gottheit zustandebringcn zu helfen. In diesem Sinn ist der Band ein Ruhmesdokument des deutschen Buchhan dels, das gerade auch die Nichtbuchhändler mit Aufmerksamkeit lesen sollten. Dem Jungbuchhandel würde es vermutlich die Auf nahme erleichtern, wenn für die jeweils Angeschriebenen beim ersten Auftauchen in Fußnoten erläuternde Angaben über Beruf und Leistung, Lebenslauf usw. beigefügt worden wären. Dem Nach wuchs sind die Zeiten und die Persönlichkeiten im einzelnen kaum so vertraut, daß diese Zusammenhänge als bekannt vorausgesetzt werden dürften. Selbst älteren Lesern wird nicht alles ohne wei teres gegenwärtig sein. Deshalb sei hier insbesondere auf die schon erwähnte Jubiläumsschrift zum sechzigsten Geburtstag von Eugen Diederichs erinnernd hingewiesen. Die dort enthaltenen Zuschriften der Autoren und Mitarbeiter des Verlages geben eine wertvolle Ergänzung und stellen in mannigfaltiger Hinsicht den Zusammen hang her. Insgesamt wünschen wir aber dem Band recht viele Leser. Wir sind überzeugt, daß es keiner bereuen wird, sich mit viel Muße hineinzuversenken. Alle Freunde des Verstorbenen aber wissen der Herausgeberin herzlichen Dank. Sie hat ihm wie sich damit ein schönes Denkmal gesetzt. vr. Menz. Gesicht des Buches Gewiß wird der Standpunkt des Buchhändlers, daß nicht das Außere eines Buches wichtig ist, sondern stets sein Inhalt, immer Richtschnur für die tatsächliche Bewertung eines Buches bleiben. Doch wird jeder Berufskamerad mit mir der gleichen Meinung sein, daß die Käufer, die ein Buch für Geschcnkzwecke erwerben, sich oftmals von dem äußeren Aussehen des Buches leiten lassen. War es der Schutzumschlag, der den Käufer in den Nr. 26 Dienstag, den 2. Februar 1937