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217, 17. September 19Ü4. Nichtamtlicher Teil. 7783 Nichtamtlicher Teil. Vom Buchdruck und Buchhandel in Norddeutschland. Ein Festgruß zur Jubelfeier des Kreises Norden, von I. H. Eckardt. Schon einmal durfte ich in diesem Blatte') der Bedeutung gedenken, ^ welche Hamburg ^für das ^Geistesleben im Norden hatte, abgerundetere Darstellung geben als damals, wo es galt, einen kurzen Festgruß zu verfassen. Allerdings — die Frische der Darstellung wird diesmal fehle^; der Schwung der Begeisterung erlahnU im Lauf der Zeit^ Das geistige Leben in Norden, in den Hansestädten, in Schleswig-Holstein ist wenig erforscht und wenig behandelt, und auch^ilber den Buchhande^in^jenen Gegenden,^ec ein ghnz^onßer- geerntet. In meinem frühern Artikel betonte ich bereits, wie Hamburg von jeher einen gewichtigen Einfluß auf den Norden ausgeübt hat, und zwar mehr in geistiger als in politischer Beziehung; stand doch die stolze Hansestadt bis 1767 politisch in einem, wenn auch sehr lockern Abhängigkeitsvcrhältnis zu^ den schlesrvig-hol- bis zum Anfang des 19. Jahrhunderts geblieben. So wurde Hamburg zu etlichen Malen, wie ich noch näher ausführen werde, bedeutungsvoll für die Kultur der benachbarten für andere Länder in Betracht kamen, Bremen für Oldenburg und Ostfriesland, Lübeck für Mecklenburg und vor allem für Preußen und Schweden. Als der Buchdruck sich die Welt eroberte, stand Lübeck noch auf der Höhe seiner Macht, und es ist erklärlich, daß hier in der mächtigen reichen Handelsstadt die neue Kunst bald Eingang finden mußte. »Wenn auch nicht die erste, so doch die bedeuten dere Druckerstadt Norddeutschlands wurde Lübeck-, sagt Kapp in seiner Geschichte des deutschen Buchhandels*), »wo die Thätigkeit von Lukas Brandts, 1475—1499, von Vartholomaeus Gothan. 1480-92, und besonders von Stephan Arndes von Hamburg, 1487—1519, eine beträchtliche Anzahl von Druckwerken schuf.« Aller Wahrscheinlichkeit nach ist aber schon früher der Buchdruck in Lübeck ausgeübt worden, denn wenn auch die Vermutung von I)r. Pauli"), daß Koelhoff vor 1470 in Lübeck gedruckt habe, von Klemm') mit Recht in das Reich der Fabel verwiesen wird, so ist doch auch Klemm der Meinung, daß vor 1475 in Lübeck ge druckt wurde, da der erste datierte Druck daselbst die typogra phische Kunst bereits in solcher Vollkommenheit zeigt, daß er un möglich als Erstlingswerk dieses Druckers gelten kann. Lübecker scheinen sich vielfach mit der neuen Kunst befaßt zu haben. In andern Städten, z. B. in Köln, finden sich Drucker, deren Bezeichnung IwbeeeuLiL aus Lübeck als Heimatsort deutet, ') Börsenblatt 1900, Nr. 208. *) Kapp, Fr., Gesch. d. dtsch. Buchhandels. I, S. 174. ") Zeitschrift des Vereins f. Lübeckische Geschichte. III, S. 254. ') Klemm, Katalog d. Bibliogr. Museums. S. 418 u. f. so der bedeutendste Drucker Kölns «im 15. Jahrhundert Johann Koelhoff und sein Sohn gleichen Namens. Von den ältesten in Lübeck ausübend gewesenen Druckern scheint Brandts auch an andern Orten gearbeitet zu haben; er wird vielleicht einer jener Drucker gewesen sein, die ihr Gewerbe im llmherziehen betrieben, bald hier, bald dort längere Zeit verweilten. In Leipzig und Merseburg ließen sich z. B. auch Spuren von ihm Nachweisen. Klemm meint nun, daß vor Brandts in Lübeck vielleicht schon eine Klosterdruckerei bestand, die keine Firma führte und deren typographische Erzeugnisse entweder ganz verschwunden sind, oder noch unentdeckt und unbezeichnet in größeren Bibliotheken ruhen. Inwieweit die Vermutungen richtig sind, die Wiechmann-Kadow auf Grund von Mitteilungen des verdienstvollen Lübecker Forschers Dcccke") auf den Druck älterer Lübecker Bücher durch die .Michaelis brüder in Rostock- annimmt, habe ich nicht in Erfahrung bringen können; urkundliche Belege finden sich nicht. Lübeck. Lucas Brandis, ca. 1474. Kl.-Fol. Zeit gewesen zu sein. Er stammte aus Hamburg und war ein Gehilfe von Johann Neumeister oder Numeister. Dieser letztere wird von manchen für einen Genossen, nicht bloß Gehilfen Guten bergs selbst gehalten. Diese stützen sich auf eine handschriftliche Bemerkung aus dem Jahre 1463, die allerdings von andern als erlernt bei und mit Gutenberg also gearbeitet hat. Er ist dann nach Italien gezogen und hat in Foligno, einer kleinen Stadt in Umbrien, gedruckt. Ein Abkömmling des alten Adelsgcschlechtes der Orsini. Emiliano Orsini, gab Räumlichkeiten für die Druckerei her, stellte Geld zur Verfügung und scheint selbst mit tätig gewesen zu sein, um -die Kunst der Teutonen- zu er- tätig, und drei Drucke sind von ihm aus jener Zeit bekannt. Das dritte Erzeugnis von 1472 war Dantes »Göttliche Komödie-, und stolz ruft der Drucker Numeister am Schluß seiner Arbeit aus: -Das bin ich, ich, der Meister Johannes Neumeister, der ich meine Sorgfalt dem Druck dieses schönen Werkes gewidmet habe; cs stand mir aber dabei zur Seite der Folignoner Emil Orsini, der mein Evangelist gewesen ist, der meine Ankunft angekündigt und mich der Welt bekannt gemacht hat.- In diesem 1472sten Jahre hörte jedoch die Druckerei in Foligno auf. da der Absatz bedeutend hinter den Erwartungen zurückgeblieben war und Orsini kein Geld mehr opfern konnte. Die Teilnehmer an der Druckerei zerstreuten sich. Orsini ging nach Rom und wurde dort Münzmeister des Papstes; Numeister folgte ihm wahrscheinlich dorthin, ging dann aber nach Deutsch land zurück, wo wir ihn 1479 in Mainz finden. Dann scheint er über Basel, Lyon nach Albi in Languedoc gewandert zu sein; dort hat er von 1481—84 gedruckt und ist oann nach Lyon gezogen, wo er bis 1507 als Drucker nachweisbar ist. Seine Gehilfen, unter denen sich Stephan Arndes befand, wandten sich nach Aufhören der Druckerei in Foligno 1472 nach Perugia, wo hin sie ein reicher Patrizier Branco Vraglione rief, der seiner Vaterstadt auch die Vorteile »der teutonischen Kunst- sichern wollte. Die mit der Universität verbundene Druckerei stand unter der Leitung des Johann Vydenast (Weidenast), unter dem die drei früheren Gehilfen Numeisters arbeiteten. Zwistigkeiten mit Vydenast, der ihnen den Lohn verkürzte, der Ausbruch der Pest in Perugia vertrieb die Drucker 1477 von dort, und unser Stephan Arndes wanderte in seine nordische Heimat zurück. 1486 finden wir ihn in Schleswig, wo er das 8l68vie6v86« druckte, ein Werk, das sich vorteilhaft durch vortreffliche Typen, schöne Ausstattung und guten Geschmack auszeichnete. 1487 kam er dann nach Lübeck, und hier hat er hervorragende Werke gedruckt, so 1487 »die 8uwwa> ^obanni8 van Vr^doreü rc. van laiine in das düdesche gemaket- in kl. Folio. Darauf folgten 1488: zwei Gebet bücher in 8".: »Spegel der Sachtmödigkeit- und »Spegel der toren.- Lübeck, Steffen Arndes 1494. Groß-Folio-Forrnat. Im °) Zeitschrift des Vereins f. Lübeckische Geschichte. I, 504 u. folg. 1024*