Volltext Seite (XML)
Redaktioneller Teil. -st 150, 1. Juli 1916. ein schlesischer Divisionsgeistlicher schrieb einer Kundin von mir, die auch der Zunft angehört: »Wenn man schon ^ das Geld für diese Liebesgaben ausgibt, so sollte man auch einmal etwas ganz anderes schicken: ich habe bald nichts mehr anderes zu tun, als die zu süßen Zettel in den Kirchen zusammenkehren zu lassen!« Ein Lehrer, der im ersten Kriegsjahr aus Rußland zurück- kam, rief in meinem Laden aus: »Endlich wieder einmal Bü cher I Die ewigen Feldbriefe, Zettel und Traktätlein können einem den ganzen Sinn für Religion und Glauben verderben! Man könnte meinen, unsere Tivisionsgeistlichen seien Berufskol porteur«!« — Letzte Fastenzeit sandte ich meinem jungen Kriegs freiwilligen einige religiöse Broschüren, da schrieb er: »Nur kein .Kleinzeug', ein gutes Buch ist mir lieber!« Außer der »Nachfolge Christi« hat er in seiner Dienstzeit ausdrücklich verlangt: reli gionsphilosophische Bücher, Bücher über Land und Leute, Reife- Werke und Fachbücher für Luftschiff», bei denen er ist. An »Klein zeug« wünschte er nur aus Herders Verlag: »Stimmen der Zeit«. Er las alles von seinem Lieblingsschriftsteller Sven Hedin, Bücher von Joergensen, Krebs, Cohausz und überhaupt neuere gute Jesuitenliteratur, alles von Rohrbach, dann Dörfler, Schie ber, Carlhle und alle Kriegsbücher von Ullstein. Alte Bücher verbittet er sich in der schroffsten Art der 17—18 jährigen. Wenn ich mein Lager betrachte, so habe ich — allerdings zu billigeren Preisen — geräumt mit meinen Ladenhütern an protestantischen Erbauungsbüchern, gewerblichen und tech nischen Büchern, auch Sprach- und kaufmännischen Büchern. Das erste »Kriegsbuch«, das ich am Mobilmachungstage verkaufte, war ein verstaubtes »Habcrmännlein«, das ein junger Lebemann mit »Monokel« kaufte, indem er sagte: Auch so etwas könne man wohl im Kriege brauchen! Außer religiösen und unterhaltenden Büchern gehen bei mir fauch in einem Offiziersgefangenenlager, mit dem ich zu tun habe) am besten alte und neue Klassiker und Sammlungen wie Natur- und Geisteswelt, Kösel, Göschen, Reclam und fachtechnische Werke I Aber das gute religiöse Buch ist es trotz allem, das am meisten an Achtung und Ansehen gewonnen hat, und dies« Erscheinung gibt mir die Hoffnung, daß der ch r i stl i ch «n a t i o < nale Buchhandel nach dem Krieg mehr Verständnis für sein Wirken finden wird und auf breiterer Basis wird arbeiten können! Inzwischen warte ich noch aus das religiöse Kriegsbuch, das ein Keppler, ein Johannes Müller, ein Faul Haber, ein Förster, ein Prohaszka uns schenken könnte, uns für di« kommende Zeit zu erziehen! Doch fehlt uns denn überhaupt das rechte religiöse Kriegsvuch? I Hatte nicht der Verweser meiner eigenen Pfarrei recht, der zu Weihnachten sagte: »Das Testament, das Buch der Bücher, ist das beste Geschenk für meine Pfarrkinder draußen!« Und er bezog den Bedarf durch zwei Ortsbuchhändler, Wohl an die 1000 Stück, in einer der neuen billigen katholischen Ausgaben. Gründungsversammlung einer Deutschen Buchhändlergilde - als Vertretung des deutschen Sortiments am Freitag, den 19. Mai 1916, nachmittags 3 Uhr im rechten kleinen Saale des Deutschen Buchhändlerhauses in Leipzig «Portal III). Stenographischer Bericht. (Fortsetzung zu Nr. 14S.) Wir gehen weiter und kommen zu Punkt 4 der Tagesordnung: Beratung ver Satzungen. Meine Herren, es Ist jedem ein Exemplar mit der Einladung zugegangen; es stehen aber auch hier noch Exemplare zur Ver fügung. Wir treten nunmehr in di« Beratung ein. Ich denke, wir können von einer Generaldiskussion absehcn. Herr Nlisch- 858 mann wird jeden einzelnen Paragraphen verlesen und, wo er es für nötig hält, auch kurze Erläuterungen geben. Ich werde fragen, ob dazu das Wort gewünscht wird; wo niemand das Wort verlangt, werde ich den Paragraphen als angenommen er klären, und nachdem wir die ganzen Satzungen durchberaten ha ben, werde ich sie insgesamt nochmals zur Abstimmung stellen. Wir kommen zu 8 1. PaulNitschmann (Berlin): K 1 lautet: Name, Zweck, Sitz, Geschäftsjahr. »Die Deutsche Buchhändlergildc ist eine Vereinigung deut- scher Sorlimentsbuchhändler behufs Förderung ihrer Inter essen. Ihr Zweck ist die Zusammenfassung des gesamten deutschen Sortimentsbuchhandels, seine wirtschaftliche Hebung und Ver tretung nach innen und außen. Der Sitz der DBG. ist in Berlin. Das Geschäftsjahr läuft von Kantate bis Kantate.« Meine Herren, eine Erläuterung ist hier nur notwendig zu dem Sitz in Berlin. Wir haben geglaubt, der Sitz einer so großen Organisation, wie wir sie planen und schaffen wollen, muß in einem der Hauptorte des Buchhandels sein. Leipzig kam für uns kaum in Frage, und so blieb eigentlich nur Berlin übrig. Ein kleinerer Ort hätte die Sache uns erschwert, da die Verhand lungen, die mit den Behörden, aber ebenso auch mit einer grö ßeren Anzahl von Verleger- und Sortimenter-Kollegen regel mäßig nötig sein werden, sich nur an einem großen Buchhandels zentrum ermöglichen lassen. Edmund Kantorowicz (Berlin): Meine Herren! Ich nehme an, daß es sich hier um einen rechtsfähigen Verein handeln soll. Ich vermisse aber in den Satzungen an dieser Stelle, wo es wohl hingehört, einen entsprechenden Hinweis. Die Bezeichnung »E. V.« muß Wohl dahinter kommen, wenn wir eine Rechtsfähigkeit haben sollen. Paul Nit sch mann (Berlin): Meine Herren! Es ist beabsichtigt, den Verein eintragen zu lassen, um die Rechtsfähig keit zu erlangen. Aber es ist die Frage, ob nicht an den Satzungen nachher vielleicht noch Änderungen vorgenommen werden müssen, denn es ist eine alte Erfahrung, daß das Amtsgericht häufig große Schwierigkeiten macht. Wir möchten also doch bitten, es dem Vorstande zu überlassen, ob und wann er. die Vereinigung eintragen lassen will. Es wird selbstverständlich nichts verab säumt werden, um der Gilde auch nach außen hin das nötige Ansehen zu geben. BernhardHansf (Charlottenburg): Ich wollte mir die Frage erlauben, wie dieser Satz aufzufassen ist: »Der Sitz der DBG. ist in Berlin«. Wir könnten doch einmal einen Vorsitzenden haben, der außerhalb Berlins wohnt. (Vorsitzender : Das ist ausgeschlossen!) — Das ist nicht ausgeschlossen. Vorsitzender: Ausgeschlossen ist es ja nicht durch die Satzungen, da muß man sehen, wie es gemacht wird. Aber vor läufig ist doch angenommen, daß mindestens der Vorsitzende in Berlin wohnt. — Sehen Sie, das sind solche Fragen, von denen schon Herr Ritschmann gesagt hat, daß sie noch Änderungen nach sich ziehen können. Wenn die Eintragung geschehen sollte — was ich nicht für notwendig halte —, dann werden jedenfalls noch Änderungen voni Amtsgericht verlangt werden, und die wer den dann der nächsten Versammlung zur Genehmigung vorgelegt werden. Ich glaube, alle solche Fragen wollen wir jetzt bei seite lassen, bis wir erst einmal die Satzungen unter Dach und Fach haben. Ich gebe Herrn Hanfs vollständig recht, daß darin eine Schwierigkeit liegt; aber ich glaube, wir können heute da rüber hinweggehen. Paul Nttschmann (Berlin): Wir haben ein Vorbild im Börsenverein. Der Sitz ist Leipzig, und der Erste Vorsteher wohnt gegenwärtig in Berlin. Wenn «in Mitglied am Orte ansässig ist, würde das unter Umständen genügen. E. Pahl (Dresden): Meine Herren! Aus dem Kreise niemer Genossen und Kollegen in Dresden sind mehrfach Bedenken da gegen geäußert worden, durch die Satzungen von vornherein den Sitz des Vereins in Berlin fcstzulegen. Wenn das geschieht, so ist Berlin ein für allemal der gegebene Vorort, während es, analog den Verhältnissen in den Kreis- und Ortsvereinen, sehr