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Redaktisneler LeU M 154, 5. Juli 1S18. zeigt; Kollege 8 verlangt für dieselbe Ausgabe in demselben Einband nahezu das Doppelte: 260 L. — Cotta brachte im Jahre 1857 eine Reineke Fuchs-Ausgabe mit Zeichnungen von Kaulbach, auf Holz gezeichnet von Jul. Schnorr; ich vermute, daß sic gar nicht selten ist, und finde den Preis von L mit 9 L angemessen; 8 setzt dieselbe Ausgabe mit 85 L, also mit beinahe dem zehnfachen Preis an. — Die erste Cottasche Gesamtausgabe von Grillparzers Werken im-Jahre 1872 hat durch die Ein leitung von Laube ihren literarischen Wert, wenn auch neuere Ausgaben wesentlich umfangreicher sind und die seit 1872 zutage geförderten biographischen Aufzeichnungen enthalten; der Preis von rV mit 60 I< scheint berechtigt; 8 bewertet sie mit 140 L. — Nicht in den Handel kam ein von der Gesellschaft der Weimarer Bibliophilen 1907/9 herausgegebenes dreibändiges Werk: Schil lers Persönlichkeit, Urteile der Zeitgenossen und Dokumente, ge sammelt von M. Hecker; L verlangt hierfür 33 L, 8 dagegen 90 L — Wilhelm Meisters theatralische Sendung. Nach der Schulthetzschen Abschrift herausgegeben von Harry Maine, Stuttgart 1911, wurde seinerzeit in 820 Exemplaren hergcstellt und ist meines Wissens tatsächlich beim Verleger vergriffen. Gegen den Preis von L mit 127 L läßt sich nichts einwenden; der Preis von 8 ist mehr als doppelt so hoch, nämlich 280 X. — Diese Beispiele lassen sich Wohl vermehren; die angeführten be weisen jedoch zur Genüge, daß die berühmte Solidität des deut schen Antiquariatsbuchhandels derzeit mitunter in einer dem Publikum auffälligen Weise durchbrochen wird. Als geübter Zeitungsleser bin ich ein Skeptiker und Zweif ler geworden. Ich habe es längst herausbekommen, daß Guten bergs Kunst von einem großen Teil der Tagespresse mißbraucht wird, und gewohnheitsmäßig setze ich in Gedanken beim Lesen zu den in den größten Lettern gebrachten Notizen und Tele grammen — so z. B.: Aus Bern wird gemeldet: Der New Uork Herald bringt folgenden Bericht aus Petersburg über die Vor gänge in Kletnasien — ein kräftiges Fragezeichen. Nicht ein mal die periodisch wiederkehrenden Überschriften in Cicerolet tern: »Paris verhungert«, »London verzweifelt«, »Rom ist zer schmettert« vermögen mich völlig zu überzeugen. Auch bei den trockensten Lokalnotizen mancher Blätter ist Vorsicht am Platze. Es war eben kein angenehmes Gefühl, das die Wiener Buch händler ergriff, als sie in einer Notiz vom 30. April lasen, daß die Volkswirtschaftliche Abteilung des Kriegsministeriums mit geteilt habe, sie sehe Bücher — mit Ausnahme von Luxusaus gaben — als Gegenstände des täglichen Bedarfs an und erkläre somit jeden Aufschlag auf den vom Verleger festgesetzten Ver kaufspreis als unzulässig. Entgegeustehendc Verabredungen und Bekanntmachungen des Buchhandels seien wirkungslos. An diese, wie man meinen sollte, offizielle Mitteilung knüpfte das Blatt noch Bemerkungen über die Erhöhung der Verkaufspreise durch den Verleger und den dadurch automatisch steigenden Ver dienst des Sortimenters an und wollte feststellen, daß auch durch den großen Umsatz die größeren Lasten ausgeglichen werden. Die Berichtigungen reiten rasch; zwei Tage später erklärte die Zeitung, daß sich die Notiz aus das Deutsche Reich beziehe. Die Wiener Buchhändler atmeten auf. Es bleibt jetzt noch die Frage übrig, ob die solchermaßen-richtiggestellte Notiz nunmehr auch richtig ist.*) Die österreichischen Verlagsgeschäfte arbeiten unter den schwierigsten Verhältnissen. Der Papiermangel ist zur Papiernot geworden, die Mehrzahl der Papierfabriken nimmt von Privat geschäften überhaupt keine Bestellungen auf, da ihre geringe Er zeugung gänzlich durch Staatsaufträge — für den Bedarf der Armee, der Postsparkasse, der Verwaltungsbehörden und nicht zuletzt der Banknotenpresse — in Anspruch genommen wird, über die Kohlenvorräte verfügt das Arbeitsministerium und weist nur jenen Papierfabriken Kohlen an, die Staatsaufträge *> Vgl. hierzu Bbl. ISIS, Nr. 86, SS u. fs. Red. 386 übernommen haben, und nur in jenem Maße, in dem sie dte Kohlen zur Erledigung der Staatsauftzräge benötigen. Wie bet der Bewirtschaftung eines jeden Artikels durch den Staat hat sich auch beim Papier ein Schleichhandel entwickelt; für Preise die beim Schleichhandel in Lebensmitteln verlangt und be willigt werden, erfand eine hiesige Zeitung das hübsche Wort »Flüsterpreis«, und solche Flüsterpreise werden auch im Papier handel bezahlt. Ist man so glücklich, eine Papierfabrik zur Übernahme einer Bestellung zu bewegen, so macht man beim Abschluß neue Erfahrungen: der Liefertermin wird von der Fabrik angenommen, jedoch ohne Verbindlichkeit, der Preis wird angenommen, jedoch unverbindlich, falls die Erzeugung erst in einem späteren Zeitpunkt möglich wäre; kurz, der Be steller weiß nicht, ob, wann und zu welchem Preise er das Papier erhallen wird. Dennoch bestellt er, da er sich mit der Hoffnung auf Lieferung begnügt. Die Preise für Satz und Druck sind gegen die Friedenszeit bedeutend gestiegen und erhöhen sich noch fortwährend. Die Buchdruckereien berufen sich auf die Steige rung der Materialien, wie Druckfarben usw., sowie auf die höheren Löhne, die sie wegen der Lebensmittclteuerung ihren Angestellten zugestehen müssen. Diesbezüglich erscheint eine kürz lich gefallene Äußerung des Wiener Bürgermeisters bemerkens wert. Die Wiener Stadtverwaltung hat bekanntlich zur Be wältigung ihrer Agenden im Magistrat, den Bezirksämtern und in der städtischen Industrie einen Beamtenkörper wie einen klei nen Staat, und der Bürgermeister sagte nun einer Deputation: »Jede neue Zuwendung, die wir unserem Beamtenkörper be willigen, und die für uns ein ungeheures Opfer darstellt, zieht sofort eine Steigerung der Lebensmittelpreise nach sich«. Ganz in demselben Sinne schrieb ein hoher Beamter der Armeever waltung, die ja auch ein Heer von Industriearbeitern beschäf tigt: »Wir haben die Erfahrung gemacht, daß parallel mit der Erhöhung der Löhne jedesmal auch sofort die Preise der Be darfsartikel gestiegen sind«. Wie wird die wirtschaftliche Welt aus diesem Zirkel herauskommen? Große Mehransprüche machen auch die Buchbindereien; sie müssen Ersatzleinwand, Heftgaze, Pappendeckel zu sehr gestie genen Preisen bezahlen und sich dabei noch sehr bemühen, die oft verborgenen Bezugsquellen ausfindig zu machen. So wird z. B. nicht nur behauptet, sondern auch nachgewiesen, daß man Pappendeckel mit dem zwanzigfachen Betrage des Friedens preises bezahlen muß. Leder ist im Ausgehen begriffen; für einen Oktavband in Halbfranz muß eine Verlagsbuchhandlung bei einem Auftrag von mindestens 500 Exemplaren acht Kronen bezahlen. Der Sortimenter hat den Wunsch, auch beim Ein bande beteiligt zu sein, was muß nun das Publikum für den Einband bezahlen? Aber freilich hört man allgemein die Be merkung, daß das Publikum jetzt jeden Preis bezahle: Jawohl, für Mehl, Butter, Eier, Käse u. dgl. zahlt es Wohl erstaunliche Preise; ob es aber nicht bei Büchern nachgerade die Taschen zu knöpfen wird, wer kann das sagen? Die erwähnte Papiernot zwingt die amtlichen Stellen zu einschneidenden Vorschlägen, die auf weitere Einschränkungen der Verlagstätigkeit gerichtet sind und somit sowohl den Verlag wie das Sortiment interessieren. So wurde kürzlich vom k. k. .Handelsministerium eine Versammlung der großen Kalender verleger einberufcn und ihr die Wünsche des Ministeriums be kanntgegeben. In erster Linie sollen für 1919 womöglich gar keine Tagesblockkalendcr erscheinen, und das Publikum soll sich mit Wochenblockkalendcrn begnügen; durch die Erfüllung dieses Wunsches würden allerdings des bisherigen Papierbedarfes für Tagesblockkalender erspart werden. Zweifellos ist dem ge schäftlichen Bedürfnisse durch Wochenblockkalender nur in un vollkommener Weise gedient, denn in den großen Kontorröumcn sind Tagesblockkalender mit großen, weithin sichtbaren Ziffern für jeden Buchhalter und Korrespondenten eine notwendige Einrichtung, die täglich unzählige Male mit den Augen befragt wird. Eine sehr bedeutende Kalendersabrik Böhmens erklärte sofort, daß sie diesem Wunsche — der Not gehorchend — bereits