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190. 18. August 1910. Nichtamtlicher Teil. Börsenblatt f. d. Dtschn. Buchhandel. 9361 Händler sich der Bezeichnung »Anfertigung von Drucksachen« be dient, auch wenn er die Drucksachen anderweit Herstellen läßt. Die zweite Kammer für Handelssachen des Königlichen Landgerichts in Hannover hat durch Urteil vom 12. Februar den Kläger kostenpflichtig abgewiesen. Tatbestand: Kläger ist Buchdruckereibesitzer und Vor sitzender des obengenannten Vereins. Der Beklagte ist Papier händler in Hannover. Auf seinem Firmenschild steht »An fertigung von Drucksachen«. Auch auf seinen Geschäftsdruck sachen empfiehlt er sich nach der Behauptung des Klägers zur Anfertigung von Drucksachen. Kläger ist der Ansicht, die Bezeich nung »Anfertigung von Drucksachen«, sei unrichtig, und zu Unrecht empfehle sich der Beklagte, da er unbestritten die Drucksachen, die er zum Verkauf stelle, nicht selbst anfertigt, vielmehr fertig bezieht oder anfertigen läßt. Beklagter hat nach der Klagebehauptung keine Maschine oder sonstige Vorrichtungen zur Selbstanfertigung von Drncksachen. Die Bezeichnung, deren er sich bei seinem Geschäftsbetrieb bediene, sei daher unrichtig; sie sei auch geeignet, den Anschein eines besonders günstigen Angebots hervorzurufen, da eine Buchdruckerei billiger verkaufen und liefern könne, als ein Papierhändler, der die Sacken bei einem Buchdrucker be stellen müsse. Auf Grund der §§ 1, 3 des Gesetzes zur Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs vom 7. Juni 1909 hat Kläger beantragt, den Beklagten durch gegen Sicherheitsleistung für vorläufig vollstreckbar zu erklärendes Urteil kostenpflichtig zu verurteilen, die Bezeichnung auf seinem Firmenschild und seinen Geschäfts formularen »Anfertigung von Drucksachen«, sowie sonst in öffentlichen Bekanntmachungen oder Mitteilungen, die für einen größeren Kreis von Personen bestimmt sind, in Zukunft bei Meidung einer gerichtsseitig festzusetzenden Strafe für jeden Zuwiderhandlungsfall zu unterlassen. Der Beklagte hat beantragt, die Klage kostenpflichtig abzu weisen. Er hält die rechtlichen Ausführungen des Klägers für unbegründet. Die gerügte Ankündigung besage nur, daß er Auf träge zur Anfertigung in Drucksachen zur Weitergabe annehme. Entscheidungsgründe. Das Gericht ist der Ansicht, daß die Bezeichnung »Anfertigung von Drucksachen« auf dem Firmen schild und den Geschäftsdrucksachen keine unrichtigen Angaben tatsächlicher Art im Sinne des Gesetzes über den unlauteren Wettbewerb enthält. Denn augenscheinlich will der Beklagte hiermit nur sagen, daß er seinen Kunden bei Papiereinkäufen die Möglichkeit verschaffen will, auch die von ihnen ge wünschten Drucksachen bei ihm zu bestellen. Jeder Käufer weiß aber und rechnet damit, daß der Papierhändler die Druck sachen nicht selbst herstellt, sondern von einem Buchdrucker bezieht. Selbst wenn aber in der Bezeichnung »Anfertigung von Drucksachen« unrichtige Angaben tatsächlicher Art zu sehen sind, so sind diese doch nicht geeignet, den Anschein eines be sonders günstigen Angebots hervorzurufen. Denn hierzu wäre erforderlich, daß der Papierhändler in seiner Anpreisung den Anschein erweckte, als ob er die Drucksachen billiger lieferte als etwa der Drucker selbst. Ein solcher Sinn kann aber den frag lichen Worten nicht beigelegt werden. Die Klage war deshalb abzuweisen. Gegen diese Entscheidung hat der Kläger Berufung ein gelegt. Der vierte Zivilsenat des Königlichen Oberlandes gerichts in Celle hat durch Urteil vom 4. Juni 1910 wie folgt erkannt: Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil der zweiten Kammer für Handelssachen des Königlichen Landgerichts in Hannover vom 10. Februar 1910 dahin abgeändert: Der Be klagte wird verurteilt, auf seinem Firmenschild, auf seinen Ge schäftsformularen, sowie sonst in öffentlichen Bekanntmachungen oder in Mitteilungen, die für einen größeren Kreis von Per sonen bestimmt sind, bei Meidung einer Geldstrafe von 100 (einhundert Mark), für jeden Zuwiderhandlungsfall die Bezeich nung »Anfertigung von Drucksachen« zu unterlassen, solange er nicht in seinem eigenen Geschäftsbetrieb selbst Drucksachen ansertigt. Die Kosten des Rechtsstreits hat der Beklagte zu tragen. Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel. 77. Jahrgang. Dies Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Tatbestand: Der Kläger hat gegen das in der Entscheidung bezeichnete Urteil erster Instanz, das die Klage abweist, Berufung eingelegt mit dem Anträge, unter Abänderung des angefochtenen Urteils nach dem Klag- antrage zu erkennen. Der Beklagte hat Zurückweisung der Berufung beantragt. Die Parteien haben das angefochtene Urteil vorgetragen. Der Kläger hat ferner drei Geschäftsdrucksachen des Beklagten vorgelegt. Es ist unstreitig, daß zwei von diesen, die den Auf druck tragen »Anfertigung von Drucksachen jeder Art in Buch- und Steindruck usw.«, bisher von dem Beklagten benutzt worden sind, und daß er neuerdings andere Drucksachen von der dritten Art hat Herstellen lassen, die an Stelle jenes Aufdrucks die Worte enthalten: »Annahme von Drucksachen jeder Art in Buch- und Steindruck usw.«. — Der Beklagte hat die Photographie seines Schaufensters überreicht. Die Parteien haben demnächst ihre beiderseitigen Anträge durch rechtliche Ausführungen zu begründen gesucht, wobei der Beklagte unter Bestreiten des Klägers und deshalb unter Be rufung auf das Gutachten Sachverständiger noch behauptet hat, eine große Papierhandlung könne Drucksachen billiger liefern als eine kleine Druckerei, weil das Papier selbst etwa 90 v. H., das Drucken aber nur etwa 10 v. H. des Preises koste. Gründe. Da die Aufschrift »Anfertigung von Drucksachen« sich an dem Laden des Beklagten auch noch jetzt befindet und auf den Geschäftsdrucksachen des Beklagten unstreitig auch noch nach dem 1. Oktober 1909 benutzt worden ist, so kommt für die Ent scheidung, soweit es sich um die Zeit seit dem 1. Oktober 1909 handelt, das an diesem Tage in Kraft getretene Reichsgesetz vom 7. Juni 1909, betr. den unlauteren Wettbewerb, in Betracht. Alle Voraussetzungen des § 3 dieses Gesetzes sind aber im vor liegenden Fall gegeben. Jene Aufschrift an dem Laden und auf den Geschäftsdrucksachen stellt sich als öffentliche Bekanntmachung oder doch als für einen größeren Personenkreis bestimmte Mit teilung dar und enthält eine Angabe über geschäftliche Verhältnisse des Beklagten. Diese Angabe ist auch unrichtig. Die Frage, ob sie unrichtig im Sinne des § 3 oit. ist, entscheidet sich mit Rücksicht auf den Sinn, in dem das Pubtikum, für das sie bestimmt ist, sie auf fassen darf und auffaßt, und zwar ist maßgebend die Durchschnitts- auffassung des Publikums, für das die Angabe bestimmt ist. Gleich gültig ist es, welchen Sinn der Beklagte, als der Urheber der Angabe, ihr beigelegt hat, für seine — hier allein in Frage stehende — Unterlassungspflicht ist es auch gleichgültig, ob er an die Richtigkeit seiner Angabe glaubte oder nicht. Daher kann dem Vorderrichter nicht beigepflichtet werden, wenn er meint, die vom Beklagten benutzte Aufschrift müsse von dem in Betracht kommenden Publikum nur dahin verstanden werden, daß der Beklagte Aufträge auf Anfertigung von Drucksachen behufs deren Weitergabe an einen Dritten annehme, die er durch einen Dritten Herstellen lasse. Die vom Beklagten gewählte Auf schrift kann vielmehr vom Durchschnittspublikum nur dahin auf- gefaßt werden, daß der Beklagte selbst in seinem eigenen Geschäft auch Drucksachen (d. h. Familien-Anzeigen, Tischkarten, Pro gramme, Rechnungsformulare und dergleichen kleinere Druck sachen) herstelle, um so mehr, als tatsächlich heutzutage — wie gerichtsbekannt ist — in zahlreichen Papiergeschäften, und zumal in den größeren (der Beklagte nennt sein Geschäft eine »Papier handlung 6N xros«), die dort in Auftrag gegebenen Drucksachen der angegebenen Art, sei's auch vielleicht nur mittels einer Hand- oder einer Tiegeldruckpresse, selbst ausgeführt werden. In erster Linie ist bei der Prüfung und Beurteilung einer Angabe auch stets von deren Wortlaut auszugehen und anzunehmen, daß sie, solange nicht ein anderes klar erhellt, ihrem Wortsinn entspricht und so auch von dem Durchschnitts publikum verstanden wird (vgl. Urteil des Reichsgerichts in Strafsachen Bd. 40 S. 440 und die dort zitierten weiteren Urteile). Hiernach erscheint aber die Angabe des Beklagten als unrichtig, da er selbst Drucksachen in seinem Geschäft nicht anfertigt, die zur Anfertigung erforderlichen Maschinen und sonstigen Vorrichtungen auch gar nicht besitzt. Selbst wenn indes auch zugegeben wäre, daß ein Teil des Publikums die Angabe des Beklagten in dem von dem Vorderrichter an- 1218