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Verleger wünschen als diejenige, welche der Magistrat für sein Schulbuch selbst übernimmt, und wer will es ihm verdenken, wenn er alle diese Umstände in der umfassendsten Weise ausnutzt? Er er füllt damit nur die Pflicht des Geschäftsmannes und hat die Chancen ausgezeichneten Erfolges für sich. Wird also zugegeben, daß verschiedene gleich werthvolle Bücher über denselben Gegenstand vorhanden sind, von denen aber nur ein einzelnes gewählt werden kann, so folgt nothwendig, daß die anderen dadurch auch außerhalb Berlins geschädigt, in den Hintergrund ge stellt, daß ihrer Verbreitung zu Gunsten des Bevorzugten schwere Hindernisse bereitet werden. Offenbar wird die freie Entwickelung des Schulbücherwefens dadurch allein schon gehemmt. Alles in allem bedeutet die Gleichartigkeit der Schulbücher an den Gemeinde-Schulen Berlins thatsächlich kaum etwas anderes, als die Anbahnung einer Art Monopol auf geistigem Ge biete; zum wenigsten ist ein hervorragender Zug des Monopols, die Ausschließung der freien Concurrenz zu Gunsten Einzelner, hier also literarischer Erzeugnisse und der darin vertretenen Richtung, sowie mittelbar einzelner betheiligten Personen, gegeben. Wie verhält sich aber die Unificirung der Schulbücher der fortschreitenden Entwickelung, der geistigen Bewegung im Gebiete des Unterrichtswesens gegenüber? Kaum wird cs des Nachweises bedürfen, daß das einmal ge wählte Buch nicht süralleZeitendaszweckmäßigstebleiben kann. Sehen wir ab von dem ungünstigen Einfluß, den die für Berlin zu schaffende besondere Species des Monopols oder Privilegiums an sich auf dauernde Fühlung mit den Fortschritten der Wissenschaft und äußere Ausstattung haben mag, — ein Einfluß, der ersahrungsmäßig kaum ausgeblieben, wo ähnliche Einrichtungen bestehen, — so stirbt der Autor, die Lehrmethode wird überwunden, ein zweifellos besseres Buch wird hervorgebracht, oder auch schon ein Personalwechsel in den maßgebenden Kreisen fördert andere Anschauungen über die Vor züge des bisherigen Muster-Schulbuches. Um nur einige Beispiele anzusühren: welcher ehemalige Berliner Schüler hätte wohl die Namen Jdeler und Nolte, Hermann und Büchner bei dem Gedanken an französische Lesebücher, Hirzel, Seiden st Ücker, Hermann bei französischen Lehrbüchern, Zumpt beim Latein, Buttmann beim Griechischen, Hörschelmann bei Geographie, Ferbitz beim Rechnen u. a. m. vergessen? Das waren Autoren, ohne welche man sich die Erlernung der betreffenden Disciplin gar nicht verstellen konnte, — wo sind aber deren Lehrbücher geblieben? Der Einwand liegt nun nahe, daß in diesen Fällen einfach das als besser erkannte Buch eingesührt und damit allein schon der Aus spruch, es handle sich um Monopol oder Privileg, hinfällig werde. Näher betrachtet dürfte aber ein solcher Wechsel in der Vorstellung leichter erscheinen als in der Wirklichkeit. Fügt es sich, daß derselbe in kürzeren Pausen auf verschiedenen Gebieten des Unterrichts auch nur wenige Wale wünschenswerth wäre, so werden gerade die Gründe, welche dieUnificirung herbeiführten, zu ebenso vielen Hinder nissen. Der Stadt- und Steuersäckel muß dann in ungleich höherem Maße in Anspruch genommen werden, eine ungleich größere Zahl von Kindern resp. Eltern wird in Mitleidenschaft gezogen, die Con- tinuität und Homogenität der Lehrmethode ist in umfangreichster Weise bedroht. Ehe man daher so bedeutsame Umwälzungen und Uebelstände zuläßt, wird man billigerweise warten, bis die Noth- wendigkeit derselben unabweisbar erscheint, und somit ist die Mög lichkeit nicht ausgeschlossen, daß in sämmtlichen Gemeinde-Schulen das weniger gute Buch, die weniger vortreffliche Methode aus Grün den der Zweckmäßigkeit längere Zeit bestehen bleibt und das Ge wicht des erworbenen Rufes zum Uebcrfluß auch außerhalb das ab solut Bessere erdrückt; sicherlich nicht zum Bortheil der Schule. Wie leicht könnte sich daher die humane Absicht der Schul-Deputation in ihr Gegentheil verwandeln, — oder aber an Stelle innigen An schmiegens an die geistige Bewegung der Gegenwart tritt starrer Schematismus. Die Unisicirung der Schulbücher erschwert daher das Anpassungsvermögen an die Strömungen der Literatur. Aber noch nach anderer Richtung droht die Gefahr einet Hemmung der Entwickelung des Schulbücherwesens. Zuverlässig wird die Berufung der Lehrer Berlins mit beson derer Sorgfalt überwacht. Man darf daher annehmen und die bis herige Erfahrung gebietet dies sogar, daß unter den pr. xr. 1750 Lehrern sich eine nicht unbedeutende Zahl solcher befinde, welche in hervorragender Weise geeignet sind, die pädagogische Literatur zu fördern. Woher aber soll künftig ein Lehrer den Mnth nehmen, ein Schulbuch zu schreiben, wenn er sich sagen muß, es ist so gut wie keine Aussicht vorhanden, daß er es seinem Unterrichte zu Grunde legen darf, daß dem Buche die Erfahrungen seines eigenen oder eines benachbarten, ihm zugänglichen Wirkungskreises zu gute kommen? Aber selbst wenn er diese Schwäche überwindet, welcher Verleger wird sich finden, der davon absieht, daß der Autor ihm nicht einmal die Garantie des eigenen Gebrauches zu bieten vermag? Als ein frappanter Beispiel solcher Art wäre die jüngst erschienene Erdbeschreibung des Rector Cotta zu nennen, ein Buch, welches speciell von Berliner Verhältnissen ausgehend, ohne Aussicht auf Einführung in Berliner Schulen, gar keine Berechtigung der Existenz hätte. Endlich möge noch darauf hingewiesen werden, daß die sicher lich vorthcilhafte und wünschcnswcrthe Unificirung des Lehr planes keineswegs die Einheitlichkeit der Lehrbücher voraussetzt oder zur Folge haben muß, wie das Beispiel der höhere» Lehranstalten, der Gymnasien, Realschulen I. und II. Ordnung beweist. Bei allen dergleichen Anstalten besteht ein gleicher Lehrplan, niemals jedoch hat das Cultus-Ministerium gleiche Lehrbücher für dieselben vor geschrieben. Wohin aber sollte es führen, wenn man daran denken wollte, die Maßregel auch auf die höheren Lehranstalten, gar auf die technischen und wissenschaftlichen Hochschulen auszudehnen? So unmöglich ein solcher Gedanke sogleich aus den ersten Blick erscheint, — dessen Uebertragung auf das Volksschulwesen bedeutet in der That kaum etwas anderes. Schließlich sei die Bemerkung gestattet, daß dieser Beschluß, einmal durchgeführt und aus größere Bezirke ausgedehnt, nur allzu leicht ein verlockendes Object für die Bestrebungen poli tischer und religiöser Parteien werden kann. Es scheint, als wenn ein mächtiger Zug unserer Zeit nach einer Art Centralisation strebt, welche die Bedingungen geistiger Arbeit verkennt, die freie Bewegung hemmt; daß man sich aber ungern davon Rechenschaft gibt und zu sehr geneigt ist, diese Dinge zu übersehen oder für uner heblich zu erachten. Wenn sich nun die ausgeführten Bedenken bei näherer Be trachtung als begründet erweisen sollten, so fragt es sich, sind die Zwecke der Schul-Deputation der Hauptsache nach nicht auch aus anderem Wege zu erreichen als durch Ausstellung eines in seinen Folgen so gefahrdrohenden Grundsatzes? Vermindert, wenn auch durchaus nicht vermieden, würden die Gefahren schon durch die Localisirung auf die Schul-Jnspections- Kreise. In hohem Grade wünschenswerth aber möchte es erscheinen, wenn die Maßregel auch hier in möglichst geringem Umfange, nur für solche Lehrmittel und Unterrichtsbücher in Aussicht genom men würde, deren hoher Preis den Bestrebungen der Schul-Depu tation auch wirklich eine praktische Unterlage gewährt, diejenigen von geringeren Preisen aber davon gänzlich unberührt blieben. Die