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8S76 Nichtamtlicher Teil. 230, 3. Oktober 1904. die Veranstaltung von Ausstellungen erschwert werden könnte. Bei allem Verständnis für wohlausgesuchte und mit Takt zusammengestcllte Ausstellungen, kann ich doch nicht umhin, in den Massenausstellungen, wie sie mehr und mehr veran staltet werden, eine gewisse Gefahr für das Publikum und die Künstler zu erblicken. Dem Publikum geht allmählich das Unterscheidungsvermögen verloren, und der Künstler wird in Versuchung geführt, dem zweifelhaften Geschmack der großen Massen des Publikums Zugeständnisse zu machen, die das Niveau seiner Leistungen Herabdrücken. Wenn diese Art Ausstellungen etwas erschwert werden sollte, so würde darin keine Gefahr für die Kunstbildung zu erblicken sein. Dagegen wären Mißstände zu befürchten für den Kunst handel. Die meisten Käufe werden heute wohl durch Kunst händler vermittelt, die in permanenten Ausstellungen die ihnen an die Hand gegebenen Kunstwerke dem Publikum vorsühren. Es würde eine bedenkliche Erschwerung des Kunsthandels sein, wenn jeder Kunsthändler für das von ihm erworbene oder ihm zum Verkauf überlassene Werk den Ur heber oder seinen Rechtsnachfolger ermitteln und dessen Ge nehmigung zur Ausstellung erwerben sollte. Doch steht dieser Besorgnis der Umstand entgegen, daß die Genehmigung des Urhebers selbstverständlich für alle solche Schaustellungen als erteilt gilt, die dem Zweck der erlaubten Verbreitung oder Feilhaltung dienen?) Es würde daher, vor allem dem Urheber persönlich, ein ausschließliches Recht der Ausstellung wohl zugebilligt werden können?) Eine bedeutsame Neuerung bringt der Entwurf durch die Gewährung eines Schutzes gegen unbefugte gewerbsmäßige Vorführung des Werkes mittels mechanisch-optischer Einrichtungen. Die Motive') nehmen Bezug auf Wünsche aus Interessentenkreisen, unter Hinweis darauf, daß Spe zialitätentheater und ähnliche Veranstaltungen photographische Bilder zur Vorführung von sogenannten Projektionsbildern gewerblich ausnutzen und hierdurch die wirtschaftliche Ver wertung des durch die Vorführung bekannt gewordenen und des Interesses beraubten Originals erschweren. Dies geschehe durch den Kinematographen, Mutoskope, rotierende Schau apparate und ähnliche Vorrichtungen. Die Motive besagen ferner: »Diese Fassung soll zum Ausdruck bringen, daß nur solche — gewerbsmäßige — Vorführungen in Betracht kommen, bei denen einmal mechanische Einrichtungen z. B. Kincmatographen-Mechanismen. betätigt werden, und ferner eine besondere optische Wirkung z. B. eine Vor führung des Bildes durch ein Projektionsobjektiv, erreicht werden soll. Beide Merkmale müssen zusammenkommen; die gewöhnliche Schaustellung eines Bildes mittels des Stereoskopen fällt deshalb nicht unter das ausschließliche Recht des Urhebers, wohl aber z. B. die Projektion mittels des Nebelbildapparates. Wenn diese Vorschrift auch in erster Linie nur für photographische Werke praktisch werden wird, so ist sie doch auch für die Werke der malenden und zeichnenden Kunst nicht ganz ohne Bedeutung; sie soll deshalb auch für diese gelten. - Die Neuerung entspricht unzweifelhaft einem Bedürfnis, das sich heute schon fühlbar gemacht hat und bei der Ver vollkommnung der zur gewerbsmäßigen Vorführung von Kunstwerken dienenden Apparate in Zukunft sich noch be trächtlich steigern wird. Die Verfasser des Entwurfes haben offenbar die Empfindung, einen Schritt ins Ungewisse zu tun; daher suchen sie das neue Schutzgebiet vorsichtig, ja ängstlich °> So auch Allfeld a. a. O. S. 284. 6) Ein Schutz gegen unbefugte Ausstellung besteht auch nach englischem Oonnnon (Vgl. Osterrieth, Die Geschichte des Urheberrechts in England. S. 180 u. s.) : S. 20. zu begrenzen. Da heutzutage nicht die reine Erkenntnis, son dern die praktische Erfahrung der Vater unsrer modernen Gesetz gebung ist. so wurde ein Schutz vorläufig nur für diejenigen Formen der gewerbsmäßigen Vorführung gegeben, die nach den bisherigen Erfahrungen von erheblicher praktischer Be deutung sind. Indessen würde es logisch doch wohl richtiger sein, überhaupt die gewerbsmäßige Vorführung des Werks dem Urheber vorzubehalten, da sie doch unzweifelhaft mit zu den Mitteln gehört, durch die das Werk als solches, nicht das einzelne Exemplar, wirtschaftlich verwertet wird. Anderseits läßt sich allerdings zur Rechtfertigung des Ent wurfs anführen, daß ein Vorführen eines Kunstwerks, d. h. die Mitteilung des Werks in einem Exemplar an einen größern Beschauerkreis nur durch optische Apparate möglich ist. die das Werk entweder so vergrößern oder so belichten, daß es von einem zahlreichen Publikum mit genügender Schärfe gesehen werden kann. Ob der Ausdruck mechanisch optische Einrichtungen vom technischen Standpunkt aus der richtige ist. mag dahingestellt bleiben?) Jedenfalls kann man dem Grundgedanken des Ent wurfs durchaus beipflichten. Was die Erweiterung des Photographieschutzes betrifft, die der Entwurf im Anschluß an den schon früher ver öffentlichten Entwurf eines Gesetzes, betreffend das Urheber recht an Werken der Photographie, ins Auge faßt, so ver weise ich auf das in den Bemerkungen zu letzterm Entwurf gesagte?) 2. Die zulässige Vervielfältigung. Der Entwurf steht auf dem Standpunkt, daß jede Ver vielfältigung dem Urheber ausschließlich Vorbehalten ist. Zur Bestätigung dieses Grundsatzes führt §12 aus. daß es hierbei gleichgiltig ist, durch welches Verfahren die Verviel fältigung bewirkt wird, und ob das Werk in einem oder in mehreren Exemplaren vervielfältigt wird. Als ein dankens werter Fortschritt in formaler Beziehung ist es zu begrüßen, daß die umständlichen Aufzählungen des gegenwärtigen Rechts zur nähern Kennzeichnung dessen, was alles als ver botene Vervielfältigung anzusehen ist. in dem Entwurf fallen gelassen worden ist. Der Grundsatz, daß dem Urheber jede Vervielfältigung Vorbehalten ist. erleidet drei Einschränkungen, nämlich durch die Freiheit der Einzelkopie, durch die Freiheit der Nach bildung von Werken, die an öffentlichen Straßen und Plätzen dauernd ausgestellt sind, und die Freiheit des Zitats. Eine Ausnahme des geltenden Rechts hat der Entwurf aus guten Gründen fallen gelassen. Nach Z 6 Ziffer 2 des Gesetzes vom S. Januar 1876 wurde nämlich als verbotene Nachbildung nicht angesehen: -die Nachbildung eines Werks der zeichnenden oder malenden Kunst durch plastische Kunst und umgekehrt.« In völliger Verkennung des Wesens des Urheberrechts und der bildenden Kunst war der Gesetzgeber der siebziger Jahre davon ausgegangen, daß die Übertragung eines Werkes aus der plastischen Kunst in die graphische regel mäßig die Identität des Werkes aushebe und eine Neu- schöpsung zur Folge habe. Dies ist, wie die Motive zum Entwurf durchaus zutreffend anssühren, selbstverständlich unrichtig. Die Frage, ob ein Werk als Nachbildung eines andern oder als freie, selbständige Schöpfung anzuschen ist, läßt sich selbstverständlich nicht durch gesetzliche Präsump- tionen beantworten. Jeder Fall liegt individuell und muß von den Richtern an der Hand geeigneter Sachverständigen gutachten besonders geprüft werden. (Fortsetzung folgt.) ") Vgl. Bruno Meyer in der Deutschen Photographen- Zeitung 1904 S. 417. ») S. 54 ff.