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X: N4, 2«. Mai 1931. Mitteilungen des Deutschen Verlegervereins. Nr. m. Börsenblatt f.d. Dtschn. Buchhandel. mangelhaften wissenschaftlichen Grundlage, an dem Fehlen zu verlässiger Maßstäbe für den Wert oder Unwert historischer Bilder überhaupt. Selbst die Verwechslung von Historienbildern und histori schen Bildern ist noch keineswegs so völlig unmöglich geworden, wie das nach Vernichtung der Historienmalerei durch die Kunst wissenschaft eigentlich angenommen werden sollte. Wenn man auch den innerlich verlogenen und künstlerisch meist wertlosen Machwerken der Piloty, Wislicenus usw. in einigermaßen ver ständigen Büchern kaum noch begegnen dürfte, so ist doch die Benutzung absichtsvoll gestellter Historienbilder, wie man sie grade in modernen Lehrbüchern immer wieder antrisft, nicht weniger zu beanstanden. Mag auch in der Regel nach brauch baren Vorbildern gearbeitet sein, so geben doch diese ack boa zu- rechtgestutzten Kompilationen ein durchweg schiefes, wenn nicht ganz abwegiges Bild von der geschichtlichen Wirklichkeit. So wird etwa versucht, ein Bild des Lebens und Treibens in einer mittelalterlichen Stadt zu geben, indem das Rathaus von Gos lar, das bekannte Wirtshaus aus Miltenberg, der Stendaler Roland, die Befestigungsanlagen von Nürnberg zu einem so genannten Idealbild zusammengestellt werden, in das dann als Staffage Menschen von Altdorfer, Baldung-Grien oder Dürer hineingesetzt werden. Etwas ähnliches liegt vor, wenn für die Darstellung des bäuerlichen Lebens in der deutschen Vergangen heit mittelalterliche Miniaturen gewählt werden, die scheinbar -authentisch«, in Wahrheit aber Kopien spätantiker Vorbilder sind; muß sich da nicht in dem Betrachter die Anschauung sest- setzen, daß er in diesen hörigen Kolonen der römischen Lati fundien getreue Bilder des freien germanisch-deutschen Bauern tums zu sehen habe? Ein entsprechendes Beispiel aus der fran zösischen Literatur: ein Buch über Marie Antoinette, das text lich aus den besten zeitgenössischen Quellen geschöpft ist, bringt in seinen Illustrationen Lithographien aus dem Anfang des 19. Jahrhunderts — das Rokoko im romantischen Kostüm! Diese Beispiele lassen sich leider beliebig vermehren. Es bedarf nicht vieler Worte, um das Falsche und Gefähr liche solcher Historienbilder klar zu machen: das Kind oder über haupt der naive Leser bekommt aus diese Weise Vorstellungen von der Vergangenheit, die entweder der Erarbeitung eines histo risch-politischen Weltbildes eine irrige Grundlage und eine törichte Zielsetzung geben oder — das ist vielleicht noch der gün stigste Fall — die Vergangenheit im Lichte süßlichen Kitsches oder trostloser Langeweile sehen lassen; in allen Fällen aber wird, manchmal für immer, der Weg zu einer wirklichen Er fassung der kulturellen und sittlichen Werte der Vergangenheit verbaut. Der Kreis der Historiker, die energisch gegen diesen unmög lichen Zustand Front machen, ist bisher außerordentlich klein gewesen, weil die Beschäftigung mit diesen Fragen methodisch in den Anfängen steckte. Auch soll nicht verschwiegen werden, daß eine ausgesprochene Abneigung gegen »Bilderbücher- gelegent lich noch als ein Zeichen besonderer Wissenschaftlichkeit gilt — ein Standpunkt, der sich allerdings mit echter Wissenschaftlichkeit in dem Augenblick nicht mehr vereinbaren läßt, wo die richtige, der aus den Text verwandten Sorgfalt entsprechende Pflege des Bildteils diesen zu einem unentbehrlichen Bestandteil jedes histo rischen Buches gemacht haben wird. Ist doch die Illustration gerade in der speziellsten Fachdisziplin schon längst als wirksame Stütze für textliche Ausführungen anerkannt: denn wer ver möchte über kritische Fragen einer mittelalterlichen Handschrift mitzureden, der nicht Faksimilia zu Rate zöge, um danach einen augenfälligen Eindruck von den Besonderheiten des Originals Gutachten der Rechtsauskunftsstelle des Umfang der Haftung einer Buchbinderei für Bestände eines Roh lagers. Eine Großbuchbinderei hat 1S20 das umsangreiche Rohlager schön- wissenschaftlicher Literatur des ansragenben Verlags in dessen Aus trag von einer auswärtigen Druckerei übernommen. Das Rohlagcr wurde nach den Lagerräumen der Großbuchbinderei geschasst, die Übernahme ersolgt« seitens der Buchbinderei bei ihr. Sie teilte das 18 oder den verschiedenen Stufen der Abhängigkeit von Texten zu erhalten? Eben das gleiche aber soll auch die Bebilderung eines erzählenden Textes erzielen: Anschauung von den Menschen und ihrer Umwelt, vertieftes Verständnis für ihr Sein und Handeln — Dinge, die natürlich nur gewonnen werden können, wenn die Verwendung von Bildern mit derselben kritischen Einstellung er folgt, wie sie gegenüber der literarischen Überlieferung seit einem Jahrhundert Voraussetzung aller wissenschaftlichen Darstellung ist. Eine grundlegende erfreuliche Änderung zum Bessern ist jetzt eingetreten: der Verband deutscher Historiker, der alle reichs- deutschen, österreichischen, sudetendeutschen und Danziger Ge schichtswissenschaftler umfaßt, hat auf seiner letzten Tagung in Halle (1930) einen Deutschen Jkonographischen Ausschuß fDJA) eingesetzt, der alle in das Gebiet der historischen Bilder (Por träts, historische Szenen, bildlich erfaßbare Überreste) einschla genden Fragen betreuen soll. Diesem Ausschuß gehören bisher Gch.Rat Prof. vr. Brand! (Göttingen), Geh.Rat Prof. vr. Goetz (Leipzig), Prof. vr. Schramm (Göttingen) und vr. Steinberg (Leipzig) an. Zu den Aufgaben, die der DIA sich gestellt hat, gehört auch der Versuch, die Autoren für eine bessere Illustrie rung historischer Bücher zu gewinnen. Damit ist schon gesagt, daß seitens des DIA keineswegs in die Selbständigkeit des Her lagsbuchhandels eingegriffen werden soll. Der DIA wünscht lediglich dazu beizutragen, daß sich die von ihm in Überein stimmung mit allen Sachverständigen vertretenen Anschauungen über die Erfordernisse, die an die Aufnahme und Wiedergabe von Bildern in historischen Werken zu stellen sind, Geltung in den Kreisen der Autoren und dadurch gerade auch bei den an den kulturellen Fortschritten des deutschen Schrifttums doch wesent lich beteiligten Verlegern verschaffen; der DIA meint, dies am geeignetsten durch eine vorherige Auskunstserteilung an die Ver leger erreichen zu können. Der DIA ist ein rein wissenschaft liches Forschungsunternehmen, und seine Stellung soll in dieser verlegerischen Angelegenheit also die eines wissenschaftlichen Be raters sein, der nur aus ausdrücklichen Wunsch des zu Beraten den in Funktion tritt. Daß allerdings der DIA bei den Fach zeitschriften auf eine entschiedenere Be- und Verurteilung un zweckmäßiger und irreführender Jllustrationswerke dringen wird, ergibt sich aus dem Gesagten von selbst -— und der Ver- lagsbuchhandel bewahrt sich lediglich vor seiner Schädigung durch schlecht illustrierte Bücher, deren Herstellungskosten ja auch nicht geringer sind als die anständig ausgesllhrter Werke. Für die Durchführung dieser Zusammenarbeit hält der DIA folgenden Weg für zweckmäßig: Verleger, die seine Beratung in Anspruch zu nehmen wünschen, werden eingcladen, sich an den DIA zu wenden (Anschrist: Institut für Kultur- und Universalgeschichte an der Universität Leipzig). Der DIA wird dann nach Mög lichkeit einen geeigneten Wissenschaftler benennen, dessen Arbeits weise und Honorierung sodann freier Vereinbarung zwischen ihm und dem Verlag unterliegen. Dabei wird zu unterscheiden sein, ob es sich um die Begutachtung bereits gedruckter Bilder (z. B. für Neuauflagen), um die Prüfung vorgelegten Bildmaterials, um den Nachweis neuer Bilder oder um die selbständige Be schaffung von Vorlagen handelt. Die Beratung durch den DIA selbst ersolgt ehrenamtlich und selbstverständlich unter der Vor aussetzung der strengsten Verschwiegenheit in allen Verlags- angelcgenhciten, die dem DIA zur Kenntnis gebracht werden. Die Ergebnisse einer solchen Zusammenarbeit werden der deutschen Geschichtswissenschaft und dem deutschen Verlagsbuch- handcl gleichmäßig zugute kommen! Sigfrid H. Steinberg. Deutschen Verlegervereins. Ergebnis der Übernahme unter Spezifikation der Bestände dem Ver lag mit und sandte seitdem regelmäßig zum Jahresschluß Jnventur- ausnahmen, aus denen der jeweilige Vorrat der Rohbestände her vorging. Anfang 1830 gab die Buchbinderei die Bestände Im Aufträge des Verlags an eine andere Großbuchbinderei. Dabei stellte sich heraus, daß bei einer großen Zahl von Werken eine große Anzahl Bogen