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Der Student ist zunächst erstaunt, wenn man ihm das Stu dienbuch abverlangt. Er gewöhnt sich aber schnell an das Ver fahren. Es ist ja klar, daß der Buchhändler seine Bücher be quemer los wird ohne die Eintragungen und diese Maßnahme nur zum besten der Studenten auf sich nimmt. Wir konnten in Freiburg und Straßburg im Sommersemester 1943 für einzelne Fächer schon wieder mehrere Lehrbücher frei zum Verkauf stel len, ohne uns innerhalb weniger Stunden auszuverkaufen. Die ser große Gewinn leuchtet auch den Studenten ein. Man wird in den ersten Tagen sich mit einzelnen freundschaftlich über diese Dinge unterhalten müssen. Später läuft die Sache rei bungslos. Es ist darauf zu achten, daß nur Studienbücher mit amtlichen Eintragungen aus dem laufenden Semester beim Bücherkauf vorgelegt werden. Eine gewisse Schwierigkeit entsteht dadurch, daß der Stu dent das Studienbuch von Zeit zu Zeit gar nicht im Besitj hat, sondern es bei der Universitätskasse oder anderen Behörden abgeben muß. Hier muß der Sortimenter fest bleiben: Ausnah men gibt es grundsätzlich nicht! Es genügt auch nicht, daß ein Studentenausweis oder dergleichen vorgezeigt und die nachträg liche Vorlage des Studienbuches versprochen wird. Ist erst eine Ausnahme gemacht, folgt eine ganze-Sierie, und der Sortimenter kann sich der Auseinandersetjung mit den Studenten (und den Studentinnen!) nicht erwehren. Sicher auftreten muß der Sortimenter, sonst ist er dieser Anordnung nicht gewachsen und setjt seine Anerkennung als Hochschulsortimenter aufs Spiel. Über wissenschaftliche Fragen mag der Student mehr wissen als der Buchhändler, hinsichtlich der Lehrbücher sind wir Fachmann! Jedes Lehrbuch, das wir aus Gutmütigkeit einem Studenten geben, der es nicht dringend braucht, fehlt später bei wichtiger Gelegenheit einem anderen. Hat ein Student sein Studienbuch nicht zur Hand, wird ihm ein vorrätiges Lehrbuch bis zur Dauer von vier Wochen, notfalls noch länger, zurückgelegt. In dieser Zeit kann er das Studien buch beibringen, zumal auch die Universitätsbehörden Verständ nis für das Verfahren haben. Macht ein Student Schwierigkei ten, ist ihm höflich zu bedeuten, daß die erste Ausnahme den Erfolg des ganzen Verfahrens in Frage stellen und daß er ohne die Kontrolle der Studienbücher wahrscheinlich über haupt kein Lehrbuch bekommen würde. Er wird dann die Wartezeit in Kauf nehmen, zumal er bisher sicher so manches Mal viel länger auf ein bestelltes Lehrbuch warten mußte. Das System der Vormerkungen auf vergriffene Lehrbücher hat sich bewährt und soll als bester Kundendienst beibehalten werden. Selbstverständlich dürfen auch vorgemerkte Werke nur abgegeben werden, wenn tatsächlich noch ein Bedarf vorliegt. Nach bestandenem Physikum z. B. wird ein vorklinisches Lehr buch nicht mehr ausgehändigt, und wenn der Besteller noch so lange darauf gewartet hat. Nach dem Kriege wird Gelegenheit sein, Lücken im Bücherschrank auszufüllen. — Examenskandi daten, die ihr Studienbuch schon abgeben mußten, sind wie fertige Ärzte zu behandeln und ihnen nur solche Lehrbücher zu geben, die sie in der kurzen Zeit noch wirklich durcharbeiten oder die sie mit ins Feld nehmen können. Da die Lehrbücher den einzelnen Hochschulstädten nach ihrer Studentenzahl zugeteilt werden, bedeutet ein Versand streng genommen eine Ungerechtigkeit gegenüber den Studen ten am Ort. Doch ist der Versand nicht ausdrücklich untersagt. Wo der Versand ausnahmsweise vorgenommen wird, muß der Student das Studienbuch einschicken. Das gilt besonders auch für die Ferienmonate. Der Student aber wird das Dokument des Studienbuches ungern aus der Hand geben, auch stehen ihm heute kaum wie in Friedenszeiten die Ferien zu wissenschaft lichen Arbeiten zur Verfügung, sondern er ist irgendwo anders eingesetzt, meist sogar im Feld. Andererseits wollen wir Buch händler die Ferienmonate zum Ansammeln neuer Lagerbestände für das Semester benutjen, um die zu uns zurückkehrenden Sol- daten-Studenten besonders reichlich beliefern zu können. ///. Grundbegriffe einer medizinischen Lehrbücherkunde Wir wollen nicht stur nur Lehrbücher aushändigen für Fächer, die der Student im laufenden Semester gerade laut Stu dienbuch belegt hat. Wir wollen so verständnisvoll und groß zügig vorgehen, wie es die Verhältnisse gestatten. Die größten Ansprüche auf Lehrbücher stellen die Mediziner, schon weil ihre Zahl jetjt im Kriege besonders groß ist. Deshalb ist auch die Notlage bei den medizinischen Lehrbüchern vordringlich, und deshalb sind eingehendere Ausführungen über das medizinische Lehrbuch am Platje. Der amtliche Studienplan für Mediziner erleichtert uns die Einfühlung. Wir finden ihn in der Bestallungsordnung für Ärzte vom 17. Juli 1939 (8. Aufl. 1942 im Verlag Georg Thieme, Leipzig) auf den Seiten 44—46 und drucken ihn mit einigen Kürzungen ab: Uorklinisches Studium: 1. Semester: Anatomie. Physik I. Chemie I. Zoologie. Botanik. Histologie. Heilkräuterexkursionen. 2. Semester: Anatomie. Physik II. Chemie II. Vererbungslehre und Rassenkunde. Physikal. Praktikum. Chemi sches Praktikum. Geschichte der Medizin. Präpa rierkurs. 3. Semester: Physiologie I. Embryologie. Bevölkerungspolitik. Physiolog. Chemie und Wehrchemie. Anatomie. Histol.-mikrosk. Kurs. 4.Semester: Physiologie II. Physiol. Praktikum. Präparier kurs. Physiol.-chemisches Praktikum. Arbeits-, Sport- und Wehrphysiologie (einschl. Luftfahrt). Klinisches Studium: 5. Semester: Chirurg. Propädeutik. Medizin. Propädeutik. Ge- burtshilfl.-gynäkol. Propädeutik. Allgem. Patho logie und Wehrpathologie. Kurs der klinisch. Che mie. Kurs der Perkussion und Auskultation. Mediz. Strahlenkunde. 6. Semester: Medizin. Klinik. Chirurg. Klinik. Spezielle Patho logie. Pharmakologie. Bakteriol. und serolog. Kurs der Perkussion und Auskultation. Geburtshilfl. und gynäkol. Untersuchungskurs. TJygiene. 7. Semester: Medizin. Klinik (einschl. Wehrmedizin). Chirurg-. Klinik (einschl. Wehrchirurgie). Geburtsh.-gynä kol. Klinik. Hygiene unter besonderer Berücksich tigung der Wehr- und Gewerbehygiene. Chirur gisch-klinische Visite. Medizinisch-klinische Visite. Pathol. Demonstrationskurs. Pharmakologie und Toxikologie (einschl. Wehrtoxikologie). Impfkurs. 8. Semester: Geburtshilfl.-gynäkol. Klinik. Kinderheilkunde. Augenspiegelkurs. Ohrenspiegelkurs. Chirurgische Poliklinik. Pathol.-hist. Praktikum. Topographische Anatomie. Geburtshilfl. Operationskurs. Natur gemäße Heilmethoden. Hautklinik. Pathologie des Zahnes. 9. Semester: Psychiatr. und Nervenklinik (einschl. Wehrpsycho logie). Rezeptierkurs. Medizin. Poliklinik. Menschl. Erblehre. Naturgemäße Heilmethoden. Kinder heilkunde. Sektionskurs. Klinik der Hals-, Nasen- und Ohrenkrankheiten. Augenklinik. Poliklinik der Zahn-, Mund- und Kieferkrankheiten. Berufs krankheiten. 10. Semester: Gerichtl. Medizin. Pathol. Physiologie. Geburts hilfl.-gynäkol. Visite. Chirurgisches Praktikum und Frakturen. Unfallheilkunde. Sozialversicherung. Poliklinik der Augenkrankheiten. Poliklinik der Hals-, Nasen-, Ohrenkrankheiten. Poliklinik der Hautkrankheiten. Orthopäd. Klinik. Rassen hygiene. Ärztl. Rechts- und Standeskunde. Wichtig ist der Einschnitt nach dem vierten Semester. Zu diesem Zeitpunkt legen die Mediziner die ärztliche Vorprüfung, das sogenannte Physikum, ab. Erst vom fünften Semester an kommen sie in den Kliniken mit kranken Menschen in Berüh- 8