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Lange. lange Jahre war er gar nicht silbern. Er war papieren und auf dem „Schein" aufgebaui, wie so vieles anderes in der bitteren Zeit des Krieges und der Inflation. Leit einigen Jahren kann man aber wieder mit Silbrr- niüiizen klimpern und sie am Silbernen Sonntag mit Freude aus die Zahltische der Geschäfte rollen lassem Der Tausch ist ia siir beide Teile überaus befriedigend. Mau gibt sein Silber gern für die viele Freude her, die damit zu erhandeln ist, denn, seien wir ehrlich, wir schenken ia nicht nur, um dem anderen eine Freude zu machen, sondern viel mehr, weil in i r s e l b st das Schenken als einen Genuß emp finden, der in der Vorfreude vielleicht am reinsten, im Augenblick des Schenkend aber am höchsten ist. Was das mit dem Silbernen Sonntag zu tun hat? Nun. er ist doch die erste große Vorstufe zu dem Fest des lichter, flimmernden Tannenbaums. An ihm quillt in uns schon all das auf. was eineinhalb Wochen später der Heilige Abend an Glück überströmt. Gold gaben wir einst für Eisen — fehl tauschen mir Silber gegen Freude. Die Genugtuung ist hier nicht kleiner PLcktzhen relG belade« als da. Mit der Silbrigkeit hapert'S aber dieses Jahr recht erheblich. Jetzt stecken mir schon mitten im Dezember, und der Himmel >owte sein meteorologischer Direktor Petrus scheinen wenig Neigung zu verspüren, unsere triste, blatler- iind blütenlose Welt mit einem weihen Mantel zuzudecken. Dafür tobt der Sturm um die Ecken und der Regen klatscht unangenehm ins Gesicht. Mag er toben. Er vermag doch nicht die Lichter auszu löschen, die schon jetzt überall brennen, auf den Straßen, in den Schaufenstern, aus den Adventskränzen und nicht zuletzt in unseren Herzen. Im Gegenteil. Der Lichter wer den immer mehr, und ihre Flammen wachsen. Die Tage bis Weihnachten zählen nicht mehr nach einein Dutzend und diese knappe Zeit muh auSgenntzt werden, um alles so glänzend zu gestalten, wie es unsere bescheidenen Kräfte zulassen. Bescheiden sind sie nämlich diesmal be sonders in finanzieller und wirtschaftlicher Beziehung. Haben Sie schon einen Bekannten gesehen, der nicht stöhnt ob dieser miserablen Zeiten? Sie stöhnen alle, obwohl sie seit 14 Jahren eingesehen haben könnten, dah es damit nicht besser wird. Wenn ne reckt genau einmal in die innersten Ecken ihres Herzens hineinlenchten wollten, würden sie alle, diese Zweifler und Verzweifelnden fest- stelle» können. wie reich der Vorrat an Hoffnungen und Erfüllungen noch ist. Aber ganz abwegig ist es mit dem Stöhnen doch nicht. Die vergangenen Wochen gerade haben uns gelehrt, wie be trüblich es überall aussieht. Kein Mensch, dem die schlechte wirtschaftliche Lage nicht persönlich fühlbar geworden wäre. Kein Kausmann, kein Angestellter, kein Industrieller, kein Arbeiter, der nicht seufzend seine Lage überblickt und ängst lich nach dem Silberstreifen am Horizont auslugt, auf den wir schon so lange warten und der auch an diesem Silbernen Sonntag nicht aus den grauen Wolken hcrausbltnken will. Aber mögen die Tannenbäume ein Licht weniger tragen und statt des Blaufuchses für die Hausfrau nur ein Seal- kanin aus dem Tisch liegen,' mag das Töchterchen mit einer weniger kostbaren Puppe vorlieb nehmen müssen, wie sein Herr Papa mit einer deutschen Zigarre, von der an Havanna nur das Deckblatt erinnert, die Freude wollen wir darum doch nicht abmagern lassen und nur mit Rohkost erhalten. Im Gegenteil, die Freude ist allein in der Lage» uns alles zu ersehen» was die wirtschaftlichen Verhältnisse an Aeuherltchketten ver wehren. Freude ist ja so billig zu haben. Sie erfordert nur ein bihchen guten Willen und Freude an der Freude. Mübe zu geben braucht man sich im Kreis der Familie beim Schein der brennenden Kerzen selbst dann nicht, wenn geschäftliche Sorgen das Herz bedrücken. Um die rechte Weihnachtssttmmung aufzubrtngen, empfiehlt sich dringend, am Silbernen Sonntag den Bummel nicht zu vergessen. Cs braucht ja nicht bloh ein Marinebummel zu fein, sonder - ei« regelrechter EinkausSgang. fFür den Laten die Erklärung: Marine --- Seeleute ^ gesprochen „See leute. Darunter tst die Gattung Publikum verstanden, die es mehr aufs Sehen als aufs Kaufen tn den Geschäften ab- legt.) Aber selbst wenn man nicht die Absicht hat, einzukaufen und diesem Vorsatz treu bleibt, wird man auf seine Kosten kommen. Es gibt unendlich viel zu sehen und zu bestaunen. Dresden hat sich trotz drS fehlenden Schnees tn «tn weihnachtliches Gewand geworfen. Von den Fassaden der großen Geschäftshäuser grüben überlebensgrobe Darstellungen von Märchenprinzen und Prinzessinnen, von Taiinenbäiiiiien und Eiszapfen. Dazwischen glitzert alles in Silber und Schmuck. Riesig sind die Buchstaben, ver- heisiungspv» ihr Inhalt, freundlich und verlockend. Alle Schatze dieser Welt werden angcprtesen und mit ihnen eine Auswahl der Geschenke, unter denen tatsächlich dt« Wahl schwer wird. Man windet sich tn Verlegenheit, denn der Herrlichkeiten sind zu viele, das, man tatsächlich nicht mehr wettz, was der Gattin oder dem Gatten, der Tochter oder dem Sohn«, Vater. Mutter. Braut und Freund am meisten Spab bereiten könnte. ES ist ein Labyrinth, in de« sich die Wünsch« verirr«, und wie trunkene Falter von einem zum anderen schwanken, ohne irgendwo auch wirklich verwetten zu können. Man forscht tn sich, was wohl von dem zu Beschenkenden im Laus der vergangenen Monate an Wünschen geäubert worden ist. Was? — Was? Das ist die dräuende Frage, aus die kaum eine Antwort zu finden ist. Hoffen Sie aber nicht» das, hier eine Kollektion beliebter Geschenkarttkel aufgezählt werden soll. Das wäre vergebliches Bemühen und würde den Rahmen dieser Sette sprengen. Und zum Scklub könnte alle Mühe doch umsonst gewesen sein, denn gerade das Vc- sondere, das Sie suchen, wäre nicht dabei. Aber ein Tip kann nichts schaden. Schenken Sie etwas, von dem Sie sich mit Gewischeit vorstellen können, das, es Ihnen und dem Beschenkten Freude macht. Schenken Sie nichts, von dem kein vernünftiger Gebranch gemacht werden kann. ES hat keinen Sinn, einem Musiker von Passion ein Gram- uwphvn zu schenken, wenn er nur sei» Klavier oder seine Geige gelten lässt. Eine Geige für einen vollkommen un musikalischen Sprötzling hat ebenso ihren Zweck verfehlt. Und was soll Ihre Gattin mit einem Stoff anfaugcn, der nickt ihrem Geschmack entspricht oder für ein modernes Gefell- schaitskleid mit langem Rock ein halbes Meter zu klein tst. U e b c r r a s ch u u g e n sind eine sehr nette Angelegenheit »ud bereiten einem selbst unheimlich viel Vorfreude. Aber wie bitter wird man aus allen Himmeln gerissen, wenn der freudige Ausbruch bet der Ueberreichung der Ueberraschung ausblcibt. Wenn Sie also mit dem besten Willen auf keinen vernünftigen Gedanken kommen können, dann berichten Sie Ihre Not ungeschminkt und lassen sich einen Wunschzettel auSstelle». Die Furcht, dab die Auswahl zu gering tst und daS Geschenk im voraus erraten werden könnte, tst zumindest bei einer Frau verfehlt. Der Wunschzettel wird länger sein, als Sie begreifen und mit Ihrer Börse begleichen können. Für ganz Raffinierte fei ein Rezept verraten, das seine Wirkung nie verfehlt: Ein Bummel am Silbernen Sonntag. Nehmen Sie die Gattin oder den Gatten tn den Arm und wandern Sie durch die Prager Strabe, über den Alt markt, durch die Wilsdruffer-, Johann-, Schloß-, Wettiner-, Pillnitzer, Grunaer Straße und die vielen, vielen anderen straften der Altstadt und Neustadt, tn denen sich ein ge schmücktes Ladcnscnstcr neben das andere reiht. Mit krimina listischem Scharfsinn vorzugchen und das Gewünschte zu er fahren, ist dabei wirklich nicht schwer. Die Ahs und Ohs, die vielen Ausbrüche der Bewunderung und des Verlangens werden Ihnen den rechten Weg weisen. Wie dieser Bummel äußerlich wirken wirb, davon hat der verflossene Kupferne Sonntag schon einen leichten Vorgeschmack gegeben. Die Straßen -er Innenstadt waren erfüllt von einer wogenden Menschenmenge, die nach vielen, vielen Zehntausenden zählte. Wie wird es erst am Silbernen Sonntag sein? Die Schupo kann getrost die Zahl der Verkchrsreglerpostcn, die schon vor acht Tagen mehrere Dutzend betrug, noch weiter vermehren. ArbettSmangel wird nirgends cintretcn. In dichten, ununterbrochenen Reihen wandert die Menge langsam vorwärts. Da tst kein Hasten und Jagen wie zu Zetten normalen Großstadtverkehrs, keine Flucht ans dem Häusermcer. das an Sonntagen die Städte öder als das platte Land erscheinen läßt. Am Vismarckdcnkmal steht der riesige Tannen- bäum im Schmuck seiner Lichter. Er leuchtet in die Herzen hinein, die erfüllt sind mit großer Weichheit. ES liegt über dieser riesigen Menschenmenge eine seltsame Stimmung, die nicht leicht definiert werden kann. Man wird selbst so fort davon angesteckt und erliegt dem Eindruck ganz suggestiv. Es tst eine Mischung von Freude und Frohlocken, von Weihnachtszauber und Famtlienglück, von Liebe zu den Angehörigen und allen anderen Menschen. Das ttbertäubt auch alle praktischen Erwägungen und läßt sie ausklingen tn eine stille Zufriedenheit, bet der Sorgen und schwere Ge danken unerbetene Gäste sind, die schleunigst wieder entlasten werden. Leichtsinn tst gewiß nicht das Resultat des Ganzen, aber so ein kleiner Schuß prickelnder Einkaufs- un geduld entsteht doch überall, die nicht immer sorgsam und bedächtig Könne« ««d Wolle» gegeneinander abwägt. Man sieht in aller Menschen Augen die Augen des Gatten oder der Kinder und ist beglückt bet dem Gedanken, daß in wenigen Tagen die Geschenke auch tm eigenen Heim die Augen Heller aufleuchten lasten. DaS ganze Jahr über hat man seinen Sorgen und Geschäften gelebt, mögen sie Weih- nachten zu Teufel gehen und dem Knecht Ruprecht und setnen Helfern den Play räumen. Weihnachtssttmmung am Silbernen Sonntag — wundersame Weihnachtsstim mung, die fast noch herrlicher ist als die am Heiligen Abend, denn das Plänemachen und Ausmalcn zukünftiger Freuden ist doch das Schönste dieser ganzen Weihnachtszeit... Die Sinder leben anderen Erwartungen. Sie stehe« mit heißen Bäckchen vor den Schaufenstern und drücken ihre Nasen platt, um ja nichts von den Herrlichkeiten zu verlieren, die vor ihnen aus- gebrettet sind. Bet ihnen hat die Modernisierung, will sagen, die Technisierung unserer Zeit Halt gemacht, mehr noch als bei den Erwachsenen, wenn es sich um Weihnacht handelt. Das tst für sie ein wett gewichtigerer Höhepunkt des JahreS, als die großen Ferien. Da sind die Wünsche und Hoffnungen bis zum Bersten gespannt und die Herzchen tanze« einen hurtigen Schlag. DaS LH-isUin- und Knecht Ruprecht werden ihnen helfen, die Wünsche »« erfülle». Sollten sie am Heiligen Abend das eine oder andere doch vergessen haben, so tut das nichts. Die Freude über das wirklich Geschenkte überwiegt alle anderen Gedanke». Kaum eine Straße, in der jetzt oder doch wenigste»- t, den nächsten Tagen Ehrt st bäum« nicht zu haben find. Dunkel und geheimnisvoll stehen die Tannen smügen r» auch Fichten sein, so bleiben es dvch für uns Tannen) und träumen von dem Tage, an dein sie der Mittelpunkt einer Menschen- famtlte sein werden. Geschenke in Ehren, der Lhristbaum ist doch da» Symbol deutscher Weihnacht. Ohne ihn würden die schönsten Geschenke glanzlos blekve». Der Kauf eines Chrlstbaumes wird immer mit der größten Sorgfalt getätigt, die säst noch größer ist al» die beim Einkauf viel wertvollerer Geschenke. Man dreht «nd wendet ihn «ach alle« Seite«, btegt die Zweige herab, um den Wuchs kennenzulerne«. sieht kritisch die Spitze auf ihre untadelig gerade Haltung, die Fülle der Nadeln, die Größe deS ganzen Baumes, seinen Umfang. Dabei werden Betrachtungen darüber angestrllt, ivie er sich zu Hause wohl ausnehmen würde, ob er auch der Höhe -es Zimmers entspricht, ob er auf einem Tisch oder dem Boden stehen soll. Das alles tst höchst wichtig, viel wich- tiger als der Preis, nach dem man sich meist erst hinterher erkundigt. Der Ehristbaumhändler tst zudem ein besonders angenehmer Mann, denn ihm kann sogar bisweilen 1 Mark oder doch wenigstens eine halbe abgehanüelt werden, waS i» den Geschäften nicht zu machen ist. Die gnädige Frau trägt ihren Ehristbaum ebenso gern wie der Herr Gemahl. Da macht seine Größe und Unhand, lichkeit nicht viel aus. Die kleine Mühe wird tausendfach ausgewogen. Für die Pakete und Paketchen mit den Ge- schenken gilt das nicht weniger. An dünnen Schnüren bau meln die kleinen an Arm. Hand und Fingern. Die größere» werden unter den Arm gesteckt. Schicken läßt man sich die Geschenke nicht immer gern, denn wie leicht könnten zu Hause unberufene Augen etwas von dem Inhalt erspähen, und das wäre dvch nicht auszudcnken. Also selbst den Gepäck» träger gemacht. verstaueu lasse» sich zwanzig Vaketche« ebeusognt n»i« »ereo drei. Beweis: Die Damen und Herren am Silbernen Sonntag. Manchmal sieht es ganz gefährlich aus. aber beruhige« Sie sich, es geht alles gut und die Last tst gar nicht so groß, denn die Freude Hilst tragen. Ueber der Freude und -er Stimmung und den Ge schenken wird eine Angelegenheit von höchster praktischer Be deutung nicht vergessen: Der Festtagsbraten. Die ManS hält den Rekord. Ihr folgen in knappem Abstand Hasen, Fasanen, Tauben. Truthühner und all die Schlachttiere, die uns das ganze Jahr über ernähren. Gänse gibt's in unheimlichen Mengen. Die Zahl der Hasen ist dagegen sehr zusammengeschrumpft, wenn wir das vergangene Jahr als Vergleich hcranzichen. Der harte Winter hat sie stark dezimiert. Ihr Verlust durch Frost und Hunger wird in Sachsen allein auf LöllM ge- schätzt. Dazu kommt der Ausfall des ersten Satzes. Au» das Ausland, vor allem Ungarn, beliefert uns diesmal aus den gleichen Gründen weit geringer. Und dabei ist ein Hasenbraten dvch etwas so Ausgezeichnetes. Schade um de» *W«r dt« Wahl hat... Ausfall tn diesem Jahr. ES bleibt aber die Hoffnung ans bas kommende. Uebrigens noch ein Ltp, diesmal zu», Hasenbraten. Kochen «te Apfelkompott dazu und essen Sie es vom gleichen Teller wie das Fleisch von Meister Lampe. Es schmeckt unvergletchltch, so baß nicht zu verstehe» ist, warum sich Mitteldeutschland diese Erfahrung aller Nord-, West- und Süddeutschen noch nicht zunutze gemacht hat. Wild können Sie übrigens am Silbernen Sonntag schon etnkaufen. Der Hautgout wirb durch einiges Hängen erzielt und gilt bet den meisten als besondere Deli- katesje. DaS tst der Silberne Sonntag mit setnen Menschen, Läden, Schaufenster, WethnachtSbäumcn und seiner — Sttm- mung. Ihn auszuschüpfen ist unmöglich. Nutzen Sie diese einmalige Möglichkeit tm ganzen Jahr zum „Marine"- oder Einkaufsbummel. Der Erfolg ist tn seelischer wie materieller Hinsicht gleich groß und wird Sie nie reuen. 8. 8.