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Wochenblatt Fernsprecher: für Amt Siegmar Nr. 244. Reilhkllbraild, Siegmar, Neustadt, Ravenstein und Rottluff. Sonnabend, den 1. Mai 1909. Erscheint jeden Sonnabend nachmittags. Anzeigen werdm in der Expedirion Meichenbrand, Nevoigtstraße 11). sowie von den Herren Friseur Weber in Reichenbrand und Kaufmann Emil Winter in Rabenstein entgegengenommen und pro Ispaltige Petttzeile mit 10 Psg. berechnet. Für Inserate größeren Umfangs und bei öfteren Wiederholungen wird entsprechender Rabatt, jedoch nur nach vorheriger Vereinbarung, bewilligt. Anzeigeo-Aunahme in der Expedition bis spätestens Freitags nachmittags 3 Uhr, bei den Annahmestellen bis nachmittags 2 Uhr. VereinSivscrate müssen bis Freitags nachmittags 2 Uhr eingegangen sein und können nicht durch Telephon aufgegeben werden. Bekanntmachung. Am 30. April dieses Jahres ist der 1. Termin der diesjährigen Einkommen- und Erganzungs- steuer fällig und ist spätestens bis zum 2l. Mai dieses Jahres bei Vermeidung des Mahn- bezw. Zwangsvollstreckungsverfahrens an die hiesige Ortssteuereinnahme zu entrichten. Reichenbrand, am 29. April 1909. Der Gemcindevorstand. Vogel. Bekanntmachung. Am 30. April 1909 war der 1. Termin Einkommen- und Erganzungssteuer fällig. Diese Steuer ist spätestens bis zum 21. Mai 1909 an die hiesige Ortssteuereinnahmc abzuführen. Nach Ablauf dieser Frist wird gegen die Säumigen das Mahn- bezw. Zwangsvollstreckungsver fahren eingeleitet. Der Gemcindevorstand zu Rabcnstcin, am l, Mai IM. Meldungen im Fundamt Rabcnstein. Gesunden: l Paket Saiten. Berlor-n: l Füllfederhalter. Der Gemcindevorstand zu Nabcnstcin, am 3». April tSüS Volkslnbliothek Rabenstein. I,n Sommerhalbjahre findet die Ausgabe der Bücher nicht mehr Sonntags von */r11—12 Uhr, sondern nur noch an jjedem Montage von 5—'/«7 Uhr nachmittags statt. Diese Einrichtung beginnt mit Monat Mai. Die nächste Bücherausgabe kann also den 3. Mai erfolgen. Während der Schulferien ist die Bibliothek geschlossen. Rabenstein, am 29. April 1909. Hartmann, Bücherwart. Bekanntmachung. Am 30. dieses Monats ist der 1. Termin der staatlichen Einkommen- und Erganzungs steuer fällig. Derselbe ist bis spätestens zum 21. Mai 1909 an die hiesige Ortssteuereinnahme abzuführen. Neustadt, am 28. April 1909. Der Gemcindevorstand. Geißler. Die Sparkasse zu Neustadt Bericht über Sitzungen des Gemcinderates zn Rottluff vom S. April IMS. ^Vors.: Gem.-Vorst. Geißler. Gemeinde. 2. Die von der Chemnitzer Düngerabfuhr-Gesellschaft nachgesuchte Genehmigung zur Abfuhr der Fäkalien aus dem Bassine im Monate schluß gefaßt. 6. Punkt eignet sich nicht zur Veröffentlichung. Versassungs-AusschussezurPrüftlngundBerichterstattungzrUiberweiscn. 3. Die Vorschläge des Finanz- und Verfassungsausschusses. Be setzung der Straßenarbeiter- rc. Stelle betr., und zwar Vorladung wird zum Beschluß erhoben. 4. Auf eine Anzahl Gemeindeanlagen-Neklamattonen wird Ent schließung gefaßt. ^ 5. Zu der Rücknahme der widerruflich erteilten^Genehmigung zur Vom 18. April 1909. Vors.: Gem.-Dorst. Geißler. ^ Vertliches. 1909:^3776. Im^April wurden 92 Zuzüge mit einer Personenzahl 14 gemeldet. Rabenstein. Heute, am 1. Mai 1909, feiert unser verdienstvoller Gemeindekassierer und Feldzugsteilnehmer von 1870/71, HerrFr i edrich Schiefer, sein 25jähriges Dienst-Jubiläum. Vom 1. Mai 1884 bis den 1. Oktober^1897 war Herr Schiefer Gemeindevorstand in Ober- rabenstein. Dem Jubilar wurde heute früh bei dem Antritt seines Dienstes vom Gemeindevorstand und der Kollegenschast, die herzlichsten Glück- und Segenswünsche dargebracht und außer Blumenspenden, eine goldene Uhr vom Gemeinderat und eine dergleichen Kette mit entsprechender Widmung von den Kollegen als Geschenke in feierlicher Weise überreicht. Möge es Herrn Schiefer, der auch unter schwierigen Verhältnissen seines Amtes stets in Treue und Gewissenhaftigkeit gewaltet hat, und dessen Verdienste im Vorjahr durch eine allerhöchste Auszeichnung 4840. 2m April wurden 123 Zuzüge mit einer Personenzahl von 157 und 65 Fortzüge mit einer Personenzahl von 93 gemeldet, sodaß die derzeitige Einwohnerzahl unter Zurechnung von 13 Geburts- und Bernhard von der Siche. Zn ihrer Eitelkeit taxierte Herta ihr allerdings recht hübsches Talent zn hoch; sie war überzeugt, daß sie cs zu Ruhm und Ehre bringen mußte. Bisher hatte sie ja ganz gute Stunden gehabt, wenn sie erst sich in München aus- liildcte, dann — sie schloß die Augen. Goldene Visionen zogen an ihrem Geist vorüber; sie dachte nicht mehr an den Mann, der sie so treu und aufrichtig liebte. Im grauen Dämmern des Morgens kam die Reisende auf dem Friedrichbahnhof in Berlin an. Sic fühlte sich müde und zerschlagen. Der Zug nach Liebenau ging erst in einer Stunde. Herta setzte sich in den Wartesaal und bestellte Kaffee. „Bist du es wirklich?" redete eine Stimme sie an und eine etwas auffallend ausschende junge Dame trat auf sie zu. Sie trug einen langen, erbsgruncn Automobilmantcl, ans dem Kopf eine karrierte Mütze, unter der rotbraunes, lässig frisiertes Haar hervorqnoll. Ihre übergroße hagere Gestalt entbehrte jeder Anmut und hielt sich schlecht; die Hellen Augen unter den starken Brauen wurden von einem Kneifer bedeckt. „Thea, wo kommst du her?" rief Herta überrascht. „Direkt aus der Jsarstadt, aus München, ich habe dort das letzte Jahr studiert. „Ach, das interessiert mich aber, erzähle, erzähle!" rief Herta. Thea Schönhausen setzte sich zu ihr. Sic fing lebhaft zu sprechen an und schilderte in leuchtenden Farben das Leben auf der Akademie, die Freiheit des Verkehrs unter den Malern und Malerinnen. Ihre eigene Person war bei allem im Vordergründe; sie sprach von ihrem Können wie von etwas Großem. Herta hörte mit Neid zu. Ja, was fehlte der Schul freundin! Sie konnte sich nach ihrer Neigung ausleben. Dieses Schlagwort der Zeit hatte für das junge Mädchen, das in abhängiger Stellung lebte, etwas geradezu Berauschen des. Daß Thea Schönhausen eine Zigarette rauchte, daß ihre Finger die schlecht entfernten Farbenspuren trugen, be rührte Herta allerdings peinlich, aber schließlich dürfte man sich nicht an solchen Aeußerlichkeiten stoßen, wo es sich um idealere Zwecke handelte. Daß die moderne realistische Rich tung oft das Ideal in den Staub zog, daran dachte Herta nicht. Mit brennendem Interesse lauschte sie, ein tiefer Seufzer hob ihre Brust. „Wann kommst du nach München?" fragte Thea endlich. „Vielleicht bald," entgegnete Herta, der es in allen Gliedern vor Sehnsucht prikelic, das schöne freieLeben in der bayerischen Hauptstadt kennen zu lernen. O gewiß, es würde gehen. Der Vater würde es möglich machen, ihre Bilder würden gefallen und schnell Käufer finden. — „Na, das wirdauich ^uen," sagte die Malerin. „Wenn du Rat und Auskunft brauchst, so wende dich an mich, Färbergraben 35. Ich kehre bald dorthin zurück. Ich be suchte nur hier meine Alten und mache heute eine Studien reise nach Thüringen. Du weißt doch, ich male Landschaften." Herta notierte sich die Adresse. Bald daraus ging der Zug ab. Tbca begleitete sie auf den Bahnsteig und schüttelte ihr mit weitwcggcstrccktcm Ellbogen die Hand. Noch ganz von dieser Begegnung erfüllt, reiste Herta weiter. Es war hell geworden. Allmählich änderte sich die um Berlin reizlose Gegend, die Höhenzüge des Harzes nahmen das Auge gefangen. So von den Strahlen der unlergehendcn Sonne beleuchtet, bot sich hier ein entzückendes Bild dar. „Wer das ans der Leinwand festhalten könnte!" dachte Herta. „Wer diese Tinten wicderzugeben verstünde, der wäre ein großer Künstler. O, wenn ich es doch erreichte!" Liebenau näherte sich. Eine quälende Unruhe hatte sich des jungen Mädchens bemächtigt. Sie stand am Ende des Wagenabteils und sehnte das Ende der Reise herbei. War es die Erregung, in die ihre Zukunftspläne sie versetzten, war es eine sie plötzlich packende Ahnung, daß es zu Hause doch ernster stand, als sie glaubte, — sie fühlte ihr Herz bange pochen. Als der Zug hielt, erblickte sie ihren Bruder; er war ihr entgcgcngekommcn. Wie feierlich er aussah. Und mit einem Male wußte sie es: sie war zu spät gekommen. Noch che Bernhard es ihr sagte, erriet sie cs, ihr Vater war nicht mehr am Leben. Schwer stützte sie sich ans den Arm des Bruders. In diesem Augenblick erzitterte ihr ganzes Sein; das schwache Weib brauchte eine Stütze, um nicht zusammenzubrechen. * q- * Es war ein sehr kleines Gefolge, das den alten Soldaten zu Grabe geleitete. Fern von der geliebten Lebensgefährtin ruhte er in der Erde. Die drei Kinder gingen hinter dem Sarge her, auf dem die militärischen Abzeichen ruhten. Ines hatte den Arm des Bruders genommen; sie war dem Zu- sammenstnken nahe. Ihr weiches, junges Gemüt war zer malmt von der Wucht des Schmerzes. In ihren tiefen Trauergewändern sah sie noch schmäler und kindlicher aus. Herta war an der Leiche des Vaters niedergesunken. Ihre dunklen Augen brannten, aber keine Träne feuchtete sic in diesem ersten Moment heißen Wehes. Schwer nur fand sie die erlösende Erquickung der Tränen. Major von der Eiche war in der Nacht gestorben, als seine älteste Tochter in der Eisenbahn saß iund ihre ehrgeizigen Pläne spann. Der Sohn und sein kleiner Liebling hatten bei ihm gewacht und seine müden Augen geschloffen. Es schien, als sei die Lebenskraft des alten Mannes zusammen gebrochen, nachdem er am ersten Tage der Ankunft Bernhards die Enthüllung gemacht, die ihn schon lange gequält hatte. Von da an ging es sehr schnell abwärts. „Ines," sagte Bernhard in der ernsten Stunde, in der der Todesengel über die Schwelle getreten war, „ich will dir Vater und Schutz werden, mein Kleines. Wo ich meine Heimat habe, ist fortan auch die deine."