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Auch Peter könnt' de» Ausruf tun, — er mußt' so lange nicht zu ruh'», — bis er, mit seinem Volk versöhnt, — nun doch noch wurde stolz gekrönt! — Biel Neider hat er deshalb nicht, — und selbst mein Dichterhcrze spricht: — „Den Wackelthron ich nicht besteig', — bleib lieber Frohlieb Schmerzensreich. Rechte des Herzens. Original-Erzählung von Irene v. Hellmuth, ll. Fortsetzung» Noch einmal grüßte der Sohn zurück, dann schritt er eilig die Straße hinab, dem Bahnhof zu. Die alte Dame stand noch ein Weilchen und sah der großen, schlank gewachsenen Gestalt des Sohnes mit leuchtenden Augen nach. Er war ihr Stolz und ihre Freude. Man konnte es der Mutter auch nicht ver denken, daß sie stolz war ans diesen Sohn. Scho» seine Erscheinung berechtigte sie dazu. Dabei besaß er ei» Herz, dui> voll inniger Lieb- und Verehrung an den Eltern hing, und sie hochhielt, wie selten einer. Immer galt ihm die geliebte Mutter als Vorbild, sic war für ihn der Inbegriff aller weibliche» Tugenden. Als die hohe Gestalt des jungen Mannes um die nächste Straßenecke verschwand, wandte sich die Mutter und schritt nachdenklich den Weg zurück, de» sie gekommen. Kurze Zeit darauf trat sie bei dem Gatten ein, der sic voll Ungeduld zu erwarte» schien. „Na, das hat aber ziemlich lange gedauert," rief er. „ES war wohl ein recht schwerer Abschied was, Minna? Tröste Dich, in acht Tagen reisen wir, dann hast Du Deinen geliebten Hans ja wieder." Der Sprechende ging, wie es seine Gewohnheit war, langsam im Zimmer auf und ab. Er stützte sich dabei auf einen schweren Stock, den ein silberner Griff zierte, und schleppte das rechte Bein ein klein wenig nach. Doch merkte inan es seiner Haltung an, daß auch er ehemals dem Soldatenstande angehörte. Er hatte als Major den Abschied nehmen müssen, weil ihn ein steifes Bein an der Ausübung seiner Pflicht hinderte. Er zog sich dann auf das von den Eltern ererbte Gut zurück. Sei» Zustand besserte sich zwar Dank den Bemühungen der geschickteste» Acrzte wieder, aber Major Freiwald hatte inzwischen das stille, ruhige Leben so lieb gewonnen, daß er sich nicht mehr zurucksehnte »ach der Garnison. Während er nun an dem marttalischen Schnurr bart drehte, fuhr er neckend fort: „Ihr hattet Euch wohl noch viel zu sagen, Du und Dein Hans? Ich kann es mir denken. Acht Tage ist auch eine schreck lich lange Zeit, nicht wahr, Minna? Aber die vor geschriebenen sechs Wochen müssen wir doch hier aus- halten." Er trat zu ihr und legte ihr den Finger unter das Kinn, um den gesenkten Kops in die Hohe heben und ihr In die Augen scheu zu können. „Du weinst wohl gar?" fragte er lächelnd und doch zärtlich. „Nein, — o uein l" cntgegnetc die Gattin hastig, und holte das in der Ecke lehnende Schachbrett, sowie ein Kästchen mit den Figuren herbei. „Wollen wir nun spielen, Erich?" „Hin," machte der Gefragte achselzuckend, „ich denke Du bist heute eine etwas zerstreute Partnerin, und ich hätte Dich wahrscheinlich bald matt gesetzt. Wir wollen die Partie lieber auf ein andermal ver schieben. Offen gestanden, ich möchte gerne ein wenig hinaus, eS — gefällt mir heute nicht zu Hause, um so weniger, als man nun schon zwei bis drei Tage zwischen seinen vier Wänden sitzt. Ich denke, das Wetter hellt sich ein wenig auf. Bis zu der alten Kapelle komme» wir auf jede» Fall. Begleitest Du mich?" Die Gattin ging freudig auf den Vorschlag ein, er schien ihr sehr willkommen zu sein. „Gewiß, sehr gern," erwiderte sie rasch und holte eilfertig das Nötige herbei, um sich zum Ausgehcn fertig zu machen. „Leichtsinnige Frau," schalt der Gatte gutmütig, „willst Dich wohl erkälten? Da oben auf dem Berge weht ein scharfer Wind. Auf keinen Fall werde Ich dulden, daß Du in dem dünnen Zeug gehst! Warte, ich hole Dir Dein warmes Cape." Frau Minna lächelte Uber die Fürsorge des Gatten. Rüstig schritte» die beiden Alten den ziemlich steil emporführcuden Weg dahin. Wirklich hatte der Regen aufgehört, hie und da teilten sich sogar die schweren, grauen Wolkenmassen, und ließen ein kleines Stückchen Himmelsblau hindurchschen. Die alte Kapelle bestand nur »och aus grauem, verfallenden Gemäuer, das im Laufe der Jahre mehr und mehr in sich znsammen- sank, da sich keine Hand fand, die dem Ruin Einhalt gebot. Durch die gewölbten Bogen, von denen nur noch die steinerne Umfassung stand, strich der herbst liche Wind, das Dach war langst zerfallen, der Regen konnte ungehindert cindringen. Wilder Epheu wucherte hier üppig, er drang sogar durch die hohe Fenster Wölbung, die längst keine einzige Scheibe mehr aus zuwcijcu hatte, tu das Innere und schwang sich kühn hinüber an das Geländer der steinernen Treppe, die wohl ehemals zur Kanzel hinausführte. Diese selbst war ebenfalls verschwunden. Ein runder, plump zu gehauener Stein befand sich in der Mitte, in dessen ausgehöhlter Vertiefung sich von dem Regen der letzten Tage schmutziges Wasser «»gesammelt hatte. s der alte Major mit seiner Gattin oben an langte, begann bereits allmählich die Dämmerung herabzustnkcn. Frau Minna nahm aufatmend ihr Kleid zusammen, da es an dem dornigen Gestrüpp hängen blieb, und setzte sich auf das Keine moosbewachsene Bänkchen, welches vor der Kapelle stand. ES war Immer ihr LicblingSplätzchen gewesen. „Wir dürfen uns hier nicht lange aufhalten," mahnte der Gatte, „es ist zu kühl, und ich glaube, cs regnet schon wieder." „Nur einen Augenblick will ich hier verschnaufen, der Weg hat mich heute sehr müde geinacht, weil er Weg schlüpfrig war," entgegnet die alte Dame. Erich Freiwald nickte zustlmmend. Er betrachtete aufmerksam die umliegende» Berge, die in Nebelwogen fast verschwanden. Tiefe, traumhafte Stille herrschte ringsum, nur unterbrochen von dem Geschrei vorüber- strcichender Krähen und dem leisen Raunen und Tropfen zwischen den uralten Bäumen, welche die Kapelle wie treue Wächter umstanden. Um sich bei dem ziemlich naßkalten Wetter ein wenig Bewegung zu machen, unternahm der alte Herr einen kleine» Rundgang um die malerisch gelegene Ruine, und als er nach Verlauf einiger Minuten wieder zu seiner Gattin zurllckkchrte, fand er diese in großer Erregung. „Still," rief sie, „hier in der Kapelle muß jemand sein, ich hörte deutlich einen schluchzenden Laut I Wie ei» Stöhne» klang es! — Gewiß ist es ein Unglück licher, vielleicht ein Kranker, der unserer Hilfe bedarf! Bitte, laß uns einmal Nachsehen, lieber Erich!" Die alte Dame sprudelte das alles so rasch und leise hervor, daß der Gatte den Sinn der Rede mehr erriet, als verstand. Ein; Weile lauschten die Beiden angestrengt und fast atemlos. „Sollte ich mich doch getäuscht haben?" murmelte Frau Minna zweifelnd. In diesem Augenblick vernahmen die Lauschenden ein tiefes, wehes Ausschluchzen. Rasch entschlossen eilte der alte Major über das Gestrüpp hinweg, welches üppig vor dem Eingang wucherte und stand gleich darauf in dem halbdunklen Raum, wo schon dämmerige Schatten lagerten. Näherkommend gewahrte er eine weibliche Gestalt, die den Kopf in beide Hände ver graben, bitterlich'schluchzend, auf' dm 'alten, aus getretenen, feuchten Sandstcinstufen saß und nichts um sich her wahrzunehmen schien. Freiwald warf seiner ihm nachfolgenden Gattin einen halb fragenden Blick zu, dann faßte er die Weinende sanft an der Schulter. Diese hob de» Kopf und schaute verwirrt auf die vor ihr Stehenden. „Um Gotteswillen, das ist ja die kleine Anny Reutter, rief Frau Minna, die Hände zusammen schlagend. Das Mädchen mochte etwa fünfzehn Jahre zählen Sie waren demselben bei Spaziergängen öfters begegnet, und da ihnen die auffallend hübsche Kleine mit dem krausen, Hellen Blondhaar, den schönen, kindlich un schuldig blickenden Blauaugen schon bei der ersten Begegnung ganz besonders gut gefiel, knüpften sie bei jeder paffenden Gelegenheit ein Gespräch mit ihr an. Anfangs zeigte sich Anny ein wenig schüchtern, doch nach und nach wurde sie zutraulich und erzählte, daß sie ein Waise sei und bei ihrer Tante, einer in ärm lichen Verhältnissen lebenden Witwe, Unterkunft gesunden habe. Die Tante war eine ziemlich rohe, ungebildete Person, die eS den: Kinde täglich vorsagte, daß es das Gnadenbrot bet ihr aß, daß eS überhaupt ein ganz unnützes Ding sei. lls nun Krau Minna das Mädchen, mit dem sie sich in Gedanken sehr viel beschäftigte, so unver mutet hier traf, da erwachte in ihrem guten Herzen das Mitleid mit dem armen, verlassenen Kinde. Liebe voll beugte sie sich zu der Schluchzende» nieder. „Aber Anny," begann sie weich, und versuchte das Mädchen cmporzuziehen, „Du wirst Dich erkälten auf diesen feuchten Steinen, was hat eS denn wieder gegeben, daß Du so schrecklich weinst? Sprich doch, — kennst Du mich denn nicht?" — ES erfolgte keine Antwort. Nur noch heftiger schluchzte das Mädchen. „Vertraue unS doch Deinen Kummer an, liebe» Kind, vielleicht können wir Dir helfen," bat Frau Minna eindringlich^ Anny schüttelte den Kopf. „Mir kann niemand helfen. ES wäre am besten, der liebe Gott nähme mich zu sich in den Himmel. Dann könnte ich doch bet meinem guten Väterchen sein. Er hatte mich so lieb, und konnte mir das antun, konnte mich ganz allein zurücklassen auf dieser öden, kalten, erbarmungslosen Welt, wo ich überall herumgestoßen werde, und überall zuviel bin! — hätte er mich doch mitgenommen, dann brauchte ü meiner Tante und ihren Kindern nicht das Brot weg zuessen, wie sie immer sagt!" Das Mädchen hatte das alles unter heftigem Schluchzen hervorgestoße», und vergrub dann wiederum den Kopf in den Händen. Ratlos blickte Frau Minna auf die Weinende. Sie hätte so gern geholfen, und wußte doch nicht recht, wie sie eS anpacken sollte. Ob hier mit Geld etwas zu mache» war? Oh sic dem Mädchen etwas anbieten Zollte? „Deine Tante hat wohl wenig zum Leben?" fragte ie aus diesen Gedanken heraus. „O. Im Sommer, wo sie Zimmer an die fremden Herrschaften vermietet, da geht es immer ganz gut," erwiderte Anny. „Aber wenn dieser Verdienst aus bleibt, dann werden die Mittel etwas knapp, und die Tante Ist da immer so sehr mürrisch und zänkisch. Sie füttert ihre Kinder und mich oft tagelang nur mit trockenem Brot, und auch davon bekommen wir nicht genug. Sic ist eben entsetzlich geizig, denn so arm Ist sie gar nicht, daß sie nicht satt zu essen hätte. Als vorige Woche die Herrschaften, die bei uns gewohnt, «dreisten, da wußte ich schon, daß nun das elende Leben wieder angehen wird, lind schlimmer wie jetzt war eS noch nie! Ich kann dieses Leben nicht länger mehr ertragen, kann cs nicht mehr täglich mit anhören, daß ich ein Bettelmädcheu, ein unnützes Ding bin, dos verhungern müßte, wenn man mich nicht fütterte! Heute hat die schreckliche Frau mich sogar geschlagen, ich glaube, sie wußte selbst nicht warum!" Ein erneuter Tränenstrom folgte diesen Worten. „Armes, liebes Kind," sagte der alte Herr teil nehmend und streichelte liebkosend und mitleidig die krausen blonden Haare des Mädchens. Fortsetzung folgt. Nachrichten deSK.StandeSamtcs zu Reichenbrand vom S4. VIS »«». September 1»«»4. Geburten: Dem Former Max Adolf Gronpnrr in Siegmar 1 Mädchen; dem Schlosser Richard Mar MattheS ln Relchen- brand I Mädchen; dem Fabrikant Rudolf Ewald Lasch in Reichenbrand I Knabe; dem Fabrikarbeiter Guflav Adolf Uhle in Reichenbrand l Mädchen; dem Bureauajssstent Karl Friedrich Gerber in Siegmar l Mädchen. Aufgebote: Der Stricker Ernst Louii Spindler mit Jda Selma Kaden, beide in Reichenbrand; der Waldarbeiter Oskar Reinhard Kieditzsch in Reichenbrand mit Lina Elara Selig in Rabensteln (Staatsforstrevier». Eheschlleßllugeo; Bakat. Sterbefälle: Dem Wagenführer Ernst Emil Schneider in Siegmar I Sohn, 2 Jahre alt. chrpeditionszeit des Standesamtes. Wochentags: 8—12 Uhr vorm, und 2—8 Uhr nachm. Sonntag»: >/,I2—12 Uhr vorm, upr zur Entgegennahme vgn fkotgeburtSaureiLe». Nachrichten des Kgl. Standesamtes Ravenstein vom »4. bis.1«». September IUN4. Geburten: I Sohn dem Kaufmann Will» Hermann Sonntag in Rabenstein; dem Hilfsweichensteller Carl Bernhard Reichel in Rabenst«in. l Tochter dem Fabrikarbeiter Otto Karl Tetzner in Rabensteln; dem ans. Maschinenwärter Ovkär Hermann ErusiuS in Rabenstein: dem Karussellbesitzer Karl Richard Hähnel, vorübergehend in Nabcnstcin. Eheaufgebote r Der Gußputzer Paul Richard Wächtler mit Auguste Marie Wolf, beide in Rottluff: der Kaufmann Johannes Paul Vogel in Mülsen St. Niclas mit Linda Frieda Günther in Rottluff. Ehefchliehunaen: Der Konditor Max Clemens mit Klara Frieda Gerschler, beide in Rabenstein; der Lehrer Friedrich Hermann Meyer in Linda bei Brand mit Liddy Selma Neubert in Rabenstein; der Geschirrführer Karl Franz Find» eisen mit Johanne Bertha Emma verw. Hofmanu gcb. Jenke, beide in Rabenstein; der Gutsbesitzer Emil Richard Gersten berger mit Alma Elsa Müller, beide in Rottluff. Gterbefälle: Keine. Zusammen: K Geburten und zwar 2 männl. und 3 weibl. 2 Ebeaufgebote. 4 Eheschließungen. — Sterbefall. H-schäftszeit. Wochentag»: 8—12 Uhr vorm, und 2—8 Uhr nachm. Sonntag»: II—12 Uhr vorm. »ur zur Entgegennahme von rotgebnrtSanjelgc». Kirchliche Nachrichten. Parochi« Reichenbrand. Aui 18. Sonntag p.lnn. den 2. Oktober».c. vorm. 9 Uhr Predigtgottesdienst (Mitfeier des MichaeliSfesteS). Parochie Rabenstein. Am 18. Sonntag p-Trin. den 2. Oktober a. c. Ernte dankfest. Vorm. >/s9 Uhr Beichte. 9 Uhr Predigt- aotteSdlenst mit hl. Abendmahl. Kirchenmusik: „Singet dem Herrn ein neues Lied," Eantate von Gust. Jansen. Freitag den 7. Oktober vorm. 10 Uhr Wochen kommunion. 1 größere Wohnung, eventuell mit kl. Werkstatt, sofort zu vermieten. Siegmar Best. Herr zum Mitbew. eine» gntmSbl. Zimmer« gesucht. Daselbst frdl. Zimmer, Woche 1,80 Mk. Waldschlvtzchen, Lunbacherstr. l,r.