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wo ich Sic gli'chcnd haßte, dcn» ich fühlte mich durch Sic der Zuneigung eines holden Mädchens beraubt, daS ich innig liebte. Doch seit jenes Mädchen mir sagte, daß cs auch Ihne» niemals angehörcn könne, da betrachte ich Sic als einen Lcidensgcnosscn, und unter diesen Umstände» dünkt mich, könnten wir »ns gar wohl befreunden." Wäre nur der lauernde Blick nicht gewesen, man hätte die Worte Kloßmanns für herzlich halten können. Aber dte dunklen, glühenden Augen desselben wider sprachen dieser Annahme. Sigmund Linde aber merkte nichts davon. Er lachte laut ans, als hätte er eben eine» köstlichen Witz vernommen. „Ach, das ist ja interessant — in der Tat, ich sehe es ein, wir sind Leidensgenossen! Hier, meine Hand, schlagen Sie ein, und daraus lassen Sie uns anstoben! Heda!" rief er dem eben vorüber gehende» Kellner zu, „rasch — eine neue Flasche, aber beeilen Sie sich!" Aus dcn unruhig flackernden Angen Kloßmanns brach ei» Strahl dämonischer Freude, doch nur eine Sekunde lang; in der nächsten blickten sic wieder wie vorher. Doktor Linde spielte jetzt um jeden Einsatz. Die Unterhaltung war nach und nach beinahe ganz verstummt, man hörte nnr hie und da eine halblaut hingcworfenc Bemerkung und das leise Klirre» der Goldstücke. Je stiller cs aber in dem Kreise wurde, desto mehr erhitzten sich die Köpfe der Spieler. Mit weit ansgcrisscnc» Augen sah Sigmund ein Goldstück nach dem anderen verschwinden, und als ihm nichts mehr übrig blieb, half sein gefälliger Nach bar ihm in zuvorkommendster Weise ans. „Sie haben mir Unglück gebracht," lachte Sigmund heiser ans, sich an Kloßmann wendend, „seit Sic hier sitzen, haste ich noch mehr Pech als vorher." „Nnr nicht verzagt," tröstete der Ingenieur ruhig, „das Glück muß wicderkchrcn. Sic haben Unglück in der Liebe gehabt, folglich müssen Sic nun Glück im Spiele haben, das ist eine alte Regel." Doktor Linde hatte schon eine ganze Anzahl kleiner Zettel, die Kloßman» ihn, vorlcgtc, mit seinem Namen unterzeichnet, aber innncr noch schien er nicht gewillt, das Spiel zu beende». Seine Leidenschaft steigerte sich ins »ngcmcssenc, und Fritz Engelhardt, der nicht wagte, das Lokal ohne dcn Freund zu verlassen, sagte sich, es müsse mm ein Ende gemacht werde», che cs zu spät war. Er merkte auch wohl, daß Kloßmann seinen aufgeregten Nachbar slistcmatisch immer mehr anstacheltc, daß die Annahme, das Glück werde wicdcr- kchrcn, bei Sigmund bereits zur fixen Idee geworden war. Er mußte schon sehr stedcntende Summen ver loren haben, tvas um so schlimmer war, als er die ganze Woche jeden Tag gespielt und jeden Tag große Verluste zu verzeichnen hatte. Wiederum trat Fritz Engelhardt heran mit der Bitte: „Laß cs endlich genug sein, D» ruinierst Dich ja vollständig!" „Kümmere Dich nicht »m mich, ich weiß allein, tvas ich zu tu» haste," war die barsche Antwort. „Nein, Du weißt cs nicht, Sigmund, wenigstens heute nicht, komm sort von hier." „Zum Kuckuck, — ich will nicht!" Fritz verlor die Geduld nicht bei der schroffen Ab fertigung des Freundes. Er wußte ja, dieser hatte dem schweren Wein zuviel zugcsprochen, um» durfte dcShalst heute nicht so streng urteilen; unbeirrt fuhr er sort: „Ilm Deiner Mutter willen bitte ich Dich, höre auf mit dem tollen Spiel." „Gerade um ihretwillen muß ich es fortsctze»; ich muß das Verlorene wiedcrgewinncn, und stas wird ganz bestimmt geschehen! Wenn meine Verluste gedeckt find, höre ich ans, eher nicht! Dieser Tisch hier steht mich dann niemals wieder, das verspreche ich Dir hiermit feierlichst! Aber jetzt laß mich in Ruhe, Du siehst, es nützt Dir nichts." „Wollte Gott, Du hättest diesen Tisch niemals gesehen," seufzte Fritz ans tiefstem Herzen. Die anderen Mitspieler mochten wohl Ansehen, daß cs endlich Zeit sei, aufzuhören, sie versprachen „Revanche" zu geben für dcn folgenden Abend. Aber Kloßmann wollte davon nichts wissen. Er bestellte Sekt, und der feurige Wein belebte aufs neue den sinkenden Mut des Doktors. Je aufgeregter er wnrde, desto ruhiger und kaltblütiger erschien sein Part ner. Das Spiel wurde fortgesetzt, bis Sigmund Linde wie kraftlos in seinen Stuhl zurücksank. Das Gesicht war jetzt bleich und eingefallen, er hielt die Augen geschlossen, ein Zittern durchlief seinen Körper. Willenlos, wie ein Kind, ließ er sich jetzt fortführcn. „Meinen Verpflichtungen werde ich so bald als möglich Nachkomme»," rief er im Hinausgehen Kloß mann zn. Dieser lachte, aber cs war ein böses Lachen und ein unheimlich drohender Blick, den er dem Wankenden nachsandtc. Er stand vor dem Tisch, die beiden Hände in de» Hosentaschen vergraben und pfiff leise vor sich hin. Dan» erwiderte er in verbindlichem Ton: „Lassen Sic sich Zeit, Herr Doktor, es hat keine Eile, ich bin ein ganz geduldiger Gläubiger!" Dann fiel die Türe zu. X. Frau Linde hatte sich nicht zu Bett gelegt. Was hätte cs auch helfen sollen? Schlafen konnte sic ja doch nicht. So saß sie fröstelnd und zusannncn- gckancrt in ihrem Lehnstuhl, die Hände im Schoß gefaltet, und blickte trübe vor sich hin. Das Strick zeug gatte sic beiseite gelegt, als cs elf Uhr schlug, und die zitternden Finger die Nadeln nicht mehr zn führen vermochten. Der Napfkuchen stand noch innncr unberührt auf dem Tische neben den Taffen — sic waren nicht be nützt worden. Die alte Dame vergaß, daß sic seit Mittag keinen Bissen mehr über die Livpcn gebracht, sic vergaß das Esse» und Trinken in der Angst um den geliebten Sohn. Mehrmals im Laufe des Abends faßte sic dcn Entschluß, Sigmund zu suchen, nm ihn womöglich mit nach Hause zu nehme», aber das Vor haben blieb unausgeführt. Wie eine Statue saß sic da und blickte immerfort nach der Tür, als müsse der Erwartete Antreten. Sie nahm sich vor, ihn, wenn er käme, tüchtig anszuschclte», ihm Vorwürfe über sein Bcnchmcn zu machen, das ihr heute, an ihrem Geburtstage, doppelt unverzeihlich erschien. Es war das erste Mal, daß er so lange ausblicb. Wo mochte er weilen, was mochte vorgesalle» sein? „Andere junge Leute bleiben auch einmal etwas länger ans," suchte sie sich zn beruhigen, „man muß nicht immer gleich das schlimmste denken." Aber dessen ungeachtet wollte die Angst nicht weichen, und die rundlichen Hände faltete» sich zum Gebet, das heiß und flehend sich ans deni bangenden, gequälte» Mutterherzcn rang. „Lieber Gott, erhalte mir meine» Einzigen," flüsterte sie, „nimmst Du ihn mir, so laß mich wenigstens nicht allein wcitcrleben, denn das vermag ich nicht." Ihre Phantasie malte ihr dann schreckhafte Bilder vor, sie sah den Sohn blutig, bleich — tot — sie meinte schwere Schritte zu höre», man brachte ihn gewiß und legte ihn dort aus das Sofa, kalt und starr. — Bei diesem Gedanken fuhr sie in die Höhe. „Gott — Gott, nur das nicht!" stöhnte sie. Nicht die leiseste Spur von Schlaf kam in ihre müden, brennenden Augen. Aber auch keine Tränen, lind Stunde um Stunde verrann. Durch die Vor hänge dämmerte schon der erste graue Schimmer des anbrcchcndc» Morgens, die Lampe war von selbst verlöscht, weil keine Hand frisches Oel anfgoß. Frau Linde bemerkte es nicht. Hände und Füße waren kalt wie Eis, nur der Kopf glühte und das Herz pochte ungestüm. Doch auch diese Nacht ging vorüber, wie alles im Leben. Endlich erscholl aus der Treppe ein schwerer, schlürfender Schritt. Die alte Dome richtete sich in ihrem Stuhle auf, sic war unfähig, dem Heimkchrenden eine» Schritt entgegen zu gehen, nur anjsttvollc Er wartung malte sich ans dem bleichen, überwachten Gesicht. .Kam er selbst oder — brachte man ihn? Sic fühlte ihren Herzschlag einen Augenblick stocken, sic streckte die Arme ans und ließ sic wieder sinken, da wurde die Tür aufgcrissen und Sigmund wankte über die Schwelle. Nun kam ans einmal Leben in die regungslose Gestalt der alten Frau. Sie sprang auf und umschlang den Sohn mit beiden Arme». Kein Wort des Vorwurfs kam über ihre bleichen Lippen, sie geleitete dcn Wankenden zu dem Lehnstuhl, den sie eben verlassen — er war der bequemste im ganzen Zimmer —, und streichelte die wirren, in die Stirn hängenden Haare des jungen Mannes, fuhr liebkosend über seine Wange, als könne sie cS innncr noch Nicht glauben, daß er wirklich da war, heil und unversehrt. Er schien nicht recht begreifen zu können, was um ihn her vorging, sah die Mutter mit fragenden Augen an und flüsterte: „Ich werde es wieder zurückgewinncn, Muttchen, verlaß Dich darauf — morgen oder über morgen, aber bringen werde ich es — ganz sicher! — Warum schläfst Du nicht, Mutter? Hast Du auf mich gewartet? Bist eine gute Mutter — eine gute Mutter — ja, ja! Aber an all dem Elend, an den: ganze» Unglück ist sie nur schuld, sie allein, Mutter!" Er ballte die Fäuste und schüttelte sie, als hätte er de» Gegenstand seines Zornes zwischen den Finger». „Ich müßte sie Haffe», Mutter, das Mädchen mit den, glatten Gesicht und den frommen Augen — und ich liebe sic doch immer!" „Laß es für heute gut sein, mein Junge," sagte die Mutter, „erst schlafe einmal ordentlich aus und dann rede» wir weiter über die Sache." Mit bekümmertem Gesicht half sie ihm dann die Stiefel ansziehen, ging mit ihm hinüber nach seinem Zimmer und verließ cs nicht eher, bis sein tiefes Atemholen ihr bewies, daß er fest Angeschlafcn war. Dan» setzte sie sich still wieder an den vorigen Platz. Aber zur Ruhe ging sie auch jetzt nicht. Die Sorge, daß dein Sohn etwas zuacstoßen sei» möchte, war zwar von ihr genommen, aber eine andere war dafür in ihr Herz gezogen. Aus den halben Andeutungen und verworrenen Reden hatte sic unschwer heraus- aefundcn, daß er gespielt und verloren hatte. Sie konnte zwar nicht ermessen, wie hoch sich sei» Ver lust bezifferte, aber immerhin mußte cs eine bedeutende Summe sein. Und wovon sollte diese gedeckt werden? Was sic besaßen, reichte gerade zum Leben. Sic hatte alles hingegeben, was irgend entbehrlich war, um Sigmund während der Studienjahre nicht darben zn lassen, hatte sich, — immer in der Hoffnung auf bessere Zukunft — manches versagt, und nun, wer konnte wissen, welches Opfer sic jetzt wieder zu bringen gezwungen wnrde? Hatte denn das Leben gar keine Freude mehr für sic anfgcspart? Immer nnr Sorge und Kummer? Mechanisch griff sie »ach einem Buche, das auf dem Tische lag. Sie hatte heute Nacht darin zn lesen versucht, aber cs ging nicht. Auch jetzt blätterte sie zerstreut darin herum. „Es hat der Mensch, er sei auch, wer er mag, — ein letztes Glück und einen letzte» Tag," las sie; dann fuhr sie erschreckt empor. Draußen hatte jemand die Kiingcl gezogen. Man rief Sigmund zu einem Kranke». Frau Linde seufzte. „ES tut mir leid, mein Sohn ist selbst unwohl," beschick sic das harrende Mädchen. Dieses zuckte die Achseln und sagte spitz: „Dann muß ich eben zu einem Andern gehen." Schwer atmend kehrte Frau Linde nach ihrem Zimmer zurück. Dann stand sic doch wieder vor dem Lager des Sohnes und beobachtete sein Gesicht. Es schien, als ob ihn selbst im Schlafe etwas quälte, denn er warf sich unruhig hin und her. Der Tag begann bereits zur Neige zn gehen, als Sigmund endlich aus dem bleiernen Schlaf erwachte. Nur undeutlich vermochte er sich zu erinnern, tvas gestern geschehen war. Weich und abgespannt ausschend, trat er mit schleppenden Schritten bei seiner Mutter ein. Er sagte kein Wort, und die alte Frau wagte es auch jetzt nicht, ihm einen Vorwurf zn machen. Sein trübes Gesicht hinderte sie daran. So verging eine ganze Weile in peinlichem Schweigen. Doch als Frau Linde gewahrte, daß er sich znm Ausgehen fertig machte, da packte sie eine namenlose Angst. „Sigmnnd," das klang so flehend, wie nnr eine Mutter bitten kann, „Du willst schon wieder fort? Hältst Du es gar nicht mehr auS bei mir? Ich vergehe vor Sorge, wenn Du mich wieder die ganze Nacht allein läßt! Ich bitte Dich, was soll daraus werden? Du reibst Dich auf bei solchem Leben und vernachlässigst dabei Deine Pflichten! Schon zwei mal wollte man Dich holen, und ich mußte stets dcn Bescheid geben, Du seiest nicht wohl. Siehst Du denn nicht ein, daß es so nicht weitcrgehen kan»? Sigmund, jmein Sohn, habe ich das um Dich verdient, daß mir auf meine alten Tage die lctzteStützc genommen wird? Auf Dich hoffte ich, ans Dich allein! Und nun soll auch diese Hoffnung mich trügen?" (Fonsitzmn, folg«. „ Nachrichten des K.StaudcsamtcS zu Rcicheubraud vom .1». Januar bis l>. Fcbrunr l!f»4. Kcburten: Dem Monteur Georg Wilhelm Hugo Köhler iu Siegmar I Mädchen: dem Tischler Paul Richard Müller in Siegmar l Knabe: dem Tuchler Karl Wilhelm Richter in Siegmar I Mädchen. Aufgebote: Der Zimmermann Karl Richard Porsche in Chemnitz mit Rosa Martha Köhler in Siegmar: der Schacht meister Friedrich Hermann Hosmann mit Anna Lippert, beide in Siegmar. Eliekchllcgungeu: Der Expedient Pani Otto Hertel mit Selma Alma Günther, beide in Rcichenbrand. Stcrbefälle: Valat Lrpeditionszeit des Standesamtes. Wochentags: 8—12 Uhr norm, und 2—8 Uhr nachm. Sonntags: Uhr vorm, nur zur Entgegennahme von TotgcbuelSauzcigcn. Nachrichten deö Kgl. Standesamtes Nabenstein vom 21». Januar biö a. Februar 1V01. Geburten: 1 Tochter dem Gürtler Emil Max Kliysch in Nabenstein. Eheaufgcbote: Der Handarbeiter Ernst Hermann Rothe mit Johanne Marie Teichmann, beide in Nabenstein; der Zimmer polier Karl Friedrich Max Hofmann mit Klara Martha Riedel, beide in Rottluff. Eheschließungen: Keine. Sterbefälle: Der Strumpfwirker Friedrich August Neubert in Rcichenbrand, 79 Jahre alt; die Rentnerin Amalie Hul- dine Helbig geborene Lämmel m Nabenstein. 05» Jahre alt. l Tochter dem Handschuhwirkcr Karl Max Rudolph in Raven stein, 1 Monat alt. Zusammen: 1 Geburt und zwar 1 weibl. 2 Eheauspebote. — Eheschließung. 3 Sterbcfälle und zwar 1 männl. und 2 weibl. Heschästszeit. Wochentag«: 8—12 Uhr vorm, und 2—6 Uhr nachm. Sonntag«: 11—12 Uhr vorm, nur zur Entgegennahme von Lotgeburtsanzeigen. Kirchliche Nachrichten. Parochie Reichenbrand. Am Sonntag Sexagesiinä den 7. Februar ». c vorm. 9 Uhr Predigtgottcsdienst. Parochie Rabenstein. Am Sonntag Sexagesiinä den 7. Februar ». c. vorm. >/r9 Uhr Beichte 9 Uhr Prcdigtgottesdicnst mit hl. Abendmahl. WOr-, Schaum- M Wilchbrykln stets frisch bei Ilsnl ilflsklkonn, Siegmar.