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sammengesetzten Standesamtsbezirk Rabenstein durch die Königliche Amtshaupt mannschaft eidlich in Pflicht genommen worden ist. Rabenstein, am 15. Dezember 1902. Der Gemeindevorstand. Wilsdorf. Bekanntmachung. Es wird hiermit noch besonders darauf hingewiesen, daß nach 8 1 des Gesetzes, die Einführung einer allgemeinen Schlachtvieh- und Fleischbeschau btr., vom 1. Juni 1898 die nachstehenden Thiergattungen als: Rindvieh, Schweine, Schafe, Ziegen, Pferde und Hunde im Falle ihrer Verwendung als Nahrungsmittel für Menschen der Schlachtvieh- und Fleischbeschau durch ver pflichtete Trichinenschauer unterliegen und Zuwiderhandlungen gegen diese Be stimmung, gemäß 8 18 desselben Gesetzes, soweit sie nicht unter höhere Straf- bestimmungen anderer Gesetze fallen, mit Geldstrafe bis zu 15V Mk. oder mit Haft bestraft werden. Rabenstein, am 14. Dezember 1902. Der Gemeindevorstand. Wilsdorf. Gertliches. Weichenvrand. Vielen Bewohnern unseres Ortes scheint es gar nicht bekannt zu sein, daß hier eine der politischen Gemeinde gehörige sehr gute Volks bibliothek vorhanden ist, aus welcher jeder Ortsbe wohner Bücher geliehen erhält. Wer von diesem gemeinnützigen Institut Gebrauch machen will, bemühe sich Sonntags zwischen 11 und 12 Uhr mittags in den Schulhausanbau, wo die Bibliothek untergebracht ist und die Bücherausßabe erfolgt. Das Lesegeld beträgt für den Band wöchentlich 3 Pf., für besonders wertvolle Bücher 5 Pf. Unter den nahezu 800 Bänden, daraus die Bibliothek besteht, dürfte gewiß jeder Leser ein seinem Geschmack entsprechendes Buch finden. — Die Ueberfüllung der Postschalterräume in der Weihnachtszeit ist eine alljährlich wieder kehrende Klage. Bis zu einem gewissen Grade würde das Publikum selbst leicht Abhilfe schaffen können. Die Einlieferung der Weihnachtspakete sollte nicht bis zu den Abendstunden verschoben werden, sondern thunlichst im Laufe des Vormittags und in den ersten Nachmittagsstunden in der Hauptsache erfolgen. Fran kierung der einzuliefernden Pakete durch den Absender selbst müßte die Regel bilden. Das Porto für Pakete ohne Wertangabe nach Orten des Deutschen Reiches beträgt bis zum Gewichte von 5 25 Pfg. auf Entfernungen bis 75 Km und 50 Pfg. auf alle weiteren Entfernungen. Es empfiehlt sich, den Be darf an Postwertzeichen schon vor dem 19. Dezember zu decken. Für Zahlungen am Postschalter sollte das Publikum das Geld abgezählt bereit halten. Die Befolgung dieser Ratschläge würde dem Publikum und der Post gleichmäßig zum Nutzen gereichen. h (Nachdruck verboten.) Original-Roman von Irene v. Hellmuth» <12. Fortsetzung.» O Gott, wie würde es gehen? Der Vater war ja ein herzensguter Mensch, aber wenn man ihn reizte, konnte er furchtbar hitzig und aufgeregt werden. Wie, wenn die beiden nun wiederum hart an einander gerieten, wenn sie sich für immer entzweiten? Ein heißes Angstgefühl bemächtigte sich des Mädchens. Die Kehle war ihr wie zugeschnürt. Ach, und thatenlos dasitzen zu müssen, das war ihr doch schrecklich. Es wurde Lori zu eng im Zimmer. Sie lief hinaus iu den Garten und setzte sich in die dicht von wildem Wein umrankte Laube. Tyras, der winselnd an seiner Kette zerrte, beachtete sie heute nicht, wie sie auch kein Auge hatte für all die blühende Pracht und Schönheit ringsumher. Ueberall herrschte tiefe Stille, weil das Gesinde auf den Feldern beschäftigt war: nichts vernahm man, als das Zwitschern eines Vögelchens und das Summen der Bienen, die geschäftig von Blume zu Blume flogen. Lautlos gaukelten buntschillernde Falter durch die warme Luft, träumerisch schaute Lori dem allen zu ohne sich wie sonst daran zu er götzen. Rechts drüben grüßten die blauen Berge, zu deren Füßen ein leuchtender Silberstreifen sichtbar wurde: das war der sagenumwobene Rhein. Wie oft hatte Lori schon hier geweilt und das herrliche Landschaftsbild mit entzückten Augen betrachtet, heute hatte sie keinen Blick dafür. Jetzt erklangen rauschende Klavierakkorde vom Hause herüber: Helene spielte und sang dazu eine lustige Weise. Aus Loris Augen stürzten Thräneu; wenn sie doch jemand hätte, dem sie ihr übervolles Herz aus schütten könnte; es würde ihr dann leichter werden. Eine heiße Sehnsucht uach der toten Mutter beschlich plötzlich ihr Herz. O wenn sie den schmerzenden Kopf an der treuen Brust bergen könnte, wie schön müßte das sein! Wie oft hatte die weiche Hand der Mutter liebkosend die wirren Locken des Lieblings aus der Stirn gestrichen, und für alle die kleinen Schmerzen des Kindes Trost und dadurch Beruhigung gebracht. Nun war die Teure lange tot und doch, Lori wurde es seltsam feierlich zu Mute, als fühle sie die Nähe der geliebten Verstorbenen — der laue Wind bewegte leise spielend die Blätter, es entstand ein Flüstern und Raunen wie geheimnisvolle Stimmen. Lori legte den Kopf auf die Arme und gab sich willenlos ihren Träumereien hin. — Unterdessen hatte Lorchens Vater längst den Lindemannshof erreicht und war, innerlich tief erregt, doch äußerlich scheinbar ruhig, in das zu ebener Erde gelegene, große, kühle Zimmer getreten, in das die Sonne mit ihren heißen Strahlen nicht einzudringen vermochte, weil die zwei dicht belaubten Nußbäume vor den Fenstern ihr dies verwehrten. Es hatte sich in der langen Zeit, seit Berneck dies Zimmer nicht mehr betreten hatte, auch nicht das Kleinste darin verändert. Alles noch genau so wie einst, als er fast täglich hier geweilt. Einen Augenblick wollte es ihn wie Rührung übermannen beim Anblick der wohlbekannten, alten braunen Möbeln. Auf der glänzend polierten, dick bauchigen Kommode mit Messingbeschlägen lag nicht das kleinste Stäubchen, das steiflehnige Sofa, der große Kachelofen, die alte Schwarzwälderuhr, die Geranienstöcke vor den runden, bleigefaßten Scheiben, alles, alles wie damals, in jener schönen, fernen Zeit. Bei Bernecks Eintritt erhob sich eine hagere Männergestalt vom Sofa und blieb in strammer Haltung, die Hand leicht auf deu Tisch gestützt, stehen, ohne dem Ankömmling einen Schritt entgegenzugehen. Mit leisem Neigen des Kopfes erwiderte er den Gruß des Eintretenden, auf dem bleichen Gesicht, in den grauen, kaltblickenden Augen war auch nicht eine Spur von Ueberraschung oder Befremdung zu sehen über den Besuch des ehemaligen Freundes, es sah fast aus, als wäre er schon davon unterrichtet gewesen. Lindemann wartete offenbar auf die Anrede Ber necks, die diesem ungemein schwer zu werden schien. Die beiden Männer standen sich eine Weile wortlos gegenüber, jeder hoffte, der andere werde zuerst das Wort ergreifen; die Situation begann recht peinlich zu werden. Berneck fühlte sich etwas verwirrt unter den durchdringenden Blicken des ihm gegenüber stehen den einstigen Freundes, der sich mit der schlanken Hand durch das leicht ergraute Haar strich. Berneck hatte das Gefühl, als würge ihn etwas an der Kehle; endlich begann er: „Wir haben uns lange nicht gesehen, Egon, und ich hätte mir nicht träumen lassen, daß ich jemals wieder den Fuß über deine Schwelle setzen würde." Da er keine Antwort erhielt, fuhr er fort: „Es überrascht dich, nicht wahr, daß ich hier stehe?" Der andere schüttelte mit spöttischem Lächeln den Kopf. „Keineswegs." „Nicht? So wußtest du wohl von deinem Sohne, daß — daß ich kommen würde?" „Nein" „Aber ich verstehe nicht" „Sie werden verstehen lernen, wenn ich Ihnen sage, daß ich über Ihre Verhältnisse" — er legte einen scharfen Nachdruck auf das letzte Wort — „ganz genau unterrichtet bin und Sie sich deshalb jede weitere Mühe sparen können!" Berneck begriff nicht, was der andere meinte, er trat einen Schritt näher heran und sagte in bittendem Ton: „Laß das fremde „Sie", Egon. Ich komme in versöhnlicher Absicht" — „Die ich aber ganz genau durchschaue," unter brach ihn Lindemann höhnisch. Doch Berneck beachtete den Einwurf gar nicht. „Laß das Vergangene vergessen sein, Egon. Die Herzen unserer Kinder haben sich ohne unser Zuthun gefunden, wir wollen ihrem Glück nicht im Wege stehen und ich bin gekommen, die alte Freundschaft zwischen uns wieder herzustellen; ich liebe mein ein ziges Kind zu sehr, als daß ich um unseres Streites willen es leiden sehen möchte, und darum schlag ein, Egon, ich bin eine gerade, schlichte Natur und verstehe nicht, viele Worte zu machen, du weißt es." Er streckte dem Freunde die dicken Hände ent gegen, aus seinen Augen leuchtete es wie Rührung, ein feuchter Schimmer lag darin. Das hätte wohl jeden anderen erweicht, nur Lindemann stand stumm und trotzig auf derselben Stelle; keine Miene seines Gesichtes verzog sich, er blieb kalt und gleichgiltig. „Das ist sehr gut ausgedacht," begann Linde mann endlich. Mehr, als die Worte selbst, verletzte der Ton, der offenbar seine Wirkung auch nicht verfehlte; denn die Zornadern auf Bernecks Stirn schwollen bedenklich an, aber noch wahrte er seine Ruhe. „Stehe nicht so finster und unnahbar hier," bat Berneck wieder. „Wir sind beide nicht mehr jung und wollen uns die paar Jahre, die wir noch zu leben haben, nicht durch Feindschaft verbittern und oben drein die Kinder unglücklich machen." „Ha, ha, ha," spottete der andere, „wie schön Sie die Worte zu wählen wissen; sie steht Ihnen vor züglich, diese heuchlerische Miene, die Sie sich da ein studiert haben. Aber ich sage Ihnen, mich fangen Sie nicht damit; ich kenne den Grund nur zu gut, der Ihr Handeln veranlaßt." Egon, du willst mich offenbar mit Absicht belei digen; ich bin gekommen, dich zu bitten, die Kinder glücklich zu machen, einen anderen Grund hatte ich nicht." „So," fuhr Lindemann wild und leidenschaftlich auf, „Sie sind nicht gekommen, weil es um Haus und Hof bei Ihnen gar schlimm steht? Weil alles mit Hypotheken und Schulden überlastet ist? Weil Sie sich vor Ihren Gläubigern nicht mehr zu retten wußten und nun begehrlich nach einer reichen Heirat für Ihre Tochter ausblicken, in der Sie die einzige Rettung sehen? Da ist Ihnen mein Gimpel von Sohn gerade recht ins Netz geflogen. Ha, das glaube ich wohl, daß Ihnen das passen möchte, mit meinem Gclde Ihre Schulden zu bezahlen, aber ich sage Ihnen, Sie haben sich verrechnet, mein Herr, ich halte die Augen offen und werde meinem dummen Jungen den Kopf schon zurecht setzen, und Sie — gehen Sie und suchen Sie sich einen anderen Schwiegersohn, Sie scheinen zu dieser Arbeit wie geschaffen zu sein, wahr lich, besser wie Sie kann man seine Sache nicht machen." Berneck stand da, wie vom Donner gerührt; er versuchte mehrmals, den Eifernden zu unterbrechen, doch die Stimme versagte ihm den Dienst ihm schwindelte — er tastete nach einer Stütze und ergriff die nächste Stuhllehne, um sich daran festzuhalten. Seine sonst so roten Wangen waren fahl geworden, er begriff nicht, wie ein solches Gerücht entstehen konnte, und erst, als Lindemann tiefaufatmend schwieg, da wurde es ihm klar, daß er reden mußte, um den unseligen Irrtum — etwas anderes konnte es doch gar nicht sein — aufzuklären. Er suchte vergebens, seiner Erregung Herr zu werden, der Stimme Festigkeit zu geben. „Wer Dir das alles auch gesagt haben mag, er hat gelogen, schändlich gelogen: ich versichere Dir, es ist kein wahres Wort an der ganzen Sache, und ich verlange von Dir, daß Du mir den Namen jenes Elenden nennst!" „Das ist einzig und allein meine Sache und kümmert Sie durchaus nicht," sagte Lindemann zu Berneck. „Ich sage Dir nochmals, Egon, es ist alles, alles Lüge und Verleumdung!" „Ist es doch erst kürzlich geschehen, daß Sie Ihre beiden Pferde verkauften, wie mir gestern der Pferdehändler selbst sagte?" „Das that ich aber doch nicht aus Not, wie Du anzunehmen scheinst, sondern weil es bösartige Tiere waren, die zuletzt so störrisch wurden, daß sie nicht mehr ziehen wollten." Sie sind ausgezeichnet vorbereitet, wie ich sehe," höhnte Egon, — „und die zwei Kühe, die ebenfalls verkauft wurden? Sie sehen, ich bin gut unterrichtet!" „Die Kühe gaben keine Milch mehr und sind bereits durch andere ersetzt!" „Ha, ha, ha, die aber noch nicht bezahlt sind. Denken Sie doch, wie stehen Sie da? Wo in aller Welt geht denn der Vater aus, um für die Tochter den Mann zu werben? Wo ist das Sitte? Wenn man eine Tochter hat, so bleibt man hübsch zu Hause und wartet, bis sich der Freier einstellt und sie zur Frau begehrt. Sie hingegen konnten nicht so lange warten, weilJhnendasWasser bereitsam Halse sitzt." Berneck stöhnte leise auf. An das hatte er frei lich nicht gedacht. Er war einzig und allein dem Zuge seines guten, nachgiebigen Herzens gefolgt; um sein Kind glücklich zu machen, war er hierhergegangen, und nun — nun schob man seinem Thun eine solche Absicht unter. „Meinetwegen glaube, was Du willst; aber nenne mir den Namen dessen, der eine so abscheuliche Ver leumdung ersinnen konnte." „Ich habe einen Brief erhalten, worin alles ganz genau beschrieben ist, nnd ich habe keinen Grund, an der Wahrheit dieser Mitteilungen zu zweifeln." „So laß ihn mir lesen!" „Ich muß das entschieden verweigern." „Gieb mir den Brief — oder " „Oder!" wiederholte Lindemann mit blitzenden Augen, sich stramm aufrichtend, während seine Hand sich zur Faust ballte. „Oder ich muß annehmen, daß Du — Du selbst — ein elender, erbärmlicher Lügner und Schuft bist, eiu ganz gemeiner Wicht, der das alles nur ersonnen hat, um mich zu demütigen," schrie Berneck, nicht mehr Herr seiner Sinne. Er rang nach Lust, die Stimme versagte ihm, seine Augen waren rot unterlaufen. (Fortsetzung folgt.)