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Hammer war Redakteur des Blattes. Eva dankte ihm für den Genuß, den er ihr durch seine Werke bereitet hatte, mit Spannung harrte sie auf die Antwort des Redakteurs. Ob er wohl ihren Beitrag annahm? Schneller als sie ge dacht, schrieb Hammer in liebenswürdiger Weise, er wollte die Skizze abdrucken lassen und sprach sich lobend über sie aus. Eva antwortete in der Freude ihres Herzens; seitdem wechselten sie Briefe. „Sie sind eine Dichternatur," schrieb Hammer unter anderem, „nicht wahr. Sie dichten selbst?" „Ja," antwortete Eva. „Schicken Sie mir einige Ihrer Lieder," bat der Redakteur. Sie tat es unter Herzklopfen. Hammers Kritik war ziemlich scharf, doch auch manches Lob wurde ihr zuteil. Er bat darum, zwei ihrer Gedichte bringen zu dürfen, was Eva natürlich gerne bewilligte. „Wenn er wüßte, wer E. Norden wirklich ist," dachte das junge Mädchen lächelnd. Nur Tante Anna war ins Vertrauen gezogen. „Du wirft noch eine bekannte Schriftstellerin werden, liebes Evchen," neckte Frau Haideck ihre Pflegetochter. „Hammer darf nie erfahren, daß ich für sein Blatt schreibe, Tante!" Eva dachte auch heute ans der Reise nach Berlin an ihr Versteckcnspiel und lachte leise für sich, es gewährte ihr so großes Vergnügen. Tante Anna schlief fest, Eva saß auf der anderen Seite des Koupees, sie waren die einzigen Reisenden darin. Das junge Mädchen hatte sich unterwegs ein Buch gekauft, ein Bändchen Novellen, deren Verfasser Hammer war; sie ver tiefte sich so darin, daß sie erschrack, als eine Stimme fragte: „Ist cs erlaubt, hier Platz zu nehmen, gnädiges Fräulein?" „Lupus in fabula," dachte Eva. Hammer stand vor ihr. Richtig, sie waren in Hannover angckommen. „Bitte," entgcgnete Eva kühl. Das Buch glitt zu Boden, Hammer hob es auf, er lächelte kaum merklich, als er es ihr reichte, bann setzte er sich ihr gegenüber. „Er kennt mich nicht," dachte Eva vergnügt, „wenn er wüßte, daß ich E. Norden bin." Sie versuchte zu lesen und der Blick ihres Reisegefährten ruhte fragend auf ihrem Gesicht. Nach einiger Zeit griff Hammer m die Tasche seines Ueberziehers und Holle daraus eine Zeitung hervor; kein Wort wurde gewechselt, beide schienen in ihre Lektüre vertieft. Eva hatte die erste Novelle beendet, sie dachte über sie nach und schaute zum Fenster hinaus, die moderne, stark realistische Richtung des Gelesenen gefiel ihr nicht. Im ersten Werk Hammers lag ein Hauch edelster Poesie, der Eva ansprach. Sie fuhr zusammen, als ihr Gegenüber sie anrcdcte: „Sie lesen, wie ich vorhin sah, das Neueste," sagte Hammer, „wie gefällt es Ihnen?" „Gar nicht," versetzte Eva aufrichtig. „Kurz und bündig gesprochen," lachte Hammer, „darf «n um Are Mmnöe Villen, gnädiges Fräuleins „Warte," dachte Eva, „du hast meine Gedichte kritisiert, nun sollst du meine Meinung hören." Ehe sie es sich versah, war sie mit Hammer in eine lebhafte Auseinandersetzung verfallen. „Sie räumen uns Frauen wohl kein vollgiltiges Urieil ein, mein Herr!" rief Eva entrüstet, als Hammer eine scharfe, diesbezügliche Bemerkung machte, „das Herz spielt bei uns die erste Rolle, es entscheidet richtiger als der kalte Verstand." „Sie mißverstehen mich, gnädiges Fräulein; ich will gewiß Ihrem Geschlecht nicht nahe treten und spreche ihm nicht geistige Begabung ab." „Das wäre auch noch schöner," rief Eva ärgerlich. „Ich hatte eine Mitarbeiterin meines Blattes — ich bin nämlich Redakteur einer Zeitung — die Dame schrieb sehr gut für das Feuilleton." Eva verbiß ein Lachen. „Sie heißt E. Norden, ich habe noch nie so viel rein weibliches Empfinden mit Verstand gepaart gefunden; ihre Skizzen und Gedichte sprechen von schriftstellerischer Begabung." Es zuckte verräterisch um Evas Lippen. Wenn er wüßte, mit wem er spricht, dachte sie heiter. „Verzeihen Sie," fing Hammer wieder an, „darf ich eine Frage an Sie richten, gnädiges Fräulein?" „Gewiß." „Sic erinnern mich an eine Lieblingsschülerin; ich war früher Lehrer der Literatur in Berlin." „So?" sagte Eva gleichgiltig. Sie fürchtete erkannt zu werden. „Die junge Dame hieß Eva Grotenbach," fuhr Hammer fort, „sind Sie nicht mit ihr verwandt?" „Hm — ja — eine weitläufige Kousine, ich soll ihr gleichen!" „Darum die Aehnlichkeit!" rief Hammer erfreut. „Als ich Fräulein Eva Grotenbach unterrichtete, war sic noch fast ein Kind, cs war für mich immer eine Freude; meine begabte Schülerin war sehr poetisch und voller Geist. Wo mag sie jetzt sein?" „Ich weiß es nicht." „So sehen Sie sie nicht?" fragte Hammer, „gern hörte ich von ihr." „Ich sehe Fräulein Eva Grotenbach zuweilen," entgcgnete Eva und ihre braunen Schelmenaugen blitzten. „Wirklich!" rief Hammer, „ist sie verheiratet?" „Nein, noch nicht." „Das wundert mich, sie war ein reizendes Mädchen." Eva konnte ihre Heiterkeit kaum beherrschen, sie war sehr rot geworden und wendete den Kopf zur Seite. Da fiel Hammers Blick ans ihr zierliches, linkes Ohr; dicht unterhalb desselben befand sich ein kleiner, bräunlicher Geburts- flcck, er hatte ihn oft bei seiner Schülerin gesehen, wie Schuppen fiel es ihm da von den Augen. „Sie — Sie sind es selbst," stotterte er. Da überwältigte Eva die lange unterdrückte Fröhlichkeit, sie lachte und lachte, bis ihr die Lust ausging. Hammer stimmte mit seinem sonoren Lachen ein. Endlich hörten sie ganz erschöpft auf. „Ja, wie konnte ich mich täuschen lassen," sagte Hammer, „es sind noch dieselben Züge, aber der Ausdruck ist anders, viel ernster." Beide schwiegen etwas befangen. „Ob seine Frau noch lebt?" dachte Eva, „er steht jetzt weniger traurig aus; der gequälte Ausdruck ist wie fortgelöscht." „Sie muß ein Leid erfahren haben," das waren seine Gedanken. „Haben Sie mich gleich erkannt, gnädiges Fräulein?" sragte Hammer. „Ja, sofort," gab Eva zu. „Und Sie haben mir tüchtig die Wahrheit gesagt über meine Schriststellcreieu." „Die Eitelkeit verdient Strafe," meinte Eva schelmisch, „Sie forderten mein Urteil heraus, weil Sie dachten, daß mir Ihre Novellen gefallen haben. Ihr erster Roman war viel schöner, weniger modern, aber viel natürlicher und ansprechender, doch das ist vielleicht eine individuelle Ansicht." Sie disputierten eifrig weiter und beiden gefiel dieser Gedankenaustausch ungemein, bis noch mehr Reisende eiustiegcn. Frau Haideck, die im zweiten Wagenabteil ihr Schläfchen beendet hatte, rief Eva; diese verabschiedete sich schnell von Hammer und eilte davon. „Berlin, Berlin!" riefen die Schaffner. Eva und Hammer wurden durch die Menschenmenge getrennt. Adam und Kurt hatten die Schwester abgeholt; sie sollte in der mütterlichen Pension bis nach Klaras Hochzeit wohnen; Frau Grotenbach freute sich, ihre sechs Kinder nach langer Zeit wieder einmal um sich zu haben. Die Brüder schwatzten lebhaft, sie erzählten der Schwester vom Brautpaar und von Alfred, von sich selbst und ihren Schulen. Eva war aber nicht ganz bei der Sache, sie dachte an das Wiedersehen mit Hammer. „Wenn er wüßte. daß ich^L.Lvrden.bw." -so.läLeltc ür„ Am Abend ist die ganze Familie vereint und alle freuen sich dessen, Rede und Gegenrede fließen munter dahin. „Mein Herzenskind," sagt Frau Grotenbach zu Eva, „du mußt jetzt bei uns bleiben, ich kann dich nicht länger entbehren, Tante Anna muß dich mir abtreten." „Ach Mutting! Das ist auch mein Wunsch," versichert Eva, „Klara zieht fort und Lina ist, wie sie sagt, noch gebunden; ich aber möchte versuchen, dir in der Pension etwas zu helfen. Wirklich, ich will mir Mühe geben." „Mein gutes Kind," sagt Frau Grotenbach zärtlich. „Es ist spät, sie sind allein, Eva teilt ihrer.Mutter Zimmer, und wie sonst in den Kindertagen kämmt die Mutter ihrer Lieblingstochter Haar, es wallt in reicher Fülle über den Rücken und die Schultern des schönen Mädchens nieder, „Evchen," beginnt Frau Grotenbach stockend. „Ja, Mutting." „Er ist hier, ich meine Latour. Hast du ganz überwunden?" „Sei ruhig, Mutting, ich bin wieder ganz deine alte, fröhliche Eva. „Sollte ich Latour zufällig sehen, so brauchst du dich nicht zu beunruhigen. Aber was tut er hier?" „Er ist verheiratet!" „Mit wem?" ruft Eva. „Mit der Tochter eines Millionärs, einer ältlichen, häß lichen Person, neulich sah Adam ihn im Tiergarten." Eva blickte nachdenklich zu Boden, dann hob sie die blauen Augen zur Mutter empor und sagte ernst: „Möchte er das Glück finden, das er mir einst zerstörte." „Gott segne dich mein gutes Kind!" Frau Grotenbach schloß Eva innig in die Arme. Frau Haideck empfing Alfred Grotenbach am andern Tage, er sagte auf ihre Frage hin, daß Uchatscheff unheilbar krank sei, eine Gehirnerweichung wäre konstatiert worden; er sollte vorläufig in der Anstalt bleiben und nicht mehr nach Petersburg zurückkehren; er war willenlos wie ein kleines Kind und völlig stumpf geworden. „Mein armes Kind," sagte Frau Haideck bewegt, „so endet dein heiß ersehntes Glück!" „Sie behandeln den kleinen Sohn Karlas, begann Frau Haideck, nachdem sie sich etwas gesammelt hatte, „wie geht es ihm? Haben Sie Hoffnung, ihn zu erhalten? Es ist das Letzte, was seine Mutter besitzt." „Kolja ist noch sehr zart, aber ich glaube, er erholt sich, nachdem ich ganz allmählich für Abhärtung und ein anderes Regime sorgte. Ich wünsche, daß der Knabe den Sommer im Wald bleibt und dann mit der Mutter in ein gesundes, südliches Klima geht nach Montreux oder Riva; darüber sprechen wir noch. Ihre Frau Tochter würde sich ebenfalls fern von Petersburg bester erholen, sie steht recht blaß aus und ist sehr nervös geworden." „Das ist kein Wunder hei dem Leben, das sie geführt hat," dachte Frau Haideck. „Ich will schon Sorge tragen, daß Mutter und Kind sich unter meiner Obhut erholen," sagte Frau Haideck, „wie dankbar müssen wir aber Ihnen sein, lieber Alfred, für alle Ihre Mühe und Freundschaft." „Sie nennen das richtige Wort," versetzte der junge Doktor, „die treue Jugendfreundschaft unserer Mütter vererbt sich aus uns Kinder weiter." — Die Trauung Klaras und Rasens war vorüber, alle begleitenden das junge Paar zum Bahnhof; der nach Königs berg fahrende Zug sollte gleich abgehen. Die Neuvermählte umarmte Mutter, Taute uud Geschwister in ihrer ruhigen, herzlichen Art, Rosen schüttelte den Schwägern mit seinen Riesenfäusten die Hände, küßte Evchen und Lina und neigte sich über die Rechte seiner Schwiegermutter. „Auf Wiedersehen in Lachsdieueu!" rief er noch vom Fenster aus, als sich der Zug schon in Bewegung setzte. Am nächsten Tage reiste auch Alfred nach Petersburg zurück. Eva gab sich ernstlich Mühe, die Schwester zu ersetze» uud sie war erstaunt, wie gut sie sich in alles Hineinsand. Eines Tages traf das ein, was vorauszuschen war, Eva und Latour sahen sich wieder. Eva trat aus einem Laden in der Leipziger Straße, da fuhr ein offener Landauer auf Gummirädern langsam vorbei; ein südländisch ausschender Herr und eine sehr geputzte Dame saßen auf den seidenen Kiffen. Es waren Latour und seine Frau, geborene Golden berg, deren Hakennase ihre Abkunft verriet; ein böser, ge kniffener Zug prägte sich auf dem gelblichen, häßlichen Gesicht aus. Evas Augen blickte» sehr ruhig auf ihren früheren Verlobten, er sah noch eben so aus, auch das süßliche Lächeln, mit dem er sich an seine Frau wandte, um ihr etwas Schmeichelhaftes zu sagen, war dasselbe, wie früher. Die elektrische Bahn kani, die feurigen Pferde vor dem Landauer wurden unruhig, so daß der Kutscher sie anhielt, „Er hat sich verkauft," sagte Eva verächtlich unh sie dachte daran, wie verändert Latour gegen sie geworden, als er erfuhr, daß Frau Haideck eine Tochter und Erbin besaß. In diesem Augenblick sah Latour Eva. Er riß den Hut vom Kopfe und grüßte. Sehr gelassen erwiderte ihn Eva, dann schritt die hohe, vornehme Mädchengestalt ruhig weiter. Fortsetzung solgt. Nachrichten deALjhk-- Standesamtes ^ii-Reichenbraieb—- »am IS. bis t8. August ISlI. Geburten: Dem RnnLstnhlarbeiter Franz Oswald Glöckner 1 Tochter; dem .Restaurateur Ernst Richard Müller 1 Tochter: dem Gürtler Robert Guido Friedrich 1 Sohn: dem Packer Franz Hugo Wolf 1 Sohn; dem Maurerpolier Moritz Richard höfer I Tochter. Sterbefälte: Dem Schlosser Max Hugo Schindler 1 Tochter, 4 Monate alt; dem Schlosser Alfred Arthur Müller 1 Tochter, 3 Monate alt; die ledige Marie Hedwig Grüf, 31 Fahre alt. Nachrichten des Kgl. Standesamtes zu Siegmar vom 10. bis mit 16. August 1SI1. Geburten: Dem Handlungsgehilfen Earl Max Ehrenreich 1 Tochter; dem Buchhalter Emil Clemens Rabe 1 Sohn. Sterbefalle: Kurt Rudolf Zerche, 3 Monate alt. Nachrichten des Kgl. Standesamtes zu Rabcnstein vom 11. August bis 18. August 1S1I. Schuhmacher Otto Max Reichel 1 Tochter. Aufgebote: Der Eisenbohrer Max Eurt Fritzsche, wohnhaft in Chemnitz, mit Elise Helene Tetzner, wohnhaft in Rabenstein. Sterbefalle: Die Handschuhnäherin Christiane Ernestine Pester, geb. Irmscher, 70 Jahre alt; Herbert Gotthard Sorge, 10 Mon. alt. Nachrichten des Kgl. Standesamtes zu Rottluff vom ll. bis >7. August ISN. Geburten: Dem Zimmermann Karl Friedrich Prenzel 1 Mädchen; dem Fabrikarbeiter Hermann Alfred Illig 1 Knabe. Sterbefälle: Der Gutsbesitzer Friedrich Ernst Pötzsch, 58 Jahre alt. Kirchliche Nachrichten. Parochie Rcichcnbrand. Am 10. Sonntag p. Trin. den 20. August s. c. Bonn. V«9 Uhr Predigtgottesdienst. Pfarrer Hartung aus Mittelbach. Kollekte für die Zudenmission und die Eoangelisationsarbeit im heil. Lande. Parochie Rabenstein. Am 10. Sonntag p. Trin., den 20. August, vorm. 9 Ahr Predigtgottesdienst, Pf. Weidauer. — Kollekte für die Mission unter Israel und im heil. Lande. 8 Uhr abends evang. Iünglingsverein imPfarrhause, Pf. Weidauer. Mittwoch, den 23. August, abends 8 Uhr Bibelstunde im Pfarr- Hause, Pf. Weidauer. Freitag, den 23. August, vorm. 9 Ahr Wochenkommunion, Pf. Weidauer. Wochenamt vom 21.—27. August. Pf. Weidauer. 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