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Der Graf zog den Sohn zu sich nieder und küßte ihn auf die Stirn. „Du bleibst jetzt für immer bei uns," sagte er, während auch in seinem Augen eine Träne schimmerte, und du wirst, so hoffen wir, in der Heimat völlig genesen." Siegfried nickte. Nur das eine kountc er immer und immer nicht begreife», daß Erika, die am Eingang der Laube stehend, die Szene mit ansah, seine Tochter sein sollte. „Eine Tochter, sagt ihr?" fragte er wohl fünf- oder sechsmal hintereinander, und schüttelte den Kopf. „Von einer Tochter weiß ich nichts!" Dabei blieb er. Die Geschichte seiner Ehe schien vollständig aus dem kranken Hirn geschwunden zu sein. Er erinnerte sich an nichts, während die Zeit seiner Kindheit, die Jahre der glücklich verlebten Jugend fast mit allen Einzelheiten klar vor dem Geiste des Kranken auftauchtcn. In der Heimat wurde ihm die sorgfältigste Pflege zuteil. Man ließ berühmte Acrztc und einen erfahrenen Wärter kommen. So führte Siegfried im ganzen ein glückliches Leben. Wenn sein Geist sich auch zuweilen wieder umnachtcte, so hatte er doch viele lichte Momente, in denen er sich vollständig klar bewußt war, daß er sich in der Heimat und bei seinen Lieben befand. Auch Reiuhold war von den glücklichen Großeltern in Kenntnis gesetzt worden, wie sein Los sich gewendet. Mit freudigem Stolze ließ die Gräfin ihre Augen aus dem blühenden Gesicht des jungen Mannes ruhen. Graf Düren lebte ordentlich auf in diesen Tagen. Es erfüllte ihn mit Genugtuung, daß der alte Stamm ein junges, frisches Reis getrieben, daß das uralte Geschlecht der Düren-Ehrenbach nicht aussterben würde, wie er gefürchtet. Er wurde heiter und gesprächig und freute sich über den kräftigen Sproß, über den Enkelsohn, den Erben des Majorats. Reinhold hatte eine vorzügliche Erziehung genoffen, er war eine schöne, echt aristokratische Erscheinung, und Graf Türen war stolz auf ihn. In seinem Glück erklärte der Alte sich auch bereit, Alice Bernhard!, Siegfrieds Gattin, der Mutter seiner Enkelkinder, eine Heimstätte im Schlöffe zu sichern. Leider kam die Nach giebigkeit des Grafen hier zu spät. Alice hatte die rechte Heimat bereits gefunden, sie bedurfte der irdischen nicht mehr. Im Hospital zu Ncwyork, wo sie längere Zeit krank gelegen, war sie gestorben. Man vermied es sorgfältig, mit Siegfried davon zu sprechen, weil man fürchtete, ihn unnötig aufzurcgen. Er kannte nicht Lieberes, als oben still am See zu sitzen und dem Gesang der Vögel zu lauschen. Viele Stunden des Tages verbrachte er auf seinem Licblingsplätzchen, während Erika ihm vorsang. Sie hatte ihren Kontrakt, der sie auf zwei Jahre an das Theater fesselte, gelöst, weil die Gräfin sich nicht von ihr trennen wollte. Erika war viel stiller geworden. Auf ihrem schönen Gesicht lag ein Zug von Schwermut, die sie vergebens zu verbergen suchte. Ihre Heiterkeit war nur eine scheinbare, und sie vermochte Wohl damit die Gräfin zu täuschen, nicht aber den Mirstoi,-der sio-ostmols scharf beobachtete und nicht selten scheinbar teilnehmend fragte; „Fehlt Ihnen etwas, mein liebes Kind? Ich meine, Sie waren früher viel lustiger! Meine kleine Lerche hängt das Köpfchen und singt nicht mehr so fröhlich! Warum nur?" Wenn dann Erika ruhig, aber mit seltsam umflortem Blick versicherte, ihr fehle durchaus nichts, dann spielte um die Lippen des Fürsten ein leises, seltsames Lächeln. Offenbar glaubte er der Versicherung nicht, er wußte es gar wohl, warum die schönen, blauen Augen des Mädchens so sehnsüchtig in die Ferne blickten, warum das frühere Helle Lachen des selben so selten wurde, warum Erika am liebsten allein in den Park ging und dort, in der traumhaften Stille und Einsamkeit, ihren Gedanken nachhing. Täglich machte sie auch einen Besuch im Verwaltcrhäuscheu. Frau Betti be merkte es ebenfalls, daß Erika die frühere schelmische Heiterkeit verloren hatte, doch schrieb sie dies den veränderten Verhält nissen zu. Indessen wartete Fürst Santoff täglich auf Nachrichten von seinem Sohn. Er hatte zu Hause die Anordnung ge troffen, daß ihm alle einlaufendcn Briefe nach Schloß Düren nachgesandl würden. Als endlich die erwartete Mitteilung von Leopold eintraf, flog wiederum ein leises Lächeln über das Gesicht des Fürsten. „Hab ich de» Vogel endlich?" murmelte er, na, warte, du sollst mir nicht entkommen!" Sogleich setzte er sich hin und schrieb an den geliebten Sohn: „ Kehre zurück, mein Leopold, ich sehne mich »ach dir. Ich fühle mich so einsam, so verlassen. Gegenwärtig befinde ich mich bei meinen lieben Freunden zu Besuch. Sie werden auch dich herzlich willkommen heißen, ich weiß cs be stimmt. Und wenn es irgend irgend in der Welt ein idyllisches Plätzchen gibt, so ist es Schloß Düren mit seiner wunderbaren Umgebung. Weshalb also willst du noch länger in die Ferne schweifen? Du kannst hier bei meinen Freunden bleiben, so lange du willst, niemand wird dich stören, wenn du mit deinen Gedanken, Wünschen und Hoffnungen ungestört bleiben möchtest. Ich denke, du fühlst dich hier bald heimisch. Es wächst im Schlosse ein Kräutlein, das wahre Wunder wirken soll. Vielleicht bringt es auch dir Heilung. — Schüttle nicht den Kopf dazu — man kann doch nicht wissen Also, mein Sohn, überlege nicht lange, sondern komme!" Und Leopold kam. Der Fürst holte ihn Persönlich an der Station ab, und nachdem er ihn dem Grafen und der Gäfin vorgestellt, drängte er: „Und nun komm, ich will dir den Park zeigen, ich kann es kaum erwarten, ich wette, du kannst dich nicht satt sehen an all der Pracht, an all den wunderbaren alten und jungen Bäumen, den duftenden Blumen, den seltenen Vögeln. Und dann — dann will ich dir auch das — Kräutlein zeigen, von dem ich mir eine so große Wirkung versprach!" Leopold schüttelte den Kopf. Er konnte aus dem selt samen Wesen des Vaters, der beständig lächelnd neben ihm stand, nicht recht klug werden. Doch ließ er sich willig mit fortziehen. „Ist es nicht schön hier?" fragte der Fürst ein- ums andcremal den Sohn, der schweigend dahinschritt und nur von Zeit zu Zeit mit dem Kopfe nickte. Der Fürst blieb dann vor der Jasminlaubc stehe», die so dicht umwachsen war, daß man nicht einen Blick in das Innere werfen konnte, und hielt Leopold am Arme fest. „Du," sagte er, „höre mich an, hier sind wir ganz un gestört." Leopold blickte auf, er begriff nur nicht, warum der Vater mit einemmale so laut sprach. „Ich habe einen Plan," fuhr dieser fort. „Graf Düren besitzt eine reizende Enkelin, ein Prachtmädel, — die sollst du heiraten! Nun, — nun, — sieh mich nur nicht so ent setzt an, als hätte ich von dir verlangt, du solltest auf den Blocksberg steigen in der Walpurgisnacht! Sieh dir das Mädchen erst einmal an, ehe du den Kopf schüttelst, ich sage dir, die Kleine wird dir sicher gefallen. Ich habe nicht leicht etwas Hübscheres gesehen, und wenn du sie willst, meinen Segen hast du!" Leopold schüttelte den Kopf. „Du scheinst meinen Brief, den ich dir vor meiner Abreise schrieb, ganz falsch aufgefaßt zu haben," sagte er traurig. „Ich hoffte, du würdest mich verstehen, ohne nähere Erklärung. Dies ist jedoch nicht der Fall, sonst würdest du nicht in der ersten Stunde mit einem derartigen Plan an mich herantreten. So wisse denn, die L'ebe war cs, die mich forttrieb! Ich wollte hen Gegenstand meiner unsinnigen Leidenschaft fliehen, um vielleicht, — in der Ferne, — weit weg von derjenigen, die ich liebte, vergessen-zu lemerri -Zch-fchrieb-dir-streich ' brachte dir dieses Opfer, denn ich — ich hätte das Mädchen zum Weibe begehrt, und wäre es als Bettlerin von Haus zu Haus gezogen! Aber um deinetwillen entsagte ich und floh. Freilich sah ich mich in meiner Hoffnung bitter getäuscht! Draußen, wo ich Genesung zu finoen glaubte, wuchs hie Sehnsucht nach hem unerreichbaren Glück immer mehr, sie trieb mich von Ort zu Ort, — ich sah endlich ein, daß ich umsonst kämpfte, und darum, Vater, entschloß ich mich, dich zu lütten: „Laß mich glücklich werden, gib mir das Mädchen zum Weibe, das ich liebe, mag die Welt nach ihrem Sinn urteilen!" — Leopold streckte dem Vater die Hand hin, die dieser warm drückte. Dann spielte wieder ein eigentümliches Lächeln um den Mund des Fürsten. „Du hast mir aber noch nicht gesagt, wie deine Auscrwählte eigentlich heißt?" „Ach — Vater; daß du das nicht erraten hast! Ich meinte, alle Welt müßt das bemerkt haben, — sie ist — sie heißt — Erika!" Vater und Sohn standen noch immer auf demselben Platz vor der Jasminlaube: sie konnten nicht sehen, wie drinnen ein glühendes Mädchen die Hände vor has selig lächelnde Gesicht schlug und wie zwischen die weißen Finger Tränen hindurch liefen, — es waren Tränen des reinsten, süßesten Glückes. Schon bei den ersten Worten, die so deutlich an ihr Ohr schlugen, war Erika aufgesprungen. Sie lauschte mit angehalteuem Atem auf das, was draußen gesprochen wurde, und immer heftiger Pochte ihr Herz, immer schneller wurden ihre Atemzüge. Es war ihr plötzlich klar geworden, warum der Fürst ihr heute aufgetragen hatte, in der Laube zu warten, bis er kommen werde, sie zu rufen. Es handle sich um eine Ueberraschung, sie möchte ihm die Freude nicht verderben. Wie eine süße Ahnung durchzog es nach diesen Worten des Mädchens Herz. Geduldig saß Erika wohl schon eine Stunde auf der Bank, mit einen: Buch in der Hand. Sie gab sich Mühe, den Inhalt zu erfassen, aber immer wieder schweiften ihre Gedanken weit ab, träumerisch starrte sie vor sich hin, bis sie endlich das Buch zusammcnklappte, und cs mit einer fast ärgerlichen Bewegung auf den Tisch legte. Was war nur heute mit ihr? Wollte das rebellische Herz gar nicht zur Ruhe kommen? Sie schalt sich selbst eine Törin, ein einfältiges, dummes Ding, und doch, was half es ihr? Da schreckte sie plötzlich ein draußen laut werdendes Geräusch nahender Schritte aus ihrem Sinnen auf. Und dann, — diese Stimme, — die sic aus tausenden heraus erkannt hätte, — sie ließ ihr Herz in schnellen Schlägen pochen. Draußen herrschte, nachdem Leopold ihren Namen genannt, sekundenlanges Schweigen. Plötzlich fiel ein Schatten in die Laube und am Eingang derselben stand — Leopold — der noch immer nichts begriff. Der Fürst schob den leise Widerstrebenden vollends hinein: „Da drinnen — in der Laube — da wächst auch das Kräutlein, das dir Heilung bringen soll für alle Zeit!" lachte er dabei. Dann wandte er sich zum Gehen. Noch einmal sah er zurück nach der Jasminlaube, dann schritt er dem Schlöffe zu, um das gräfliche Paar von der bevorstehenden Verlobung seines Sohnes mit Erika in Kenntnis zu setzen. Man hatte schon längst alles eingehend besprochen, aber noch immer zeigte sich nichts von dem Paare. „Das dauert mir aber doch zu lange," lachte Santoff, „jetzt will ich mich einmal umschen, ob die beiden noch nicht fertig sind! — Sie müssen sich ja schrecklich viel zu sagen haben." Er schlich zur Laube und bog vorsichtig die"Zweige aus einander. „Na, das wäre ja glücklich gelungen," murmelte er lächelnd. Drinnen aber, da saß ein junges, glückseliges Paar, das sich innig umschlungen hielt und Welt und Menschen dabei vergaß. „Noch ist die schöne, goldene Zeit, noch sind die Tage der Rosen," jubelte drüben am Waldsaum eine frische Stimme. Der Fürst nickte und sah einer Lerche nach, die sich jubilierend hinaufschwang in den lichtblauen Aethcr. „Ja, ja, die Tage der Rosen — wie schön, wie schön! Wir wollen sie die Kinder genießen lassen!" Nachrichten des Kgl. Standesamtes zu Reichenbrand vom 8. biS 15. Mai 1908. Gehurten: De.lmSLriiL.er Hermann . Otto Bar1heh.l-.KngbL.^.^ , Aufgebote: Der Elektromonteur Gustav Friedrich Hillig m Siegmar mit Martha Ella Müller in Neichenbrand; der Schneider Karl Heinrick Neubert in Siegmar mit Elsa Lina Lindner in Rcichenbrand. Sterbcfällc: Ter Allersrcntenempfänger Christian August Mcrncrt, 74 Jahre alt. Nachrichten des Kgl. Standesamtes zu Siegmar vom 8. biö 14. Mai 1908. Geburten: 1 Tochter dem Kaufmann Robert Otto Oertel. Eheschließungen: Der Postassistent Johann Ernst Miersch in Chemniy mit Frieda Elisabeth Richter in Siegmar, und der Ziegelei pächter Ernst Robert Meiner! mit Elli Anna Hennig, beide wohnhaft in Siegmar. Nachrichten des Königl. Standesamtes zu Neustadt vom 8. bis lei. Mai ls»8. G^mrten: Dem^ EisendrelM Max Albert Landrock 1 Sohn; dem Kirchliche Nachrichten. Parochie Reichenbrand. An: Sonntag Cantate d. 17. Mai 1908 vorm. >/«9 Uhr Predigtgottesdienst. Vorm. 11 Uhr Unterredung für die Jungfrauen. Parochie Rabenstei«. Am Sonntag Cantate >^9 Uhr Beichte (Herr Pfarrer Sommer aus Möhrsdorf.) 9 Uhr Predigt und Kommunion. Mittwoch, den 20. Mai abends 8 Uhr im Pfarrhausc Abend,interhaltung für Jungfrauen. Donnerstag vorm. 11 Uhr Missionskindergottesdicnst. Abends 8 Uhr im weißen Adler parochialer Familienabend. Maße zu teil gewordenen Ehrungen und Geschenke sagen wir Allen hierdurch unseren herzlichsten Dank. Siegmar, im Mai 1908. erlist lacob und Ppsu geb. Kühner. Dank. Rabenstein, im Mai 1908. Sugen Sungen und Ppari geb. Hopfner. Gulerholiener Kinöerniagen billig zu verkaufen Nabenstein, Ehemmtzerstr. 93. Ein guterhalt. Kiiidemagen zu verkaufen Nabenstein, Rcichenbranderstr. 33 o. Herzlichen Dank. Grog. ...w ^herA/Auguste FrSbel sagen wir allen von nah und fern unfern herzlichsten Dank. Auch Dank Herrn Pastor Weidauer für die ergreifende Rede am Grabe. Dir aber, teure Entschlafene rufen wir ein „Ruhe saust" in Deine Kühle Gruft nach. Lang war Dein Leiden, groß unser Schmerz Schlaf wohl Du gutes Mutterherz. Ravenstein, den 12. Mai 1908. " Der trauernde Gatte Heinrich Fröbel nebst übrigen Hinterbliebenen. kine Jauchenpumpe zu verkaufen Ravenstein, Limbacherstraße 29. Garn zum Spulen aus Rail Ravenstein, Kirchstraße Nr. 23. Junge MischeMesenSchecken billig z. verk. v. Lslirn^nn, Siegmar, Luisenstr. 9. 1 Kinderrretzbett mit Matratze und 1 Airrderrvagenplarre zu verkaufen Reichenbrand, Hoferstraße 28. lMMf, Keims üjil zicd de! SeM imlw eiiUMe». 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