Volltext Seite (XML)
7V. Tahrgmr-. AL 22L Freitag, 14. Mai 1S22 «m»««ychrV, »-«»»«» - vammitumn««> SV 2.1. «« ch» «achl^imilch,, SV Oll. Bezugs - Gebühr ^ Gegründet 1851 «Ä. V. A sm «vamu «« s«ar» oe»»voW«me«MG>gGvii-r. «achdnia, nur mU d»utttch»r 0u»ll»nan««v» ,.Dr-dn»r «achr.- ,uI»IK» Uno»rlan,i» SchriiyMik» ««»«, ,lchl »u>d«70«tzN. l<un»1«pl«>pt»no» ,»It 1S34 bsatbswütirtss VrueUaeiien für Harulel inul Bewerbe Lchnelk, Lieferung - - Deeke Auefüknmg Seklügsr - vülls - ^strs - pfoslsn »Ie. Vlittillrurkerel üepf«ii L 2ei«üantt N»uN»l1«nI Seüvt« ^u»w»t,I> Nur d»»t» ^»ulx-N« unrt »ngUeoN» Sportgaesl« w«ia«n i. r»., 12 Aernepreesinummer 25241 -- — Mkarieneira^e Hle. 28/42 s. will»«*, prsovA Slrsvs 32 Geßler versucht die Kabinettsbildung. Die einleitenden Verhandlungen mit den Führern der Mittelparteien. Die MiltlSrrevolle in Polen. — Severings Krieg gegen -ie NechlsverbSnöe. - Neue Derhan-lungen in England. Dr. Gehler slellverlreken-er Reichskanzler. Berlin, IS. Mai. Geleitet von de« Bestreben, de« bent- sche» Balte eine politisch und wirtschastlich schädigende läu- gere Regierungskrise zu erspare«, hat der Reichspräsident von Htndenbnrg hente de« Reichswehrminister Dr. Gehler, der ans telegraphische Aufforderung hin ans leine« SrhvlnngSnrlaub sofort nach Berlin znrückkehrte, dar«« gebeten, dt« Bild«»« einer Negiernng z« itberneh««», nnd zwar ans der bisherigen Grnndlage der Koalition der Mittelpar tei««. Dr. Gehler erklärte sich da«it einverstanden. bat jedoch, seine endgültige Entscheidung erst am Freitag «ittag gebe« -« dürfe», «m »«nächst einmal erst festznftelle«, wie die in Frag, kommende« Parteien z« seiner Kandidat«, sich »er halte« würde». Bereits zuvor war dem Retchswehrminifter Dr. Gehler ebenfalls ans telegraphische« Wege mitgeteilt worden, bah der Reichspräsident die Amtsenthebnng deS bisherige« Reichskanzlers Dr. Luther genehmigt nnd Dr. Gehle» «l» de« dt««stältest«» Reichs«tnister mit der Weiterführung der Geschäfte des NeichSkabinettS betraut habe. Sluch bei den bisherigen Koalittonsparteien legt man den größten Wert darauf, eine längere Krise zu vermeiden. So sanden heute vormittag im Reichstag in Gegenwart deS NctchswtrtschaftSministers Dr. Curtius zunächst allerdings noch unverbindliche Besprechungen zwischen den Abgeordneten von Guerard und Stegerwald vom Zentrum und Dr. Scholz von der Deutschen Volkspartet statt. In diesen Besprechungen kam aber, wie wir erfahren, lediglich die Entschlossenheit sowohl des Zentrums, als auch der Deutschen Bolkspartet zum Ausdruck, bah. wenn sich eine andere Möglichkeit zur Beilegung der Krise nicht ergebe, ver- sucht werden soll, mit de» bisherigen Soalitionspartcic« nnd gegebenenfalls auch ohne die Demokraten eine Regierung zu bilden. ES würde sich dann allerdings weniger um die Neu- bildung des Kabinetts handeln, als vielmehr darum, dah unter einem neuen Kanzler das bisherige Kabinett weiter regiert. Nach dem Ueberblick, den man heute abend über die Lage gewinnen konnte, dürften sich insofern größere Schwierigkeiten ergeben, als die Demokraten geneigt zu sein scheinen, daraus zu bestehen, daß der versuch der Bildung einer «rohe« Koalition, wiederholt wird. Ein solcher Versuch würde allerdings nur eine Verschleppung der Krise bedeuten, denn namentlich in de« Kreise« der Deutschen Volkspartei steht man ans dem Standpunkt, bah sich innerpolitisch mit den Sozialdemokraten keine fruchtbare Politik treibe» laste. Es ist kaum zu erwarten, daß Dr. Gehler, der ja vom Reichspräsidenten nur den Aus» trag hat, rin KabtnettaufderBasisder Mitte zu bilden, sich aus solche Experimente cinlassen wird. Im allge meinen hält man eS auch in den parlamentarischen Kreisen sür daS Beste, wenn zunächst versucht wird, die alte Koalition wieder herzustellcn und sich dann wie bisher mit wechseln den Mehrheiten durch die parlamentarischen Strudel hindurch zuwinden. Allerdings sei diese Lösung keine ideale, aber eine solche laste sich jetzt nicht finden, wie überhaupt bei unserem parlamentarischen System sich wohl kann, etwas Ideales werde ergeben können. ES läßt sich schon jetzt ziemlich deutlich sagen, baß der MeichSaußenminister Stresemann, der ArbeltSmtnistcr Lira uns, der Postminister Gttngl, der NcichsverkchrS- mtnister Kr ohne und vielleicht auch der Wirtschaftsminister Curtius verbleiben dürften, zum Teil schon deshalb, weil diese Minister jahrelang ihre Posten innchaben und deshalb als Fachminister gelten, während im Finanz-, Innen- nnd Justizministerium Veränderungen eintreten dürften, im letzteren schon deshalb, weil Dr. Marx bereits wegen seiner Wahl zum Fraktionsvorsitzcndcn des Zentrums die Nieder- legung seines Postens angekündigt hatte. Z» den Angabe», baß daS Kabinett unter Umständen nach rechts hin erweitert werden könnte, erfahre« wir von dentfchnationalcr Seite, daß ma« in der dentschnationalen Fraktion wenig Neigung ver spüre. sich an einer Regierung ,n beteilige«, da sür die Deutsch- nationale Partei die grnndsästlichen Frage» der Außenpolitik noch längst nicht als geklärt anznsehen seien. Dr. Gehlers erste Bemühungen. Berlin, IS. Mai. ReichSwchrminister Dr. Geßler ha« bereits hente nachmittag eine Fühlungnahme mit den Führern der Mittelparteien, als» des Zentrums, der Deutsche« volkSpartei, der Demokraten und der Bayrischen BolkSpartet, ausgenommen. Diese Besprechungen führ- te« natürlich noch ,« keinem abschließende« Ergebnis, dg hie Parteiführer am Freitagvormittag von der «enen Sachlage »«nächst einmal ihre Fraktionen «ntcrrichten und deren Stim. mung erkunde« wollen. Immerhin dürfte Dr. Geßler bis Freitag mittag so weit im Bilde sein, daß er entscheide« können wird, ob er de« Ersuchen d«S Reichspräsidenten Nachkomme» kan« »der nicht. Wie man noch hört, soll innerhalb derDemokratl- schen Partei die Absicht bestehen, falls die Demokraten sich an einer gleichgearteten Koalition, wie der bisherigen, be- tciligen, den Innenminister Dr. Külz wegen seiner Haltung in der Frage der Flaggenverordnnng durch eine andere Per sönlichkeit zu ersetze«. ES liegt die Vermutung nahe, daß die,» .andere Persönlichkeit" niemand anders sein soll, als der demokratische FrakttonSftihrer Dr. Koch, der sich jetzt durch seinen Sturmlauf gegen das Kabinett Luther eine Art republi. kansschen Ruhm erworben hat. Wie aus sicherer Quelle verlautet, wnrbe de» Vertreter» der Demokratischen Partei von de« übrige« RegiernngSpar, tete« erklärt, daß sie znuächst de« Flaggenerlaß als gegeben« Tatsache ««erkennen müßte«, wen» sie ans ihr verbleibe« in der RegierungSkoalitio« Wert legte«. Da» Zentrum und dte Krise. Berlin, IS. Mat. Dte „Germania" weist gegenüber anderslautenden Darstellungen daranf hin. daß sich die v«. fprechung zwkschen -<« Abg. v. Guerard und dem Frak- tionsführer der Deutschen Bolkspartet lediglich mit den Möglichkeiten der künftigen Regierungsbil dung befaßt habe. Der Aba. Scholz habe darauf den Vorschlag gemacht, auS dem Zentrum, der Deutschen und der Bayrischen Bolkspartet dte neu« Regierung zu bilden. Zu diesem Vorschlag habe Herr von Guerard. da über diese Dinge noch in der Fraktion gesprochen werden müßte, noch keine Stellung nehmen können. Herr von Guerard habe dabei betont, daß nach seiner Anffastnng bei der gesamte« politische« Lage ei« Eintritt der Dentsch- nationale« in das Kabinett überhaupt nicht in Frage kom me« könnte. Nach der Abstimmung im Reichstag hatte Herr von Guerard einem Wunsch des Führers der Sozialdemo kraten. Müller.Franken, entsprechend, eine Be sprechung mit diesem, in der dt« durch dte parlamentarischen Vorgänge geschaffene Lage behandelt wurde. Verwunderung in Amerika. Berlin. IS. Mai. Nach den hier eingetroffenen Mel dungen über die Beurteilung des Rücktritts des RetchSkabt- netts in der amerikanischen Presse bat das Ereig nis dort keine Ueberraschung hervorgerufen. Allerdings kommt in den amerikanischen Kommentaren daS Erstaunen darüber zum Ausdruck, daß gerade dte Flaggenfrage den Anlaß zum Sturz der Negierung gegeben habe. Diese Anffastnng wird besonders in deutschamerikanischen Blättern vertreten. So schreibt die „Neuyorker Gtaatszei- tung", daß mit Luther auch der RetchSverfassung ein Mißtrauensvotum erteilt worden sei. da ia dte RetchS- versastung neben der schwarz-rot-goldenen auch ausdrücklich die schwarz-weiß-rote Flagge mit -er Gösch vorsebe. Dte Samburger Bürgerschaft und die Flaggenverordnung. Hamburg, IS. Mai. Die Bürgerschaft beschäftigte sich am Mittwoch mit der Flaggenverordnnng und -er angeblich«« Beteiligung deS Senators Dr. Burchardt- Motz an der Vorbereitung dieser Verordnung. D«r Senat ließ erklären, daß der Senator Dr. Burchardt-Motz sich als Privatmann und als Vertreter der Auslands, deutschen für diese Verordnung eingesetzt habe. Der Senar habe beschlosten, daß seine Mitglieder, auch wenn sie als Privatpersonen ähnliche Schritte bet der ReichSregterung unternehmen, vorher den Senat davon in Kenntnis zu setzen haben. Gegen die Stimmen der Dentschnationalen und der Deutschen Volkspartei wurde ein sozialdemokratischer Antra« angenommen, der den Senat ersucht, bei der Reichsregierung für die Aufhebung der Flaggenverordnung einzutreten. Der Bürgerkrieg in Polen. Warschau in -er Kan- Pilsu-skis. «onderpolnischeuGrenze.ir. Mai. Die Militär» revolntio» hat sich anf eine« großen Teil von Pole« ans» gedehnt. Marschall Pilsndski erhielt hente nachmittag die Nachricht, daß die Regimenter in Kielce. Siedle« und Minsk-Mazowicck lowie in vielen anbere» Städte« sich ihm angeschlostcu hätte« und anf Warschau marschierte». Ucber Warschau wurde derBelagernngSznftandverhängt. Alle Regierungsgebäude sind bnrch regierungstreue Truppe» besetzt worbe«. Die Führung der RegiernugStrnppe« soll General Sikorski übernommen haben. Die Regierung, die sich der Lage nicht mehr gewachsen fühlt, versnchte durch Mittelsmänner Verhandlungen mit Pilsndski ans« zuuehme«. Fast sämtliche Zngverbindungen von and «ach Warschau sind eingestellt worden. Nach andereu Meldungen soll Warschau nach hcstige« Kämpfen bereits i« der Hand Pilsudskis sei«. Pilsndski soll mit dem StaatSvräsidenten über die Ren» bilbnng einer LinkSregiernng verhandeln. Piisu-jkis For-erungen. Prag. IS. Mai. Die „Prager Presse" meldet aus Warschau: Die durch den Einmarsch der Anhänger Pilsudskis in Warschau gestern abend geschaffene Lage ist bis zur Stunde un verändert. Als Pilsndski gestern von Osten kommend an der einzigen Straßenbrücke, die vom Vorort Prags nach Warschau führt, erschien, wurde ihm eine größere Truppen abteilung unter Führung eines Adjutanten des Kriegs- Ministers Malozewski entgegengcstcllt. Es kam zu einem W a f f e n st t l l st a n d. Die Regierung suchte den Marschall zum Rückzug« zu bewegen. Pilsndski antwortete mit der Aufforde rung an die tagSzuvor vom Prästbenien vereidete neue Regie rung SSitoS, sofort znrückzu trete«, damit unter Führnng einer starke« Hand die Bildung «ineS überpartei lichen Kabinetts von Fachmännern bnrchgeführt «erbe. Di« Verhandlungen endeten ergebnislos und Pilsndski erzwang leinen Eintritt in die Hauptstadt mit bewaffneter Hand, wobei nach einige» KLmpjen die RegicrungStruppen überwältigt oder znrückgebrängt wurde«. Die Reiter Pilsudskis durchzogen sofort die Hauptstadt und erreichten am anderen Ende der Stadt daS Belvedere, das jedoch im Besitz der Wache deS Präst. denten blieb. Die Zitadelle soll sich In der Hand deS Kriegs- Ministers befinden, der auch PanzerautoS und bewaffnete Aeroplane bereithält, falls ein Entscheidungskampf einsetzen sollte. Die Aktion Pilsudskis war nach Besetzung einiger Mini sterien und deS HauptbahnhoseS vollständig beendet und eS setz ten neue Verhandlungen ein. in deren Verlauf sich Sejm-Marschall Dr. Rataj bisher ergebnislos um einen Vergleich bemühte, der eine srtedliche Beilegung der Staat». krise ermöglichen soll. Pilsndski forderte in politischer Be« ziehnng Garantie« sür eine Befreiung der beiden wichtigste« Restarts des Krieges und des Acnßer« von parteipolitische« Einflüssen, die er von der «enen Regierung befürchte. Bor neuen Kämpfen. Die Gegenmaßnahmen der Regierung. Prag, 13. Mai. Die „Prager Presse" meldet unmittelbar von der Grenze: Die Warschauer Regierung ist bei Einbruch der Dunkelheit aus dem Palais des MiiiisterratS in da» Belvedere übergcstcdclt, wo die Präsidcntcnwache und alle regierungstreuen Truppen konzentriert sind. Di« auS- gedehnten Parkanlagen, die das Belvedere »ach allen Seite» umgeben, sind der Schauplatz der Kämpfe, die zur Stunde wieder begonnen habe«. Die inner« Stadt ist in der Hand Pilsudskis. der seinen Stab im sächsischen Palais versammelt hat. Die Regierung ver- sucht, die Verhandlungen in die Länge zu ziehen, mn Zeit für dte Heranziehung von Verstärkungen zu gewinnen, KrtegSmInistcr Malczcwski hat den Entschluß gefaßt, den militärischen Schutz der Regierung dem neilernannten Kom mandanten von Warschau, Dzierzanowski, zu über tragen und die Organisation des Widerstandes außerhalb Warschaus zu beginnen. Die Fliegerabteilung in Mokoto» hat sich der Negierung zur Verfügung gestellt, ebenso bi« Posener Regimenter, die seit gestern nach Warschau unterwegs sind. Ter Telephonverkchr ist im ganzen Lande unterbrochen, um -ie Mobilisierung der Anhänger Pilsudskis zu verhindern. Die Hauptstadt Warschau ist in Erwartung entscheidender Kämpfe seit Mitternacht wie nuSgestorbcn. Man sieht nur Truppenabtcllungcn. deren Offiziere des LegionärSabzetchen tragen. lW. T. B.) Alarmbereilschasl tn Vslvberfchlesten. Gleiwitz, 13. Mai. Wie aus Kattowitz gemeldet wird, ist der Telephon, und Tclcgrammverkchr nach dem Auslande vollkommen gesperrt. Die Organisation der Unter- offtziere in Polen, die der faschistischen Richtung an- gehört, ist schon seit Tagen in Alarmbereitschaft um- hat den Befehl, sich »um Marsch nach Warschau berettzrchalten. Um wicht ganz Ostoberschlesien von faschistischen Kräften z-u entblößen, — da man auch hier mit größeren Unruhen rech- net —, sind vorläufig nur je zehn Mann von jeder Orts gruppe für den Marsch nach Warschau bestimmt worden. Auch für daS Militär in Ostoberschlesien ist Alarmbereitschaft an- geordnet worden. Die polnische Press« drückt die Befürcht«»« ans. daß dieser Putsch, wenn die Gegensätze zwischen rechts und links sich nicht Überdrücke« lasten, nnr der Vorbvte zu« allgemeine« Bürgerkrieg in Pvle» sei« bSrst«.