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7». Jahrgang. M <»7 Mittwoch, 29. Sepiember 192« Gegründet 1888 «radlanlchrtst, «achrichlo» Dr«,»,,. g«rnIpr»ch»r-Somm»ln«mm»»> 20 2<01. «In» für Naqig»lpr»ch,i 20 011. » NUaki'lk,- v°n> I« di» 3ü.Sepl»md«r l02ü d«> Mal. jw»imul,g«r3uft,lluna Ire, Nau» l.bo W». Bezugs* IVböUyr P,ftd,jug»prei» >ur Mono« Sepirmder r Mark onn» Pllftluss,Uuna»a«bÄ>r. I« VI«»»i>. Di» SlnjElaen werden nach «aldinark derechnel: di« «tnloallig» SV mm dretli Anzeigen-Preile: L aukerdald Soll Hlg. Oslerlenoedukr 10 Pia- Au sw. Auliräu» neuen Parau»de,akl. SchnIUeitunq und «aux>lg»>chSN»N»I» w«ri»»Nr»8» 26 »2. Druck u. Drrlaq van Ijlrplck ck Artchardl in Tre»r>rn, PaNIchrck-Konla 1068 Dr»»d,n. Nachdruck nur mt> «»ulllcher vuell»nanaad» .Dresdner Nachr " ruliilliq. Unverluna» EckrUMuck» wrrden Nicki aulbewadrl. »Ill.U. 1..tUIUUIU1tUt.UUUI1IttII» ffNltttlllMIIUAMMNIMMtlUMIUttttUUtU.I Hl...U1IU!!1UU1l.tUUUU.^1.1V.1..1..MttUlU»ttMUM krsslsussnl 81sc!16o1ks 0sk8llkN8 alldssükmte 628l8lS11e l fsinsls ^üclis — Vollwsi-tigs Sisrs: dlünciinoi- ^atilSssr-Sräu, Vortmuricisr Union Nrno» NSgol tun. »litt« Et» SttLrrrttHtttLrusuL lllillisll' Hindernisse aus dem Weg von Wird. Ernüchterung in Paris und Berlin als Folge -er auslauchen-e« Schwierigkeiten. Deutsche Vorstellungen wegen -er Germersheimer Bluttat. — Die Angriffe -es Dr. Frie-ensburg gegen -en Aeichsprasi-eriken. Wie -er „Mäkln" -ie Lage siehl. Paris, 28. September. Der Außcnpolitiker des „Matin* will über die Stimmung in Berlin sestgestellt haben, daß man etwas zurückhaltender hinsichtlich der in Thoiry in grohen Zügen entwickelten Politik geworden sei. Es wäre übertrieben, von einem Rückzug zu sprechen, und nicht ganz gerecht, von einem Schwanken zu reden, aber man stelle eine Pause fest, eine Zeit zum Ueberlegen bei Männern, denen die Schwierigkeiten und Hindernisse sich seht klarer abzcichneten, als unter der schönen Sonne von Tboiry. Die Nachrichten seien nicht gut. .Die Diplomaten seien mit ihren Berichten nicht optimistisch, ebensowenig die Korrespondenten und die Banken. In Italien habe der Gedanke einer französisch-deutschen Verständigung eine hef- tige Kampagne auSgelvst. In England bewahre man. da die Negierung noch andere Sorgen habe, eine höfliche Zurück haltung. Aber die Eitn-Blätter spiegelten die schlechte Mei nung der Finanzkrise wider. Selbst in Belgien scheine man ein wenig Ucbcrraschung zu zeigen, und dieselben Männer, die mit Deutschland Verhandlungen gepflogen hätten über Eupcn und Malmedn. wunderte» sich ein wenig darüber, daß die französische Regierung Beziehungen an- knüpse. die zn einer neuen Interpretierung dcS Versailler Vertrages führen mühten, während der Gedanke einer TranS- aktion zwischen Belgien und Deutschland io viele Einwen dungen in Paris hcrnorgerufen habe. Was die Ameri- kaner anbctrcffe. von denen der Anhenpolitiker die guali- sizicrtestcn schon in Berlin gesprochen haben will, so sei ihre Stellung klar: Di« Ratisizicrnng dcS Abkommens von Washington «Lffe vor allem erfolgen. AlSdann werde es möglich sein, Gelb zu finden, aber die Ziffern, die man an- sübrc. seien stark übertrieben. Die gröhte auswärtige An- leihe ote in Neuyork seit dem .Kriege aufgelegt worden sei, sei zugunsten Australiens erfolgt. Sie habe nicht INK Mil lionen Dollar überschritten. ES sei ivghr, das, der deutsch-fran zösische Kredit nach einer wirtschaftlichen und politischen Ver ständigung höher als der australische geschätzt werden könne. Aber Deutschland schulde auch Geld an Frankreich, und. wie ein amerikanischer Finanzmann gesagt habe, man möchte nicht alle Eier in den gleichen Korb legen. Das seien nur ungün stige Nachrichten, unter denen sich die Meinungen in Berlin bilden, und sie würden auch nicht durch ermutigende Nach richten ans Frankreich ergänzt.. Paris hött an -er Krlegsschul-lllge fest. Paris, 28. September. Die rechtsstehende „Liberia" lehnt sogar die selbst von Poincarö geteilte Ansicht von den zweierlei Deutschen, den „Schlechten und den Fried lichen" ab. Die Deutschen würden sich niemals dazu ver stehen. das Kaiserreich und de« Kaiser als den Kriegsschuldi ge« zn erklären. Im übrigen würde die Ablehnung der Kriegsschuld durch die Deutschen viel wcitcrgchendc Folgen habe», als cs den Anschein habe. Der Versailler Vertrag sei aus die Schuld der Deutschen am Kriege anfgebaut. Fiele diese Formel, so hätten die ganzen Reparationszahlungen ihre Berechtigung verloren. Die deutsche Politik verfolgt die schrittweise Anfhebnng der Klauseln deS Versailler Vertrages, wie die französische Politik seinerzeit allmählich den Vertrag v-n 1818 zerstört habe. Die gleiche Ansicht wird auch in anderen rechtsstehenden Organen entwickelt. lT. U.) Amerika zur Äriegsfchuld-ebatte. Nenyork, 28. Sept. In einem Artikel ü>bcr die Frage der Schuld am Kriege sagt „World": Nichts könnte für Europa verhängnisvoller sein, als eine solche Auseinander setzung gerade in einem Augenblick, wo eS endlich "beginnt, sich vom Kriege abzarwenden und nach einem ne uen Frieden zu streben. Es liegt im Wesen solcher Unternehmungen, wie der Verträge von Locarno oder des nce:en in Thoirn be sprochenen wirtschaftlichen Programms, das; sie nicht rückivärts sondern vorwärts schauen, datz sie weder Schuld »och Un schuld wägen und weder Besiegte noch Sieger kennen, sondern dass sie einfach und so klug wie Mcüschen cs tun können, für die U e b e r l e b e n d e n der europäischen Katastrophe sorgen. — „N ew Nork Times" sagt: Das deutsche Nationalgesühl darf wohl anf eine Beseitigung des moralischen Schandflecks, den ihm der Versailler Spruch ansdrücktc, dringen. Bon einem anderen Standpunkte aus ist die Frage der Schuld am Kriege rein akademisch. Heute sind Worte, die Pvincarö in Paris oder Strosemann in Berlin sagen, von geringerer Vedei-olung, als di« Handlungen Frankreichs und Deutschlands bei ihren Begegnungen in Genf. jW.T.B.j Wahrheit und Dichtung über Germersheim Das Ergebnis -er -rutschen Untersuchung. Mannheim, 28. Sept. Die durch den NegierungSpräsiden- tcn der Pfalz über de» tragischen Zwischenfall in Germers- hcim angestellte Untersuchung l>at folgendes einwandfreies Vild von den Vorgängen in der Nacht zum Montag ergeben: In der Nacht znm 27. September wollten vier junge Leute, die von 8 bis 12 Uhr in verschiedenen Wirtschaften verkehrt hotte», sich nach Hause begeben. Sic trugen weder Waffen bei sich, noch waren sie betrunken. Es war auch vorher nicht -» irgendwelchen Zmam-menstöllen oder auch nur zu einem Wortwechsel mit Franzosen gekommen. Außerhalb der Stadt, am Ludwigstor, sahen die jungen Leute einen Zivilisten stehen, der sie aufmerksam beobachtete. Aus -er Gruppe der vier Leute lüste sich darauf Holz mann und näherte sich-dem Unbekannten, der ihm etwas in französischer Sprache zurfef, wos Holzmann,abcr nicht verstand. Der Franzose schlug dann nach Holzmauu mit seiner Reit- ^ peitsche und gab. ohne datz von seiten des Angegriffenen etwas geschehen wäre, ans einer Pistole zwei oder drei Schüsse ab. von denen einer Holzmann ins Gesicht traf. Die übrigen jungen Leute kehrten darauf um, »an Holz- mailn ins Krankcnlians zu bringen. Unterwegs begegnete Ihne» der F » h r in a n n M a t h e S, dem sie den Borsall erzählten und der daraufhin vorichlng. aus den Franzosen, der die Tträtzc hcruntcrkoinmen müsse, z» warte», um seine P er- so »alten fe st z » st e l l e n. Der Franzose kam auch und ging zunächst an der Gruppe vorbei, die ihm dann in einiger öiilfcriliing folgte. AIS die jungen Leute den Franzose» betnahe etngehvlt hatten, drehte er sich »in und drohte zu schießen. Zwei der jungen Leute flüchteten daraus. Müller und ein gewisser Hermann Fechter, der neugierig geworden war. schlossen sich an Mathcs an und beide gingen weiter hmtcr dem Franzosen her. Dieser drehte sich wieder um und ries de« Deutschen z«: „Vorsicht! Kommen Sie nicht Hera«, gehen Sie zurück!" In diesem «ngcnblick schob der Franzvse nach Mathes und Fechter aus einer Entfernung von etwa 1 Meter. Er traf Mathcs in den Kops. Passanten, di« sich inzwischen einfandcn. bemühte» sich nm den SchweroeAvun. seien. Aus Sen Häusern kamen die ausgeschreckten Bewohner -erauS. Da fiele« eine Reih« weiterer Schüsse, von denen zwei den Ernst Müller trasen, »nd zwar einer in de« Arm und der zweite ins Herz. Müller brach sofort tot zusammen. Kurz vorher hatte sich ein zweiter französischer Zivilist esngcfunden, der ebenfalls Matches und Fechter ausgcfordcrt hatte: „Bleiben Sie stehen, gehen Sie zurUckl" Es ist fest- gestellt worden, bah sämtliche Schüsse aus einer Waffe deS Unterleutnants Roncior vom französischen Artillcrie-Regt. 811 abgegeben worden sind. In der vergangenen Nacht hat sich ein neuer Zwischenfall ln Gerwershelm ereignet. Ein Brückenwärter erstattete Anzeige, datz a«S einem Antomobtl, das anscheinend von einem Franzosen ge- stcnert wnrde, ein Schntz ans ihn abgegeben worden sei. Der Fall ln Aavas-Dekeuchkung. Paris, 28. SepteMbex. Havas gibt in einem Telegramm aus Mainz über die blutigen Vorfälle in Germershetm sol> gende Schilderung: Nach den in Mainz eingegapgenen Er kuiidigungen über den zwischen einem französischen Offizier und mehreren Deutschen in Germershetm entstandenen Streit ergibt sich, dgtz äm Läuse des SoüntageS französische Soldaten mehrfach v«t dfssscn Deutschen provoziert worden sind. AM 27. September llegim 1 Uhr früh hätte« S Deutsch« «ine« Offizier änr.Stadttor angegriffen. Der bedroht« und geschlagene Offizier habe in Rot wehr einen feiner Angreifer vertonndpt, nachdem er znvor eine« Schreck schuß abgegeben habe. Ans dem Heimwege fei er er « e « t angegriffen worben. Er habe sich ein zweites Mal verteidige« müssen und dabei einen Deutschen ge tötet «nd eine« anderen verwundet. Vom französischen Militärgericht sei eine Untersuchung eingelcttet worben. Dieser Bericht spricht für sich selbst. Stn -eulschrr Schrill wegen Sermershelm. lD u r ch tz u n k s p r u ch.» Berlin, 28. Sept. Wie das „B. T." a«S Karlsruhe meldet, wird der Bertrctcr des ReichSkommissarS für die be setzten Gebiete, Graf Adelmann, heute bei der Inter, alliierten Rheinlandkvmmissto« «arstellnn» gen «egen des Vorfalles inGermerShetmer- heben. NePUblikamrbund und Einheitsstaat. Wirtschaftsgebiete an Stelle von Ländern. Eine Vereinigung, die sich Republikanischer Reichsbund nennt, hat am Sonnabend und Sonntag in Berlin getagt. Viel hat man von dieser Organisation bisher nicht gehört. Vor zwei Jahren hielt sie einmal in Frankfurt a. M. eine „Führertagung" ab, bei der die Geführten fehlten, weil ihrer zn wenige waren und man eine so kleine Heerschau zu ver anstalten sich scheute. Der Elou mar damals die Erklärung, datz das politisch-pädagogische Ideal deS Bundes die Heran bildung des „demokratisch-republikanischen Normalmenschen" in Deutschland sei. DaS genügt wohl, nm die Geistes verfassung dieser Gruppe zu kennzeichnen, die damals auch von dem leitenden Frankfurter Demokratenorgan et»«« un zweideutigen Korb erhielt durch die Erteilung de» Rater, sich nicht in theoretische Spintisierereten zn verlieren. Das nahmen die Rcpublikanerbttndler übel, und so gingen sie dies mal nach der Retchshanptstadt, deren scharf radikal eingestellte Asphaltdemokratie ihnen so gut gefallen hat, datz sie flugs eine Berliner Ortsgruppe gründeten, von der aber nur die Führer namhaft gemacht werden: wieviele Mitglieder. sich ein geschrieben haben, wirb nicht verraten. Tic beiden Haupt- gcgenstäiidc der Verhandlungen bildeten der Einheitsstaat und die Demokratisierung und Republikanisierung der Ver waltung und der Justiz. Bei der Erörterung des zweiten Themas arbeiteten sich die Herren Dr. Wirth, Scheidemann und Dr. Grotzmann, der Vorsitzende des Republikanischen RichterbundcS, verständnisinnig in die Hände. Wie sich der Republikanische Reichsbund die Verwirk lichung dcS Einheitsstaates denkt, hat er in einer aus Anlatz der Berliner Tagung herausgegebenen Denkschrift dargclegt, -er eine Karte mit der von ihm gewünschten geographischen Neuordnung Deutschlands bcigcgebcn ist. Danach sollen an die Stelle der jetzigen l8 Länder 11 Wirtschaftsgebiet« in Form von Retchsprovinzen treten, nämlich Ostpreußen, Pommern-Mecklenburg, Brandenbnrg mit Berlin, Schlesien» Mitteldeutschland oder Grotz-Lachscn mit Thüringen, Nieder sachsen, Norddeutschlanb, Rheinland-Westfalen, Südwcst- deutschland, Süddentschland, Bayern. Nach dem Anschluß Dcutschösterretchs käme dann iwch dieses Gebiet hinzu, um das Dutzend voll zn machen. Hieraus geht klar hervor, datz der Republikanische Reichsbund die Erreichung seines Zieles über die Zertrümmerung Preußens hin anstrebt. Damit findet er aber in seinen eigenen Reihen keine Gegen liebe. Führende Zentrnmsblättcr bemängeln die Willkür der vvrgeschlagencn „Neugliederung", sowie ihre völlige Uid- cmpfindltchkcit gegen ideelle und kulturelle Momente, die bei der ganzen Frage doch auch erheblich i»S Geivicht fallen, und legen ein unumwundenes Bekenntnis zu einem „starken Preußen" ab, „das im Reiche nötig sei". Sogar Dr. Wirth Uetz durchblicken, Satz er anf diesem Wege nicht mit gehen könne. Ministerialdirektor a. D. Dr. Spieker, einer der lautesten Heroldsrufer des linken Zentrumöflügels, meinte, die Wiederherstellung der preutztschen Vorherrschaft sei zwar nichts Erfreuliches, aber doch immerhin das kleinere Nebel im Vergleich mit der völligen Zerschlagung deS preußischen Staates. Dr. Spieker setzte auch noch weiter dem »nitaristi- sche» Uebereifer dcS ReichSbnndcs einen Dämpfer ans durch die sehr richtige Bemerkung, daß die Frage der Herbeiführung des Einheitsstaates nicht gerade breünend sei und daß ein Ausgleich zwischen den beiden Standpunkten deS Einheitsstaates und der bnndes st a all iehe » ltederung des Reiches durchaus im Bereiche der Möglichkeit liege. Hier ist -er Fingerzeig für die Richtung gegeben, in der sich die fernere Entwicklung der innerstaatlichen Ausgestaltung des Reiches auf natürlichem Wege ohne Vergewaltigung durch zwangsmätzige Eingriffe nach dem Rezept deS Republika nischen Reichsbundes vollziehen muß. Gewiß ist nicht z» vcr» kennen, daß starke verwaltungStcchnische und wirtschaftliche Gründe sowie einschneidende Sparsamkcitsriicksichten eine all mähliche Vereinfachung des jetzigen viel zu verwickelten staatlichen Apparates in Deutschland nicht bloß wünschens wert, sondern notwendig machen. Man kann vor allem nicht an der Tatsache oorübergehr». daß der fortschreitende Wirtschaft-- Prozeß ganz andere moderne Zusammenhänge geschaffen hat, al» t« In den altüberlieferten politischen Grenzen der einzelne» Länder gegeben sind. Einzelne große Industriezentren er- trrcken sich mit ihren wirtschaftlichen DaseinSbrdtngunge» und ihrem Interesse an einheitlicher Produktion nicht bloß