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Dresdner Nachrichten : 01.01.1899
- Erscheinungsdatum
- 1899-01-01
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id501434038-189901010
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id501434038-18990101
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-501434038-18990101
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Dresdner Nachrichten
-
Jahr
1899
-
Monat
1899-01
- Tag 1899-01-01
-
Monat
1899-01
-
Jahr
1899
- Titel
- Dresdner Nachrichten : 01.01.1899
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Teile 2. Belletrinischc Soittltaas-Bcilagc zu dc« »Dresdner vrachrildten". »oransirtzen muffen. Lüdben muthele ihm nur zu. was er selbst in solchem Und nun zögerte er auch nicht länger, zu thun, was ihm das Herz gebot. Falle unbedenklich angenommen hätte und wofür er. da er es nun großmüthig Ruth hatte wirklich die Genugthuung, eine förmliche Liebeserklärung zu kr anket, Tank erwartete. halten, bevor Frau Doktor Schneller die Genehmigung dazu ertherlt hatte. Bernhard zeitig das Blatt und warf doll Ekel die Fetzen weg. Es bereitete ihr ein großes Vergnügen, die verehrte Freundin durch die Nach- Es war nicht das letzte Häßliche, womit er sich abzufinden hatte. Bald richt überrasche» zu können, dag sie glückliche Braut sei. ..So ist's nun ganz daraus langte auct^ ein Schleiden von seiner Schwiegermutter an. Sie über- nach meinem stillen Wunsch gegangen." tagte Frau Bertha, sie abküssend, häufte chn mit Schmähungen wegen seiner Lieblosigkeit und konnte nicht „und diesmal — dafür verdinge ich mich — wird s halten." genug Worte des Bedauerns für ihr armes Kind finden, das er ans dem Ge- Die Verlobung n urde sogleich bekannt gemacht, und es fehlte nun in der wissen habe. Sie wolle nicht einmal von der Grausamkeit «brechen, ei» so Pukstube der Justizrüthin nicht an Gratulanten. Auch Frau Braunsels keuchte zartes Geschöpf, das jedes Graienschloß geziert häkle, in eine elende Ar beiter- wieder die dritte Stiege hinauf und war sehr gerührt. „Eine io gute Partie Wohnung zu führen und zu Magddienslen zu nöthigen; daß er der jungen für das liebe, bescheidene Mädchen — und Herr Merholz hatte ja gar keine Frau aber keinen vassenden Umgang verschafft, jedes Vergnügen versagt und bessere Wahl treffen können — ein wahrer Segen für die alte Rathsapotheke!" sogar den Briefwechsel mit der leiblichen Mutter verboten habe, werde Jeder Und rann, immer mit dein Tuch an den Augen„Ihnen, meine besrc Justiz- äanz unverantwortlich nennen. Wie könne er sich wundern, wenn unier rathi», wird es ja natürlich sehr schwer werden, sich von dem lieben Kinde zu solchen Umständen eine Frau, deren Mann tagüber außer dem Hause sei und trennen. Aber das ist doch nun einmal das Loos der armen Mütter. Wenn A derids abgespannt zuiückkehre. auf die unsinnigsten Gedanken verfalle und ich an meine Toni denke . . . Die Hochzeit siebt vor der Thür, und dann . . Thorheiten begehe, von denen das Her; nichts wisse! Wenn er das bedacht Aber ich behalte sie wenigstens im Hause. Nur eine Trepve höher . . . Und hätte, würde er über den bedauernSwetthe» Vorfall gar kein großes Geschrei die .Hochzeitsreise» I Finden Sie nicht auch, daß sie eigentlich eine abichcu- r»hoben, eher sich selbst ernstliche Vorwürfe gemacht und ein richtigeres Ver- liche Gewohnheit sind? In den Gasthäusern . . . Nun. ich habe mir schon kalken aelobt baden. Sie wolle Thilde nicht entschuldigen — das that sie etwas ausgedacht, Toni zu Hilfe zu kommen. Aus meinen Schwiegersohn freilich in jeder Heile — aber verzeihlich sei ihr Fehler gewiß, und sich zu kann 'ch mich ja verlassen, das ist ein Glück. Und wissen Sie, Liebste, wenn ihiem Richter amzuwerfen yabe er nicht das mindes.e Recht. „Ich denke." ein Mann so dankbar zu sein allen Grmid hat — man kann etwas von ihm schloß sie, „Sir werden inzwischen schon zur P>!n>w.u>g gekommen sein und verlangen, nicht wahr? Man kann Vorschriften machen. Aber doch - ich ktngesehen haben, daß Thilde destrait genug is Sie versichert. Sie noch zähle schon vor Angit die Tage Eine Freude freilich bleibt S immer, wenn tri.er zu lieben. Mir uiidegreislich, will sic noch» als Ihre Armut!) mit Ihnen eine Tochter sich verlobt- Und nun ein Mädchen ohne Vermögen — ich kann Ihr reu. wenn Sie versprechen, ihr nichis uachzutragen. Sie sehnt sich auch das ja sagen, da es die ganze Stadt weiß — ja. da ist die Freude doppelt, »ach ihrem Kinde und wird in keine Scheidung willigen. Wir werden ad- Einzig und allein das hübsche Gesichtchen und der liebenswürdige Charakter — lvaite», ob Sir das Hey haben, gegen die unglückliche Frau Klage zu erheben. Sie dürfen stolz sein. Hoffentlich stattet das Pärchen rasch seine Visiten ab. Wir erwarten eher, vag Sie Thilde recht bald benachrichtigen. sie hätten damit man es zur Hochzeit einladen kann. Und Sie. verchrteste Frau, dürfen ivreder eine Wohnung und wollten sie da freundlich annehmen. Für die uns kernen Korb geben — Ihre schriftliche Ablage nehme ich gar nicht an — Reisekosten und eine passende Ausstattung werde ich sorgen. Thilde weint ach nein, es wäre zu nett, wenn wir Sie unter uns hatten." viel und benimmt sich überhaupt nionchmal ganz närrisch. Das muß ein Ende Tie Justizräthm entschuldigte sich. Eine so laute Festlichkeit sei nicht mehr Kaden. Schreiben Sie bald, daß sie kommen kann. Bis dahin trotz aller für sie und sie habe dazu auch kein K'eid anzuzieden. Ader am Tage vorher »nverdiemen Kränkungen und Beleidigungen Ihre Sie hochachtende Ulrike werde sie ganz leise anklopfen und ihren Glückwunsch anbringen. Sie glaube Blumbach " auch nicht, daß Ruth und ihr Bräutigam sich der Geiellichart würden zeigen Auch Meie» Brief beantwortete Bernhard nicht. Er hatte seiner Frau wollen. Aber später wiirden sie genug nicht verfehlen . und Io weiter, den Weg ebnen wollen, eine Löiung des Verhältnisses hnbeizufuhien. ohne . Auch Ellen kam. S'.e gratulirle sehr herzlich, ..so ha, sich Alles nun sich vor Gericht schuldig bekennen zu müssen — mehr vielleicht von dem doch gefugt, wie cs tollte," sagte sie, „und es tst sicher gut, daß sich das Gluck kieunende» Wunsche geleitet, selbst unter >eder Bedingung befreit zu weiden, etwas Zelt gelassen hat. llebereilt nur auch die Heualh nicht. Ich habe als aus Grotzmrfth. Jetzt dachte er schon ruhiger darüber. Es war ihm nicht unr immer eine» längeren Brautstand als einen rechten Segen gedacht Es diel mehr daran gelegen, ob das Ehcdand auch noch durch einen Richtcripruch ist doch nicht genug, dag Zwei einander von Herzen gut sind. Das vereinigt zerrissen werde oder dem Namen nach bestehen bleibe. An dem Entschlüsse, üe. Aber dann müssen sie wirklich Eins zu werde» suchen, damit es nur noch selbst nicht zu Nagen, hielt er fest. eine Formel ist, was io Vielen leider das Wesentliche scheint." Nun trug ei sich viel mit Reisepläncn. Seine Gegenwart hier war ja sie nnhm die kleine Käthe auf den Ann und liebkoste sie. Das that sie deS Prozesses wegen nicht mehr erforderlich, und die gewöhnliche Rlngheit ^ ^ besuchte. Mil Bernhard zulamenzritreffen brauchte rieth. weitrlkii Annäherungsversuchen nach Möglichkeit wert aus dem Wege sib nicht zii besurchten, wenn sie die tttkagstunde vermied. Da-> wurde ihr zu gehen. Es wurde damals viel von den deutschen Kolonie» in Afrika ae- letzt n>cy! schwer. .... , . .... ... . ... ... .. ., wrochen. Ei» luchliger Mensch, der etwas von Arbeit verstehe und die Hände Wanderung nach Vimdamerika winde ernnlich gewarnt: in Kalifornien oder ^ " dkrKüsle bildeten sich dort Handelsplätze mit einer letzhasten am Kap aus die Goldinche zu gehen, hatte er leine Neigung. Ten Lockungen .^"..^E^utci, und Gewerbetreibenden. Es fand ein lebhatter noch Südamerika traute er nicht, ichnikiichen Agenten wollte er sich nickst ^ehistsverkrhr statt, niid mancherlei .Najchlilen wurden ln Thcstigkett geletzt, verknuse» In den denllchen Kolonien aber würde er gegen ungerechte Be- schlffvZimmermann, Schlosser oder Maschinist leicht eine Handlung geschützt sei» und mit nichts anfniigen können. Er dachte sich's zudem ^ als ein patriotisches Werk, da draußen doch gewissermaßen dem Baterlande „ ...^ brholz bat ihn dringend, von ihm ein Tarlehn anziluebnwn, damit er »ine Arbeitskraft III erbnlten "»uns ^ drüben gleich selbstständig etwas anrangen könne, und auch Frau Doktor * r» l-. > , > - , , , ... . Schneller, die durch Ruth erfuhr, was ihr Bruder beabsichtigte, kam wiederholt >uan sich >n Berlin doch anders besonnen zu haben. Eines „och j„ später Abendstniide, um ihm das gleiche Anerbielen zu machen nnd ^ gerichtliche AlNsorderiiiig. dinnen zwei Wochen xj„x solche Unterstützung als ganz lliiverfünglich darzust eilen. Sie könne sich ^ eheliche ^ eben mit ihr lorlzuietze». für jhr Geld gar keine bessere Anlage denken, denn sie rechne auf hohe Zinsen. Er mutzte, daß ein iolckzes Mandat der Klage wegen böslicher Verlassuiig Dos iagie sie, um iei»e Skrupel zu beseitigen, aber Bernhard lehnte mir ""o doch wohl beabilchkigt war. Nun entichloß er sich, großer Zähigkeit jedes Anerbieten dieser Att ab. Es wäre der bedenklichste an Thilde zu Ichreiden, nm rh» zugleich ein Beivelvsiuck in die Hand zu geben. Leichtsinn, die Freunde bei etwas zu detheiligen, wovon er selbst noch keine r?^ cw>g trenni. hieu es in dieieiu Brlew. „erware Dir Vorstkllnna habe. Erst müsse er mit eigenen Augen sehen, nach eigener Er- .durch ^em pestonliches Erscheinen sahrung prüfen. Sollte ihm die Fremde leicht werden, so dürfe er sich nicht er.ire hiermit. daß ich uniere ungliickliche „,st VcrpiUchiunge» belasten, die ihn ewig beunruhigen müßten. Nur wenige ost deliachle und zur ToiedeivereiulgUiig nie die Hand lcichcn i H„„di.'r! Mark nahm er an. um tm Noklnaüe nicht ganz ohne Mittel zu lein, binnen kuizester Zeit in s stusland. Wir we^en uns im ! Die Reise sollte ihn womöglich nichts kosten, eher ihm noch etwas einbringen: ^ .^ükn „ Aui mich .luickilcht ui nehme!!, dar) ich L.ich nicht xx wollte sich in Bremen ans einem großen Dampfer als Zimmermann oder bitten. Handle, wie es ^.ein Vvrtheil zu verlangen icheint. Dem Anwalt, Maschinist verdingen. eirheste ich Vollmacht z» meiner Er schrieb auch dorthin, schickte seine Zeugnisse ein und wurde aufgesordert. Berlielung in allen sti!geleg^ii.)»ilt.n. Weuii es Ln beliebl. wende Dich an sich beitiinmter naher Zeit zu melden, th» Ich mochte Dn gern ein anmchriges Lebewohl zürnten, aber ich weitz nicht, ob Tu mich verstehen kannst und willst. Und doch, auch so: Lebe Wohl und veyeihe meinen Jirthum! Lebe wohl! Bernhard Weder " Auch Erfreuliches hatte sich in dieser Zeit ereignet. Gleich am ersten Abende, als Bernhard von der Werst nach Hause ging, sing ihn der Apotheke, Merholz auf der Slraße ab und bat um die Erlaud- ntß. ihn ein Stück begleiten zu dürfen. Er habe das Gefühl, äußerte er sich stotternd, daß Be,»Haid „ach gewissen bcdaueriichen Vorkommnisse» nicht gut Kon ihm denke, und Las bedrücke ihn fehl. Es sei sein Wunsch, sich einmal gründlich auLspcechen zu können. Bernhard wußte ja. was im Werke war, und hielt still, io peinlich ihn auch alle die Tinge berührten, die hier noth- wendig zur Sprache kommen müßten. War es doch auch ein Beweis von Achtung, daß Merholz meinte, sich bei ihm in besseres Licht stellen zu müssen, und zugleich eine liebenswürdige Rücksicht gegen die Schwester. Er schien Am, wie er sich nun frei ausipiach, wirkliche!!! ganz andererMenich geworden. Als Merholz sich verabschiedete - sie waren nach mehrmals die Bardaragasse aus- und adgegcmgen — glaubte er die freudige Gewißheit mitnchmen zu rouiien, sich bei dem Brüder des ael'.'b", Mädchens tu der Achtung wieder- hrrgestellt » i haben. 35. Kapitel. Das große Braunsels'iche Haus am Markte war innen und außen festlich geschmückt. Bis aus die Straße hinaus reichten die beiden Reihen Topfgewächse, welche den Flur und die brrile Treppe einsoßten. Im großen Saale wurde die Tafel für sechzig Personen gedeckt und mit den kostbarsten Blumen arrangements bestellt, die als Geschenke von befreundeten Familien abgegeben waren, mit kunstvollen silbernen Aussätzen und mit goldraiidigen Gläsern, fünf oder sechs zu jedem Couvert gcböng. In der Mitte der Haupttasel wurden zwei Sessel mit Blumenguirlanden umwunden, und ein zweiter Gärtner war aus einer hohe» Leiter beschäftigt, die Wände mit Gewinden von Rosen und Myrthen zu umziehen. Heute sollte hier die Hochzeit des Fräulein Toni Brauniels mit dem Herrn Leutnant a. D. Bolko von Emstall geleiert werden. Zu zehn Minuten vor zwöls Uhr war die Equipage bestellt, welche das Brautpaar nach dem Standesamte tahren sollte. Vorher hatte sie Herrn Kommerzienrath Greenfisn abzuholen, der ersucht worden war. neben dem Brautvater als Zeuge bei dein feierlichen Akte zu fuiigiren. Nacdmittags 4 Uhr sollte dann d'e Traniinz > >scUGW»l>>>lW>»»! >>» Belletristische Sonntaas-BeUagc zu de« »Dresdner Nachrichten". Seite 3 ln der Marienkirche stattsinden. deren Empore uni dci, Aktar herum bereits in einen Palmen- und Blumengarten »ingewandelt wurde. Daran hatte sich um fünf Uhr das Hochzeilsmahl zu schließen, zu dem die Honoratioren der Stadt bereits 18 Tage vorher cm geladen worden waren. Fiau Braniiscls beianv sich schon vom frühen Morgen an in sehr crklär- licher Autceguna. Die kleine runde Frau weinte eigentlich unaufhörlich. Alles war ihr rührend. Wenn sie das seine Tafelgeichirr herauszugede» hatte, das sic selbst einmal zur Hochzeit geschenkt erhielt, wenn die Gärtnerburichen wieder eine Trage mit Blattgewächse» in den Saal hinaufbcachren. wenn ein neuer prächtiger Blumenkorb mit cingestecktcr Visitenkarte abgegeben wurde, wenn ihr Blick ans daS weiße AtlaSkleid siel, das über mehrere nebeneinander geitclllc Sessel ausgebreitel war. oder gar auf das Kränzchen von blühenden Myrthen. das neben dem Schleier auf einem AtlaSkissen lag. Sie halte la ihr Kind bisher so gut behüte» und glücklich auch über alle Fährlichkeite» des Brautstandes hinausgebracht. Und nun war der große Tag gekommen, der so lange »chnlichst herbeigewünschte und zugleich icdinerziichst gefürchtete: noch Wenige Stunden, und ihre Toni war Frau vo» Emstal! Sie konnte sich auch setzt eine Trennung nur mit allerhand Vorbehalten als möglich denken. Die Wohnung sür das junge Paar im zweiten Stocke war ja fettig eingerichtet. Wen» es sogleich da eingezogcu wäre, hätte sie dies als eine große Erleichterung empfunden. Nun war aber die Hochzeits reise doch sür unvermeidlich erklärt, und der Gedanke, daß ihr liebes Kind, dem sie stets die Neueste Beratherin und Fübrerin gewesen, nun plötzlich ihrer Aussicht gänzlich entzogen und gleichsam ahnungslos i» die Gewalt des doch immer fremden Mannes gegeben werden sollte, der sie viele Meilen weit - allein mit ihr in einem Eliendohiiadrheil erster Klasse - ent'ührte nnd Wochen hindurch in allerhand Hotels cmauattirte, in denen sie nicht einmal sicher ein Brief erreichte — diese sie überallhin verfolgende Vorstellung hatte sür sie etwas Schreckhaftes Wie konnte ihre Toni, ohne die Mutter zu benage», auch nur richtig benrtheilen. welche Stellung sie ihrem Manne neben sich anzuweiseii hätte. Bolko war mitunter schon so dreist gewesen, wenn die Augen der Schwiegermama nicht auf ihm ruhten. Ei» vaar Mal gelang es ihm trotz aller Wachsamkeit, Toni eine Weile ^ür sich zu haben, und die Folgen hatten sich sogleich in einer auffallenden Störrigkeit des sonst so gut gearteten Kindes gezeigt Und nun sollte Toni so lange nicht ihre Stimme hören, ihrem Blick entzogen sein! Das ängstigte sie unsagbar. Sie hatte die Gefahr et» wenig zu vermindern gesucht, indem sie Bolko durch ihre» Mann bedeuten ließ, er sei gerade in dieser Zeit im Geschäfte schwer abkömmlich: zwei Wochen könnten wohl genügen, dann müsse er selbst Veilchen und brauche einen Stellvertieter Darauf käme» die Bedenke», was man io spät im Jahre mit diejcr kuizen Zeit »nsaugen könne. Sie »eiche kann, sür den Genfer See. Nu, nicht sich die halben Tage und Nächte aus der Eisenbahn schütteln lasie» und fortwährend das Hotel wechseln; am ver ständigsten wäre es, einmal Berlin in aller Ruhe zu genießen. Tie wolle dann dahin Nachkommen. Ihre Art iei es gewiß nicht, zu stören, und man könne sich ja auch nach Bedürsniß ieparuen; nur daß Toni nicht allein sei, Wenn Bolko auch einmal ein paar stunde» frei bvii Pflichten gegen seine junge Fra» sein wolle. Bolko hatte nicht zugestimmi. aber auch nicht wider sprochen Er wußte sa, daß er eigentlich nur der Jorni wegen befragt wuide So höflich er behandelt wurde und io gern die verehrte Schiviegeiinaina mit ihm varadirte. er täuschte sich doch darüber nicht, daß mau bei ihm über den Mangel an Vermögen nur jo gnädig Hinwegsah und sehr eiuleitig das Glück zu schätzen liebte, das er mit dieier Partie machte. Warum sich jeine Stellung verderben k Daß Toni ihn doch nicht Hallen würde, wenn er bei den Alten in s Schwanken käme, war sicher. Und wie leicht konnte dieielbe Laune der gnädigen Frau, die ihn unverhofft auf de» Schild erhoben hatte, ihn auch wieder zum Abspringen nölhigen. Er schwieg still and wartete leine Zeit ab Nu» hals die Sladträthin der Zofe, das Fräulein sür die Fahrt ziim Standesamt anznkleide!!. Es war eine einsache, aber kostbare Toilette gewählt, wie sie !üi die Gelegenheit passend erschien und doch genügend i» die Augen fallen konnte. Es verstand sich ja von selbst, daß vor der Haii-lhin Hunde,le aus die Abfahrt des Wagens warteten und wieder Hunderte vor dein Lvlnl des Standesbeamten sich ongeiaiiiniett haben würde», wie Nachmittags bei der Fahrt nach der Kirche wahrscheinlich Tausende. Toni hatte Kopfschmerzen und iah recht bleich aus- Sic ließ sich ohne Widerspruch etwas Roth auflegen, auch ioiisi Alles gefalle» und antwortete, immer dein Weinen nahe, kaum aus Fragen. Vielleicht fehlte ihr jede be stimmte Vorstellung, wie io ei» Hochzeitstag recht gemüthlich verlausen könnte, aber wenn sie an die Qual dachte, die »och auszusteheu war, sobald sie »»» erst zur kirchlichen Trauung würde unter de, Mama Aussicht sttsirt und iostüniitt werben, und wie lange sie i» der Kirche würde stehen und nachher in dein engen, steifen Kleide an der Tafel sitzen und w viele Rede» anhore» müssen, wurde ihr ganz schwarz vor den Augen. Wenn nur erst daS Reife- ileib airgezogen wäre! Ader dahinter lag wieder etwas ganz Ungewisses, gar nicht Faßliches, nur durchwogt von einer Fluch meist unveriländlicher Regeln, die dem mütterlichen Munde entströmte, als müßte jede Minute »och aus- geuutzt werden . . . Toni konnte an ihrem Hochzeitstage so gar keine rechte Freude haben! Tie Equipage hatte Grecnsifh bereits abgcholt. Enistall schickte sic zurück er werde zu Fuß kommen. Die bestimmte Zeit verging aber, ohne baß er erschien. Braunsels zog wiederholt die Uhr und lief dann nach dem Zimmer seiner Tochter. „Seid Jhr fettig?" rtef er hinein. „'Reich," antwortete seine Frau. „Ist Bolko schon da?" „Nein, noch nicht. Ich begreife nicht ... Er lst überall Unpünktlich, im Gelchäfl und —" „Aus ein paar Minuten kommt es ja nicht an." beruhigte die Stadtriithiii. indem sie sottsubr. die bauschige» Aermel an Tonis Kleide ausziizupjen. Die paar Minuten vergingen auch, ohne daß der Bräutigam sich blicken netz. Als Braunsels eben der» Diener den Auftrag gab, ihn z» criiuier», erschien statt seiner feine Mutter, die Generali» von Em'Nll. die zur Hoch zeit eiiigetroffcn war und bei der Kommerzienräthin logitte Sie war eine stattliche T ame. der von Jugend auf die Bemühung, sich eine vornehme Haltung zu geben, zur Gewohnheit geworden war. sie mußte einmal un gewöhnlich schön gewesen sein, und ihr von grauen Locken umrahmtes Gesicht hatte noch setzt einen lieblichen Zug, wenn sich das herrische Auge lenkte. Sie ivrach »ehr leise, fast flüsternd, immer in gewählten Ausdrücken oder mit einer Modulation, die dem Gewöhnlichen einen edleren Klang gab. Auch alle ihre Bewegungen blieben aus das geringste Maß beschränkt. So nöthigle sie auch zu einem immer maßvollen Benehmen auf der anderen Seite Ter Bankier und Ltadtrath. dem sie etwas unbequem war, ging ihr entgegen, um ihr die Hand zu küssen. ..Willkommen, gnädigste Frau." sagte er. „Wenn ich geahnt hätte, daß es Jhr Wunsch wäre, das Paar zur Fahrt aufs Standesamt z» verabschieden, hätte ich Ihnen sa den Wagen geschickt. Dass ich nicht anfragen ließ, ist un verzeihlich " ..Ettvaren Sie sich alle Vorwürfe." entgegnete die Generalin. „Mein Schwager hätte ja gern anspannen lassen. Ich komme aber von meinem Sohne." „Von Ihrem Sohne — ja, wo bleibt unser Bolko?" Er sah wieder nach der Uhr. „Es ist zwölf. Unbegreiflich! Ich wollte eben den Diener —" Sie hob kaum merklich die linke Schulter. „Er wird schwerlich Erfolg haben." „Wie das. wie das. gnädigste Frau ?" „Bolko wäre gewiß längst hier, wenn nicht eine sehr bösartige Migräne ihn zu Hause gefesselt hielte. Ich kenne bei ihm diese Zustände, die ihn für de» Augenblick völlig niedenverfen." „Ader er hat sonst nie geklagt —" ..Die Aufregung wahrscheinlich — ein besonderer Grund ... Ich weiß nicht. Er schickte deshalb zu mir, damit tch ihn entschuldige. ES sei ihm sür jetzt ganz unmöglich —" „Ader, aber, aber — !" stotterte Braunsels lehr verlegen. .WaS soll den» nun geschehen ? Ter Zustand kan» doch nicht so schlimm sei», daß nicht bei etwas Energie ... Ah, ab! Ter Standesbeamte wartet — sein Bureau ist »ur bis l Uhr offen. Wenn die Stunde versäumt wird, kann ja nachher die kirchliche Trauung ... Er muß sich ziisammeiiiichmen." „Ich bade ihm das Alles auch schon vo,gestellt," versicherte Frau vo» Emstall. „aber mein Sohn ist in solchem Falle ganz willenlos. Ich sürchtr, die Feier wird abgesagt werden müssen." Der kleine Herr geriet!, in ei» bedenkliches Wackeln. Das glatte Gesicht röchele sich dis zur Naienivitze und die Augenlider slimmcrlen mit großer Ge schwindigkeit. „Aber das kann >a nicht sein." stotterte er. „ohne die zwingendste Veianlaffung . . . Sie erlauben, daß ich meine Frau benachrichligc. Der Arzt wird ia ein Mittel wissen —" Die gnädige Frau lächelte ganz eigen. „Wohl schwerlich. Ich ivrach gestern noch spat i» die Nacht hinein mit meinem Sohne über die Zukunft, und da kamen allerdings Dinge zur Sprache, die ihn ungewöhnlich aufgeregt haben können. Es icheint wirklich so. als ob Bolko — besonders unter den obwaltenden Umständen, bei ungleiche» StaiideSverhälluissen . . . als ob Bolko etwas zu vertrauensvoll — wie soll ich sagen — die uöthigc Sicherung seiner berechtigten Ansprüche unterlaisen hat. Das beschwerte ihn sehr." N»n zogen sich ihm plötzlich die Angcnbrane» hoch aus und der Mund wurde spitz. ..Ah so!' sagte er. halb verstehend, „und heule am Hochzeits tage ..." Er strich sein glattes Kinn fortwährend mit den Fingersvitzeii und rieb sie dann aneinander, als ob er etwas auf die Erde krümelte. Die gnädige Frau, die ibm gleich so wenig syinvathisch gewesen war. »lächle thu »un nervös. Er wendete sich mit einer leichten Verbeugung ab. „Ettllchiildigen sic — eS muß doch etwas gkichehcn, und die Sache ist dringend." Er eilte wieder in Tonis Zimmer, wo er seine Frau richtig verniiithele. und nabni sie auf die Teile, sie ersulsr. um was cs sich handelte. Ihr Sch,eck war groß. „Aber was beißt daS?" stammelte sic. „Toni hat auch Köstlich,»erzen - das ist doch kein Grund. Und ein Mau» —" „Merlst D» denn nichts?" „Was soll ich inerte» ?" „Tein ritterlicher Schwiegersohn —" „Mache mich nicht ärgerlich. D» weißt, daß ich solche Sticheleien kn den Tod hasse." Er zuckte die Achsel». „Na — cs ist da Irgend eine Dilinniheit . . . Das Beste wird sein, ich sichre leibst zu ibm " .Bringe ihn gleich mit." schloß Frau BraniiselS. „Toni ist fertig Willst Tn Dir denn Dein Kind nicht eininal aniehen ? W»ndeih»bicli, nicht wahr ?" „Spater, später'' rief der Sladtralb und lies jort. Aus der Treppe ergriff er eine» der Diener >»» Arme und zog il>» mit sich. Iin Flur aus dem Fensterbretle schrieb er mit seinem kleinen Bleistift, de» er stets in der Westenlaiche trug, aas eine Visileiikaile: „Ve,el»ler Her» Kollege! Unwoblsei» des BräniigamS hindert uns leider, die Zeit yiiiiltlich etnznbaltci!. Tel,ließen Sie giftigst nick» das Bureau bis aus weitere Meldung Zu allen Gegendienste» bereit ' und besicht der» Manne, sie aus das Standes amt ;» liagen und dort dem Herr» Stadlralh Klein abzugeben. Er selbst warf sich in den Wagen und dlrtgtrke ihn nach der Wolmruig des Herrn von Emstall Er fand Bolko aus dem Sopha liegend, mit etwas rolliei» Kopf, aber fönst ohne besiimnile Zeichen eines Leidens „Aber was soll das denn?" herrschte er ihn iinsrelindlirh au „Wir warten ans Sie — die Braut tst fettig — die angejrtzle Zeit längst veistriche», und Sie —" „J»l, bleilw aus," ergänzte Bolko, indem e» sich langsam austlchlcte .Die Thalsachc ist richtig." i.zccRp.e.j r.cnluz.)
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