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aber verbinden wollte, stürzte Soumis herein und rief: „Spionin, Spionin!" und das hinter ihm eindringende Volk wollte sie zerreißen. Desiree erwachte mit einem Schrei der Todesfurcht. Angstvoll wollte sie das Bett verlassen, aber Fieberschauer schüttelte sie. Es war kalt im Zimmer geworden, das Feuer im Kamin gänzlich erloschen. Zitternd hüllte sie sich in die Decke und beschloß, so den Morgen abzuwarten. Ratlos schaute sic zum Stubenplafond empor. Dort spielte unruhig ein rotes Licht. Es mochte wohl durch einen Spalt des Fensterladens von irgend einer Flamme der Straßenbeleuchtung herstammen. Wie ein Irrwisch flatterte der Schein vor ihren Augen und erhitzte die Einbildungs kraft aufs neue. Sie sah die Flammen von Sedan vor ihren Blicken, die zerspringenden Granaten, die lodernden Gebäude, die verwundeten Menschen, Blut in Strömen, und das rote, feurige Blut tropfte von der Zimmerdecke auf sie hernieder. Abermals entrang sich ein Schrei ihren Lippen. Sie sprang ans den. Bette und kleidete sich mit zitternden Händen an. Dann wollte sie Licht machen, aber sie vermochte es nicht. Mit heiserer Stimme rief sie nach der Wirtin. Als diese mit einer brennenden Kerze eintrat, fand sie Desiree zusammengekauert auf dem Sofa, bebend vor Angst und Frost, mit wilder, wie geistesgestörter Miene. „Bleiben Sie bei mir, Madame", flehte sie. „Ich sterbe in der Einsamkeit, welche von gräßlichen Schreckgestalten erfüllt ist. Verlassen Sie mich nicht mehr." „Armes Fräulein, wie Sie sich aufgeregt haben", sagte die Wirtin, ohne den geringsten Unwillen zu zeigen, trotzdem sic aus ihrer Nachtruhe geweckt war. „Nein, nein, ich gehe nicht wieder fort. Sie haben, Fieber, Kind, und müssen wieder ins Bett, aber ich will mir mein Lager auf dem Sofa machen und die Lampe zünden wir auch an, da werden Sie schon wieder ruhiger werden. Wcnn's sechs schlägt, werde ich Kaffee machen und nachher zum Doktor laufen. Haben Sic keine Furcht, ich bleibe bei Ihnen." Mit vielen Bitten bewog sie Desiree, das Bett wieder aufzusuchen, dann fachte sie das Feuer im Kamin an. Die Lampe verbreitete einen sanften Schimmer in der Stube. Als Josnes sich entfernte, um ein Kopfpolster zu holen, richtete sich Desiree auf. Das Bild unter dem Spiegel war ihr ins Auge gefallen. Sie erinnerte sich des Traumes, sie mußte das Gesicht der weißen Dame sehen. Schnell entschlossen erhob sie sich, nahm das Bild und hielt es dicht unter die Lichtstrahlen der Lampe. „O mein Gott, welche Aehnlichkeit", entrang es sich ihren Lippen. „Träume ich noch immer, oder trügen mich meine Augen?" Das Bild entglitt ihren Händen. Sie kniete auf dem Teppich nieder, um es aufzuhcben. Der Lichtschein fiel greller auf das Bild. „Nein, nein, ich irre mich nicht", stöhnte sie. „Es ist die Photographie, welche im Salon auf dem Kamin stand. Papa hatte einen kostbaren Rahmen herum machen lassen, eine» Rahmen, der mit Türkisen und Opalen geschmückt war. Als später die Villa zum Hospital umgeändert wurde, war das Bild verschwunden, aber den Rahmen fanden wir unter den Wertsachen, welche die Deutsche» in rührender Ehrlichkeit zusammengetragen hatten und die uns der Oberarzt übergab. Es ist das Bild meiner Mama. Gewiß, gewiß, das sind Mamas sanfte, gütige, schöne Züge. Aber wie kommt das Bild hierher?" So lag sie auf den Knien und sprach hastig vor sich hin, als die Wirtin wieder eintrat. „Mein Gott, was tun Sie da?" fragte diese, heftig er schrocken. „Sie bringen sich ja um in dem kalten Zimmer, bleiben Sie doch im Bette!" „Wie kommt dieses Bild hierher?" fragte Desiree noch mals, ohne sich von der Stelle zu rühren. „Ach, Sie haben die gemalte Photographie in der Hand? Nun, ich sagte Ihnen ja schon, die ließ der Kapitän hier zurück." „Welcher Kapitän?" „Nun, der traurige Herr, dem seine Frau gestorben war und den die Bayern drüben an der Ecke totgeschlagen haben." Ein unartikulierter Schrei entrang sich des Mädchens Lippen und es fiel besinnungslos vor auf das Gesicht. Entsetzt sprang die Josnes herbei. „Fräulein, Fräulein", rief sie, „was ist dies nur wieder? Wodurch habe ich Sie denn so erschreckt? Antworten Sie doch?" Aber Desiree hörte sie nicht. Sie wandt sich in Krämpfen. Fieberglut preßte ihr die Augen fast aus dem Kopf. Die Krankheit, welche schon lange in ihrem Körper geschlummert hatte, brach hervor, als die Tochter so plötzlich den Tod des Vaters erfahren hatte. Die Wirtin brachte sie mit Mühe zu Bett und saß, selbst fiebernd vor Aufregung, neben ihr, bis der Tag an gebrochen war. Sie machte der Kranken kalte Umschläge auf der brennend heißen Stirn, aber sie war ratlos, was sie tun sollte, um ärztliche Hilfe herbeizuschaffen, da sie das Zimmer nicht verlassen konnte. Der Zufall kam der Wirtin zu Hilfe. Der Sanitäts- Offizier Pres stellte sich mit Morgengrauen ein, um nach dÄlincourt zu fragen. Er verordnete Eisumschläge und eine kühlende Arznei, welche er selbst in der nächsten Apotheke zubereilete und der Kranken einflößtc. Die Krämpfe blieben aus, aber das Fieber nahm zu. Pres ver sprach, einen Zivilarzt zu schicken und verlieb das Haus. Der halbe Vormittag verging, ohne daß sich jemand sehen ließ. Endlich öffnete man die Haustür, die Josnes eilte hinaus. Graf dÄlincourt trat ihr entgegen. Der wackere Offizier, dessen Pferd auf der Gasse von einem Soldaten gehalten wurde, sah übernächtig und ver stört aus. Seine Uniform war beschmutzt und zerfetzt. Er hatte die Umgebung von Orleans abgestreift, von Vorposten zu Vorposten, war mit einer feindlichen Patrouille ins Hand gemenge gekommen, fast gefangen genommen worden und kehrte dennoch ohne sichere Nachricht zurück. Das 20t. Regiment befand sich im Zustande völliger Auflösung, die Kompagnien waren überall hin versprengt, die Offiziere zum großen Teil gefallen. Das war alles, was er hatte er fahren können. Er hatte draußen nur Kopflosigkeit und Aufregung gesunden, denn der Vorstoß der Bayern wurde stündlich erwartet. Nun war er gekommen, Desiree zu bitten, sie möge ihm aus der aufs Neue bedrohten Stadt folgen — und er fand sie in diesem Zustande. „Was ist geschehen? - Woher die plötzliche Krankheit?" fragte er die behende Frau. „Der Doktor sagt, es ist ein Nervenficbcr", jammerte sie, „das Fräulein hat schon die ganze Nacht phantasiert. Ach Herr Gras, ich bin in Heller Verzweiflung." dÄlincourt winkte ihr, zu schweigen und setzte sich neben dem Bette nieder. „Armes Mädchen", sagte er traurig, „bedauernswertes, tapferes Kind, soll das das Ende Deiner Wallfahrt sein? Ich wollte, ich hätte Dich in Bordeaux gelassen, dort blieb Dir doch noch die Hoffnung auf ein Wiedersehen mit Deinem Vater. Ich habe sic aufgegeben. Wie kam die Krankheit denn so plötzlich zum Ausbruch?" fragte er die Alte. „Das Fräulein betrachtete das Bild dort, welches der Kapitän vom 204. Regiment zurückgelaffen hatte!" „Herr Bourlier?" „Ja, so hieß er wohl. Ich sagte, daß sie ihn drüben an der Ecke ermordet haben." „Die Bayern? Wer hat Ihnen das erzählt?" „Leute von seinem Regiment, welche bei mir nach seinem Koffer fragten, der gar nicht da war." „Dann haben Sie der Tochter, dem kranken Kinde, welches ausgezogen war, den Vater zu suchen, dessen Tod verkündet und sind schuld daran, wenn das Kind nun auch sterben wird." Die alte Frau brach in einen herzzerreißenden Jammer aus. „O heilige Jungfrau, das wollte ich nicht, Herr Graf!" schrie sic. „Wie konnte ich nur wissen, daß gerade das Fräulein die Tochter — nein, nein, das wollte ich wahr haftig nicht!" „Das will ich gerne glauben", beruhigte sie der Offizier. „Doch was helfen alle Klagen. Geschehen ist geschehen. Wir können ihr nicht helfen, wenn die Natur sich nicht selber hilft, und die ist so geschwächt, daß man das Schlimmste befürchten muß." „Ich will ja alles tun, um das Fräulein zu retten", versicherte die Josnes weinend. „Pflegen Sie die Dame gut, verlassen Sie sie nicht", sagte dÄlincourt. „Es soll der Kranken an nichts fehlen. Hier haben Sie Geld." Die Alte nahm die funkelnden Goldstücke, nur eines gab sie zurück. „Sie hat mir befohlen, ich soll den Louis zurückgeben", sagte sie zögernd. Der Graf achtete nicht auf ihre Rede. Sein Blick haftete auf den Brief, der am Spiegel lehnte. „Ein Schreiben an mich?" fragte er. „Jawohl, Herr Graf, ein Offizier brachte es, ein schöner Mann, aber kurz angebunden. Ich habe den Empfang be stätigt. dÄlincourt öffnete den Brief. „Befehl des Generals Bourbaki, sofort zu seinem Stabe zu stoßen, dem Sie als Oberstleutnant attachiert sind. Wohl! Soumis hat Wort gehalten. So sei es denn. Wir stehen am Vorabende gewaltiger Kämpfe, und hier", — er seufzte tief — „hier habe ich nichts mehr zu tun." Noch einmal blickte er mit innigem Bedauern auf das reizende Wese», welches mit den fieberglühenden Wangen ein Zerrbild der Gesundheit bot. Noch einmal ergriff er seine heiße, weiße Hand und drückte einen Kuß darauf. „Fahr wohl, Du schönes, süßes Weib! Ich werde Dich schwerlich Wiedersehen, Dich, die ich so geliebt habe und dem ich dennoch entsagen mußte. Fahr wohl und Gott gebe, daß Dein tapferes Herz nicht zu schlagen auf hört, bevor Du dem wiedergegeben bist, der jetzt Wohl in fernen Landen mit Schmerzen und Sehnen Dein gedenkt. Mag mich das Spiel des Krieges auch treiben, wohin es will, immer werde ich Dein gedenken, Du stolzes, tugend reines Weib, Du arme, geknickte Blume, Desiree." Er schritt, von der Josnes begleitet, aus dem Zimmer' Als sich die Tür hinter ihm schloß, schreckte die Kranke zu sammen und rief, die Arme ausbreitend: „Waldemar, ich habe Papa gefunden. Komm, komm, nun dürfen wir endlich glücklich sein!" 16. Herr Devereux in Sedan befand sich in großer Auf regung. Mit der Morgenpost war ein mit unbehilflichen Buchstaben geschriebener Brief an ihn gelangt, welcher alle seine Berechnungen und alle Mühe, die er sich um den Ver kauf der Bazeiller Fabrik und der Villa gegeben hatte, über den Haufen warf. Durch das Ausbleiben der Briefe von Bordeaux hatte sich die Angelegenheit allerdings in die Länge gezogen, jetzt aber trat ein neuer Faktor zutage, der den Verkauf jener Grundstücke ohne neue Einwilligung unmöglich machte. Der Erbe der verschollenen Bourlier meldete sich in dem Briefe, der in Vadelincourt aufgegeben worden war. „Bemühen Sie sich gütigst zu mir, Herr Notar, da ich außerstande bin, zu Ihnen zu kommen", schrieb der Brief steller. „Ich erfahre, daß Sie Fabrik und Villa verkaufen wollen, die meinem Vater gehören. Gegen Letzteres protestiere ich und muß Sie bitten, sich darüber mit mir in Einver nehmen zu setzen. Sie finden mich, Weinberg Nr. 3. Ihr ergebener Olivier Bourlier." Deveraux nahm nochmals das Billet vom Tisch und hielt es an seine kurzsichtigen Augen. Also Olivier lebt, Olivier, der Totgeglaubte, der Toll kühne, der Franktireur-Oberst, der Patriot, um den sich in Sedan ein förmlicher Sagenkreis gebildet hatte, und noch dazu in größter Nähe Sedans. „Aber welch' entsetzliche Handschrift hat er sich im Exil angewöhnt", brummte der Advokat, die Schriftzüge be trachtend, „sollte hier am Ende eine Täuschung vorliegen? Ich werde der Sache aus den Grund gehen. Gefahr kann auf alle Fälle nicht dabei sein, und eine Fahrt in der Winterluft wird nur gut tun." Forlktzung folgt. Mein heimatsort. Mein Heimatsort so schön. Als Kind eilt' ich im Sonnenschein Durch deine Flur und Au'n. Weilt ich im nahen Busch und Hain, Nachrichten des Kgl. Standesamtes za Reicheabraad vom i. bis 7. Mai ISIS. Geburten: Dem Werkmeister Gerszel Rpndehorn 1 Sohn; dem Werkzeugschlosser Bernhard Richard Richter 1 Tochter. Eheschliehungen: Der Soldat Gustav Adolf Frenzel. wohnhaft in Döbeln, mit Anna Martha Rinckleb. wohnhaft in Reichenbrand. SterbefaUe: Der Handarbeiter August Friedrich Hofmann. 87 Jahre alt. Nachrichten des Kgl. Standesamtes zu Ravenstein vom 23. April bis 6. Mai 1SI5. Geburten: Dem Steinbildhauer Max Richard Wolf 1 Mädchen: dem Brauereiarbeiter Paul Richard Otto 1 Mädchen. SterbefaUe: Die Spulers-Ehefrau Auguste Emilie Naumann geb. Merkel. 67 Fahre alt. Kirchliche Nachrichten. Parochie Reicheubrand. Am Sonntag Rogate. den 9. Mai Vorm. Vr 9 Uhr Predigt gottesdienst. Pfarrer Rein. Vorm. V»11 Ahr Unterredung für die männliche Fugend. Derselbe. Dienstag abend 8 Ahr Fungfrauenverein im Gasthaus Reichende. Am Himmelfahrtsfest, Donnerstag, den 13. Mai Vorm. V*9 Ahr Predigtgottesdienst mit Abendmahl. Beichte 8 Uhr. Pfarrer Rein. Parochie Ravenstein. Sonntag, den 9. Mai, vorm. V28 — V2S Ehristenlehre für Jünglinge. Hilfg. Herold. 9 Uhr Predigtgottesdtenst. Pfarrer Weidauer. Abend 8 Uhr im goldenen Löwen parochialer Familienabend. (Lichtbildervortrag, siehe Bekanntmachung.) Dienstag, den 11. Mai 8 Uhr Kindergottesdienstoorbereitung. Hilfsgeistlicher Herold. Donnerstag, den 13. Mai: Himmelfahrt. 9 Uhr Predigt mit Beichte und heil. Abendmahl. Pfarrer Weidauer. Dorm. 11 Uhr Kindergottesdienst, hilfsgeistlicher Herold. Nachmittag: Verbandszusammenkunft der eoang. Jungfrauen- vereine in Röhrsdorf. (Abmarsch vom Pfarrhause um 2 Uhr.) Wochenamt vom 10.—13. Mai Hilfsgeistltcher Herold, vom 14.—16. Mai Pfarrer Weidauer. Ausschuß sür JlMchflege zu Mellstein. Sonntag, S. Mai» Vsll Uhr. Schieben (Exerzieren fällt dies- Dienstag, 11. Mai, abds. 8 Uhr. Schulturnhalle, Kriegs- ieseabenv für schulentlassene Mädchen. Frauen herzlich willkommen. an Uhren und werden sorgfältig und billig ausgeführt. 0»K. 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