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Wochenblatt für Reichenbrand, Siegmar, Neustadt, Rabenstein und Rottluff : 24.07.1909
- Erscheinungsdatum
- 1909-07-24
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1067800220-190907242
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1067800220-19090724
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1067800220-19090724
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Wochenblatt für Reichenbrand, Siegmar, Neustadt, ...
-
Jahr
1909
-
Monat
1909-07
- Tag 1909-07-24
-
Monat
1909-07
-
Jahr
1909
- Titel
- Wochenblatt für Reichenbrand, Siegmar, Neustadt, Rabenstein und Rottluff : 24.07.1909
- Autor
- No.
- [2] - -
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über die mögliche Aussicht, die ihre Bilder bei der Aus stellung im Mai hatte». Beide wünschten glühend, angenommen zu werden. — Während sie eifrig über die Chancen diskutierten, stieg Herta langsam die Treppe zur Mansarde hinauf. Sie hatte den öden Raum nach und nach etwas wohnlicher zu gestalten versucht. Ein kleiner Teppich lag auf dem Fußboden, neue Gardinen waren angebracht, ein besseres Waschgeschirr war an Stelle des brüchigen gesetzt und über das eiserne Bett eine weiße Wolldecke gebreitet. Trotzdem sah es noch dürftig genug aus in dem schmalen Raum mit den schräg abfallenden Wänden. Von der eleganten Erscheinung der Baronin Randen war auch vieles abgefallen. Ihre Kleider waren vertragen, sie sah angegriffen aus und ein Zug der Sorge lag um ihren feingeschnittenen Mund und in den übernatürlich groß gewordenen Augen, die etwas Suchendes hatten. Was suchte sie? Den Ruhm, der heiß umworben wie ein wesenloser Schatten vor ihr gaukelte. Sie streckte die Hände nach ihm ans, zitternde, fiebernde Hände, aber sie erhaschte ihn nicht. Sie sagte sich, daß die Zeit zu kurz war, daß sie noch auf keinen Erfolg rechnen durfte. Und sie spannte alle ihre Kräfte an, sie arbeitete mit eisernem Fleiß. Galt es doch zu beweisen, daß sic recht gehandelt, als sic sich frei machte, daß sic zu etwas Höherem als blos zur einfachen Guts- bcfitzersfrau geboren war. Sie hatte nicht die Mittel, ein eigenes Atelier zu mieten, und mußte daher Thea Schön hausens Anerbieten, bei ihr zu malen, dankbar annehmen, denn sie arbeitete auch außerhalb der Kurse und versuchte das in der Akademie Gelernte zu verwerten. Die burschikose Art Theas stieß Herta ab. Sie fühlte sich überhaupt in dem Kreise fremd, in den sie durch die Schönhauscn hincin- gezogen wurde. Es waren Elemente darin, die bisher der Baronin Randen fern geblieben waren. Sie fühlte und dachte anders, wie dieses leichtlebige, frei urteilende Wölkchen. Herta war schwerblütig und man fand sie stolz und unnahbar. Am meisten fühlte es Mandel. Er hatte vergeblich versucht, sich der jungen Frau zu nähern; seine Bewunderung ärgerte Thea und stieß Herta ab. Sic zeigte es ihm unumwunden. Zuerst blieb sic still arbeitend im Atelier, wenn Alfrcdo dort war und seine Modelle ihm standen. Schweigend vertiefte sich Herta in ihre Malerei, aber sie konnte ihr Ohr nicht verschließen. Sie mußte die Witze des kleinen Porträtmalers mit anhörcn; Theas ungezwungener Bcrkehr mit ihm, ihr abwechselndes Zanken und Vertrantscin, waren Frau von Randen so unangenehm, daß sie nach und nach das Atelier nur noch dann benutzte, wenn Mandel fort war. Einige Male hatte Thea sie um größere oder kleinere Geldsummen gebeten, dtt sic wicderzugcben versprach. Aber sie mußte cs wohl vergessen haben, es war nie mehr die Rede davon. So sparsam Herta zu leben glaubte, so schmolz doch ihre kleine Barschaft erschreckend schnell zusammen. Sic aß zu Mittag in einem Restaurant in der Nähe der Akademie, wo noch mehrere Schüler Beyersteins cinkehrten. Oft berührte Herta kaum die Speisen, die ihrem verwöhnten Geschmack widerstrebten. Am Abend holte sie sich kalten Aufschnitt uy!xBrot, dazu gab es Bier oder Tee. Nie eine Abwechs lung in der Kost. Ihr fester Schlaf war ihr treulos ge worden. Sic lag oft die halben Nächte hindurch in ihrem harten, schmalen Bett wach und auf leisen Sohlen schlich ein graues Gespenst heran. Frau Sorge saß an ihrem Lager, Frau Sorge ging mit ihr durch den arbeitsreichen Tag. Wenn Herta sich getäuscht hatte, wenn sic wirklich nichts erreichte, was sollte sie tun? Brennende Scham trieb ihr das Blut in die blaß gewordenen Wangen, Scham vor dem Mann, den sie so herzlos verlassen, vor den Geschwistern, denen sic so sicgesgcwiß geschrieben, Scham vor der Tante, die ihr das Geld nur geliehen, nicht geschenkt hatte. ProfefsorBeyerstcin war aufdieschöne, vornehme Schülerin aufmerksam geworden. Er vermutete, daß sic viele Stürme durchlebt, ehe sie nach München kam und er erzählte seiner Frau von Herta. Hat sie Talent?" fragte die alte Dame. In gewissem Grade ja, aber sie wird nie Bedeutendes leisten," sagte der Professor. „Schade, sie hat einen eisernen Fleiß, ich fürchte auf Kosten ihrer Gesundheit. Und sie muß sich nicht glücklich fühlen, sie ist gewiß an andere Lebens verhältnisse gewöhnt. Wir sollten uns ihrer etwas annehmen." Trotz der guten Absicht blieb es vorläufig noch dabei. Herta wußte die Billigkeit der Mansarde bei Frau Huber zu schätzen. Sie wäre trotz des vielen Unangenehmen noch länger daselbst wohnen geblieben, aber vor zwei Tagen war Alfreds Mandel ihr auf der Treppe begegnet, war mit ihr hinaufgeftiegen und hatte ihr eine halbe Liebeser klärung gemacht. Herta schnitt sie kurz ab, indem sie ihm in scharfen Worten das Unziemliche seines Betragens deutlich machte. Sie war dann bebend vor Entrüstung in ihre elende Mansarde geeilt und war in Tränen ausgebrochen. Sie kam sich ganz und gar schutzlos vor. Und plötzlich dachte sie an ihren Mann, sie sehnte sich nach seinem Schutz, nach dem starken, treuen Arm, den sie von sich gestoßen hatte. Wie freundlich und nachsichtig war er gewesen, immer bemüht, sie zu erfreuen, ihre Launen ertragend, für jede noch so kleine Aufmerksamkeit dankbar. Einmal hatte sie ihm Blumen auf den Schreibtisch gestellt. Er hatte es wie etwas Großes aufgefaßt, ihr wie ein wertvolles Geschenk gedankt. Und sie hatte seine zahllosen Rücksichten wie etwas selbstverständliches mit der Herablassung einer Fürstin hingenommen. Nein, fort mit diesen Erinnerungen. Sie durfte nicht an sie denken, sie wollte es nicht! Und sie schloß die Augen. Heiße Tränen quollen unter den Wimpern hervor. Wie auf Hellen Goldgründe tauchte Schloß Randenhagen in ihrer Erinnerung auf. Durch die Allee, die dorthin führte, trabte ei» Reiter aus feurigem Pferde. Es war Randen. Er sah im Sattel sehr gut aus, als früherer Kavallerieofsizicr ritt er schneidig. Warum war Herta ihm nicht eutgegengeeilt, als sein Auge suchend, wie erwartungsvoll zu ihrem Fenster emporschwcifte. Sie bedauerte cs jetzt zuweilen. Ganz leise sprach die ehrliche Stimme in ihr, die nicht zu betäuben war: „Du hast nicht recht an dem Manne gehandelt, der dir seine goldtreue Liebe schenkte, der vergeblich uin deine Gegenliebe warb." Herta hatte in der Nähe der Akademie ein Zimmer gemietet. Es war viel größer und besser möbliert als die Mansarde, allerdings war es auch fast doppelt so teuer. Aber dafür war sie jetzt frei unb konnte an dem einen der großen Fenster ihre Staffele! aufstellen. Es war Hertas Absicht gewesen, sich der Landschaftsmalerei zu widmen, aber der Baumschlag bereitete ihr große Schwierigkeiten, und oft ließ sie den Pinsel mutlos sinken. Nach einer etwas erregten Auseinandersetzung mit Thea Schönhausen verlieb Frau von Randen das hohe, düstere Haus, in dem sie viele Monate gewohnt hatte. Sie atmete auf, als sie die schwere Tür hinter sich Zufällen hörte, und doch überkam es sie wie eine große Verlassenheit. Nun hatte sie niemand in der großen Stadt, der ihr näher stand, der ein Interesse an ihr nahm. „Ich muß meinen Weg allein gehen, ich habe es selbst gewollt," das dachte Herta, als sie in der Droschke mit ihrem Reisekorb ihrer neuen Wohnung in der Herren- straße zufuhr. — Die Zeit verging. Immer mutloser sank die Hand der jungen Malerin herab, cs kamen Tage, an denen sie nicht arbeiten konnte. Daun suchte sie der Stadt zu entfliehen, sie eilte ins Freie hinaus. Der Lenz war gekommen. Es sproßte und trieb an allen Enden. Bunte, zarte Blumen schlugen die Augen aus und die grünen Schleier der Birken wehten. Herta hatte ihr Skizzeubuch mitgenommen; sie saß auf einem Baumstumpf und zeichnete. Heute war es keine Landschaft, sie entwarf ein Blumenmärchen. Schlanke, zartbelaubte Wcidenzweigc, mit den wolligen Kätzchen daran, darunter die Maßliebchen und sinnigen Glockenblumen. Ein Falter wiegte sich darüber. Wie wohlgelungen oas harmlose Bildchen war. Herta führte es zu Hause in Aquarellfarben aus; diese neue Art zu malen, machte ihr Freude. Sie legte das Bildchen in ihre Mappe, die sie zur Akademie mitzunehmen pflegte, aber sie vergaß es über den Sorgen, dem fieberhaften Ringen, nach dem hohen Ziel, das sie gern erreicht hätte, dem sie nachjagt, ohne es zu Haschen. Die Brandwunden, die Bernhard von der Eiche erlitte», waren zum Glück nicht schlimm; sie heilten gut. Nach drei Wochen konnte er die verletzte Hand ohne Binde gebrauchen, nur eine kleine Narbe blieb unterhalb des Handgelenkes. Der junge Italiener litt dagegen sehr. Ines ging täglich ins Hüttenhospital und verband ihn mit ihren leichten, ge schickten Fingern, die der Bursche in heißer Dankbarkeit küßte. Als er gesund war, zeigte cs sich, daß er zu schwach war, um den schweren Dienst als Heizer bei den Hochöfen noch weiter zu erfüllen. Da bat Bernhard den General direktor darum, Beppo Franchetti, — so hieß der junge Mann — ihm als Diener und als Hülfe für den alten Gärtner Joseph, einem Landsmann Beppos, zu geben. Seitdem war der Sohn der Campagne glücklich, er konnte seine alte Mutter reichlicher versorgen, und die Arbeit war leichter. Seine dunklen, südländischen Augen glänzten, wenn er die blonde Herrin sah, für die er eine schwärmerische Verehrung fühlte. Frau Gerard hatte Müller eine namhafte Geldsumme für die Verunglückten gegeben, sie hielt sich aber seit dem Vorfall auf dem Hochofenwerk sehr reserviert. Graf Frauenfeld war noch in Mon Repos. Er und seine Cousine machten Ausflüge nach Luxemburg, Metz und Trier. Man erwartete in Rößlingeu allgemein ihre Verlobung. Der Graf war reich; einen armen Mann würde Irmgard nie erhören, da sie bei einer zweiten Heirat ihres ersten Gatten großes Vermögen verlor. Eines Tages war Ines nach Mon Repos gegangen, um Frau Gerard eine Besorgung zu überreichen, die sie in Villerupt drüben im Französischen gemacht hatte. Mit ihrem leichten Schritt näherte sic sich einer dichten Epheulaube. Da schlug ein erregter Wortwechsel an Ines Ohr. Unwill kürlich blieb sie stehen. Nicht in der Absicht zu lauschen, vielmehr erschreckt über ihr vielleicht unerwünschtes Kommen. „So nehmen Sie mir jede Hoffnung, Irmgard," sagte die Stimme Frauenfelds mit leiser Klage. „Ja, ich habe es Ihnen schon früher gesagt, Artur, ich liebe Sie nicht." Es klang grausam. Frauenfeld stöhnte, wie von einem großen Weh getroffen. „Warum, lieben Sie mich nicht? Versuchen Sie es doch, ich bin reich, und Sie kehren in ihre baltische Heimat zurück, nach der Sie sich oft sehnen." „Nein, ich will nicht." Jetzt lag wirklich etwas sehr Unfreundliches in der Antwort. „Dann gehört Ihr Herz einem andern, wer kann es sein?" „Sie weiden indiskret, Artur, solche Fragen stellt man nickt. Ich liebe keinen. Meine erste Ehe war nicht so, daß ich mich nach neuen Fesseln sehne und ich denke nicht daran, mein behagliches Leben, die Freiheit, die das Geld mir bringt, leichtsinnig aufzugeben. Ich bin mir voll bewußt, daß ich das besitze, wonach viele ihr ganzes Leben ringen, und ich will es festhalten um jeden Preis." Frau Gerard war aufgestande» und ging stolz erhobenen Hauptes durch den Garten ins Haus. Ines wagte kaum, sich zu bewegen. Sie blickte der hohen Frauengestalt nach und dachte wie hart und selbstsüchtig sie war. Aus der Laube drang ein leiser Laut, wie ein Stöhnen. Der Graf hatte den Kopf in die Hände gestützt und glaubte sich allein in seinem Schmerz. Wie leid tat er dem jungen Mädchen. Wie gern hätte sie ihn trösten und ihm ein freund liches Wort sagen mögen, das ihn aufrichtete. Er sah so knabenhaft aus, so jung, und Ines dachte daran, daß er keine Mutter hatte, die sich um ihn sorgte. „Bitte, seien Sie mir nicht böse," sagte Ines, in die Laube tretend, „ich wollte nicht hören, und mußte es gegen meinen Willen. Es — es tut mir so schrecklich leid um Sie." Sie streichelte seine schlaff herniedergesunkene Hand. Da schlossen sich seine Finger darüber; fast tat er ihr damit weh. „Weiß Gott," sagte Fraucnfeld leise, „ich liebe Irmgard mit meiner ganzen Seele. Von meiner Kindheit an ist sie mein Ideal gewesen, das Ziel meiner Sehnsucht, und im» ist alles vorbei." Ines Augen füllten sich bei der Mutlosigkeit seines Tones mit Tränen. Was sagte sie nur, um ihn zu trösten, welche Worte sind die passendsten. „Ich möchte Ihnen etwas Gutes sagen, und weiß nicht, wie ich es anfange," beginnt sie, ihre warme, kleine Hand in der des Grafe» lassend. „Ich verstehe wohl, Wunden zu verbinden, die der Körper erleidet, könnte ich es doch auch mit denen des Herzens. Sie sind ein Mann, ein weites, schönes Arbeitsfeld steht vor Ihnen offen, Herr Graf, und die Zeit lindert vieles." Er schüttelte den Kopf und starrte traurig vor sich hin. Als er aufsah, war er allein. Ines hatte den Heimweg eingeschlagen. Sic fühlte sich von Irmgard abgestoßen, es war ihr unmöglich, sie jetzt zu sehen. „Gutes, kleines Ding, warum liebe ich sie nicht," dachte der Graf. Er beschloß, am andern Morgen abzureisen, und nie mehr seine Cousine zu sehen. Mit 23 Jahren, jung, reich, gesund und hübsch, kam er sich bettelarm vor. Ines war so erfüllt von dem, was sie gehört, daß sie cs nicht für sich behalten konnte. Ihr Bruder hatte bisher ja alles mit ihr geteilt, sie hatte kein Geheimnis vor ihm. Deshalb erzählte sie Bernhard Wort für Wort, was sie als unfreiwilliger Zeuge vernommen hatte, jedoch ihren eigenen Anteil an dem, was in der Laube passiert war, aus einem Gefühl mädchenhafter Scheu verschweigend. „Wundert es dich?" fragte Bernhard scharf. „Ich habe Frau Gerard nie anders taxiert. Diese Frau berechnet, che sie ihr Herz zu Worte kommen läßt." „Nein, nein, ich kann und will es nicht glauben, Hardy!" rief Ines. „Irmgard ist besser, als du denkst. Du urteilst ungerecht." „Ich glaube es nicht. Kleine." Sie saßen am brennenden Kamin, Barry zu ihren Füßen. Er hebt hin und wieder den klugen Kopf und sah die Ge schwister an. „Wissen Sie nicht jemand, der zu Amtsrichter Grünwald als Stütze der Hausfrau kommen könne?" fragte Frau Generaldirektor Müller Ines einige Tage später. „Die Frau Amtsrichter muß auf längere Zeit ihrer Gesundheit wegen in den Süden, sie ist aber unruhig wegen der beiden jüngsten Kinder, die sie nicht allein lassen will. Sie kann erst reisen, wenn sie ihr Hans gut versorgt weiß." Ines sprang auf, ihr Gesicht strahlte. „Gewiß, weiß ich eine geeignete Persönlichkeit, Frau Generaldirektor, meine liebste Freundin Luise Krause schrieb mir erst kürzlich, sie sucht eine Stelle in der von Ihnen erwähnten Art. Jetzt, wo Luisens Schwester Gleichen erwachsen ist, und der Mutter hilft, möchte meine Freundin gern mehr leisten." Ines erzählte Frau Müller von der Forstei und Tante Emma, von der glücklichen Zeit, die sie selbst dort verlebt hatte. Briefe gingen hin und her und die Sache wurde abgemacht. Ines war glücklich, als es so weit war. Sie erzählte es ihrem Bruder erst, nachdem alles verabredet war. Bernhard freute sich für seine Schwester. Er selbst war eben jetzt mit dem Bau der beiden neuen Hochöfen vollauf beschäftigt; sie schritten ihrer Vollendung entgegen. Ein Fest war immer damit verbunden, wenn sie zum ersten Male angestcckt wurden. Es war Sitte, daß eine Dame es tat. Frau Gerard und die Schwester des Hochofenchefs waren in Rößlingeu dazu ausersehen worden. Bernhard war in Geschäften nach Metz hinübergefahren, Ines lud Fräulein Körner und Irmgard zu sich ein. Bisher waren die Damen aus Mon Repos noch nicht im Hause der Geschwister gewesen. Eine kleine Entfremdung war zwischen dem jungen Mädchen und Frau Gerard eingctreten. Seit Ines Zeugin des Gespräches zwischen dem Grafen und seiner Cousine gewesen, fühlte sich das warmherzige, jung: Geschöpf von ihrer anfänglichen begeisterten Schwärmerei zurückgekommen. Irmgard litt darunter, daß Ines sie jetzt seltener besuchte. Sie nahm die Einladung an, mit der Absicht, das Eis zu brechen, sie wollte den Grund dieses veränderten Benehmens wissen. Neben dieser Absicht trieb sie auch eine große Neugier, das Heim des Mannes kennen zu lernen, der ihr immer wieder durch seine männliche Ruhe und Sicherheit imponierte. Es war schon herbstlich kalt. Ein rauher Wind fegte die letzten Blätter von den Aesten; wie in ein graues Kleid schien die Erde eingehüllt. Das Obst an den Spalieren war eingeerntet und füllte die große», luftigen Vorratskammern der unteren Räume. Ines wählte heute die schönsten Exemplare der goldgelben Riescnbirne», der rotbäckigen Aepfel und ordnete sie in einer großen Kristallschale. Zufrieden überblickte sie den Kaffeetisch, auf dem ein Prächtiger Napfkuchen von der Kunst der jungen Wirtin zeugte. Das Feuer im niederen, weiten Kamin prasselte, und das Wohnzimmer der Geschwister sah sehr gemütlich aus mit dem alten Mahagonimöbeln. Das große Bild des Majors in voller Uniform hing über dem Schreibtisch des Sohnes. Frau Gerard und Fräulein Körner begrüßten Ines. Sie waren auf der Fahrt durchgefroren und freuten sich über die behagliche Wärine, die von den großen Buchcnscheiten ausströmte. Barry lag lang ausgestrcckt davor; er bewegte schwerfällig den schönen Kopf, stand aber nicht auf, um seine Gönnerin freudig bellend, wie er sonst zu tun pflegte, will kommen zu heißen. „Nun, Barry, alter Junge, du willst mich heute gar nicht kennen," sagte Irmgard. „Ich weiß nicht, was ihm ist; seit gestern ist der sonst so muntere Hund ganz verändert," bemerkte Ines. „Er frißt nicht und liegt immer apatisch da. Hardy meint, es werde schon vorübergehen, es sei nichts Schlimmes." Fortsetzung folgt.
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