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224, 24. September 1932. Redaktioneller Teil. Börsenblatt f. d.Dtschn Buchhandel. Jahre erscheinenden neuen Ausgabe des Lehrbuchs des deutschen Buchhandels Fremdwörter, soweit angängig, durch deutsche Ausdrücke ersetzt. Das gute Beispiel ist gewiß das wirksamste Mittel, um in der Sache vorwärtszukommen. Vielleicht kann aber außerdem ein amtliches Verzeichnis der zu verdeutschenden fremden und der dafür künftig zu gebrauchenden deutschen Fachausdrücke aus gestellt und Kantate 1933 durch eine Entschließung des Börsenvereins zur allfeitigen Benutzung dringend empfohlen werden. Geschieht das, so gehören spätestens 1935 die französischen, lateinischen und italie nischen Wörter, die das Deutsch der deutschen Buchhändler noch ver unstalten, der Vergangenheit an. Entschließt sich der Buchhandel, von jetzt an nicht nur (was er mit Recht gern tut!) im bisherigen Sinne des Wortes, sondern ganz und gar »d eutsch zu reden«, so wiirde das ohne Zweifel auf zwei mit ihm vielfach verbundene Nachbarfächer von Einfluß sein: den Buchdruck und das Zeitschriften- und Zeitungs wesen. In meiner lieben Vaterstadt Leipzig sagt man in solchen Fällen mit Recht: »'s is een Aufwaschen!« In Deutschland, dem Heimatland Gutenbergs, das trotz der durch unsere Feinde herbei- geführten Verelendung immer noch in der Bucherzeugung an der Spitze aller Länder steht, ist es doch wirklich nicht nötig, fort dauernd von »Fraktur« und »Antiqua«, von »Borgis«, »Petit«, »Colonel«, »Nonpareille«, »spationieren« usw. zu reden und unsere eigene schöne Druck- und Schreibschrift zugunsten der uns wesens fremden lateinischen zu vernachlässigen. Der deutsche Buchhandel wird sich ein unvergängliches Ver dienst um Deutschland erwerben, wenn er als der unzweifelhaft dazu berufenste Arbeitszweig die in der heutigen Lage des Erfolges siche ren Schritte tut, um in seinem eigenen Bereich, im Buchdruck und im Zeitschriften- und Zeitungswesen unseres Vaterlandes die Herr schaft der reinen deutschen Sprache und der deutschen Schrift durch zusetzen und zu sichern. Dariiber hinaus fällt den Verlegern die besondere Aufgabe zu, auf die Dichter, Schriftsteller und Gelehrten im gleichen Sinne einzuwirken. Es ist der Haupt ruhmestitel des deutschen Verlagsbuchhandels, daß er auf die Ent wicklung des deutschen Schrifttums in vielen Fällen einen befruch tenden Einfluß geiibt, die Entstehung hervorragender Werke an geregt, unschlüssig zögernde Verfasser zur Vollendung angefangener Schöpfungen gedrängt, vor Irrwegen gewarnt hat. Was kann jetzt für Verleger, die meinem Gedankengang zustimmen, näherliegen als die Beeinflussung der Verfasser, mit denen sie arbeiten, oder die mit Angeboten an sie herantreten, im Sinne der Sprachreinigung? Was kann einleuchtender sein als der Hinweis darauf, daß der Gebrauch entbehrlicher Fremdwörter die Absatzfähigkeit jedes Buches ver mindert? * Ich bitte den deutschen Buchhandel um freundliche Aufnahme und um baldige Verwirklichung meines Vorschlages. Das wäre eine wahrhaft vorbildliche Tat, und dem deutschen Buchhandel steht es wohl an, in einer Zeit, in der es an guten Vorbildern nur all zusehr fehlt, dem deutschen Volke ein solches zu geben. Es wäre ein Ereignis, das uns Deutschen, nachdem wir oft und oft der Gegen stand der Verachtung seitens der anderen waren, endlich ein mal wieder Achtung schafft. Es kann erreicht werden, wenn für die gewiß nicht leichte Vorbereitung keine Zeit versäumt wird. Goethe sagt zutreffend: »Was heute nicht geschieht, ist morgen nicht getan, und keinen Tag soll man verpassen.« Nürnberg. vr. Heinrich F r e n z e l, Schriftleiter der »Fränkischen Wacht«. Heinrich Wilhelm Hahn und die Bibliothek des Germanischen Museums. Von Albert Paust, Bibliothekar an der Deutschen Bücherei. Die altberühmte Hahnsche Buchhandlung in Hannover wurde von Heinrich Wilhelm Hahn dem Älteren zusammen mit seinem Bruder unter der Firma »Gebrüder Hahn« im Herbst des Jahres 1792 ge gründet; sie besteht jetzt gerade 14V Jahre, da der 25. September als Gründungstag angenommen wird. Von 1831—1873 stand dann Hein rich Wilhelm Hahn der Jüngere an der Spitze des sich rasch ent wickelnden Verlages und hat ihn besonders durch den Ausbau der heute in aller Welt bekannten Monuments Qerinsnise distorics«, deren Herausgabe weitschauend von seinem Vater begonnen worden war, zu hoher Blüte geführt. Er war es auch, der damals zu den großzügigsten Förderern deutscher Kulturpolitik gehörte und zahlreiche Bibliotheken und wissenschaftliche Unternehmungen unter stützte. Am bekanntesten ist er dem deutschen Buchhandel geworden 700 als der Vater des Gedankens einer deutschen Nationalbibliothek, wie sie später in der Deutschen Bücherei verwirklicht wurde. Gerade vor kurzem ist anläßlich des Todes von Karl Siegismund verschiedent lich wieder auf deren Gründungsgeschichte und auf ihre Vorläuferin, die erste deutsche Reichsbibliothek von 1848, hingewiesen worden. Zu dieser hatte bekanntlich Hahn durch sein patriotisches Anerbieten an die Deutsche Nationalversammlung die erste Anregung gegeben und ihr einen wertvollen Teil seines Verlages überwiesen. Nachdem durch das tragische Ende der Paulskirche die Entwicklung der mit so großen Hoffnungen begonnenen Reichsbibliothek jäh unter brochen worden war, wandte sich Hahns besonderes Interesse mehr und mehr der Bibliothek des inzwischen am 17. August 1852 ge gründeten Germanischen Nationalmuseums zu, in der er in gewissem Sinne die Nachfolgerin des Frankfurter Unternehmens sah. Da eben auch das Germanische Museum -das achte Jahrzehnt seines Be stehens glücklich vollendete, ist ein willkommener Anlaß gegeben, historische Erinnerungen an die Frühzeit seiner Entwicklung und an die engen Beziehungen zum deutschen Buchhandel*), sowie insbe sondere zur Hahnschen Verlagsbuchhandlung wachzurufen. Dabei soll der bisher fast unbekannte Briefwechsel zwischen Heinrich Wil helm Hahn und dem Germanischen Museum als Grundlage dienen. Dieser ist um so wertvoller, als nach Mitteilungen des jetzigen ver dienten Leiters und Mitinhabers der Firma, von Georg Schmidt, und der Urenkelin Hahns, der Freifrau von Schütz zu Holz hausen, weder im Verlagsarchiv noch im persönlichen Besitz der artige Briefe von Heinrich Wilhelm Hahn erhalten sind. Der Briefwechsel ist lückenlos für die Jahre 1853 bis 1880 im Archiv des Germanischen Museums aufbewahrt und enthält neben allen Verzeichnissen und Fakturen über die der Bibliothek als Geschenk überwiesenen zahlreichen und wertvollen Werke sieben aus führlichere, zum Teil handschriftlich« Briefe Hahns aus der Zeit vom 15. Dezember 1853 bis 21. März 1863 und die dazu gehörigen persön lichen Antwortschreiben des Gründers des Germanischen Museums, Hans Freiherrn von und zu Aufsetz. Sie sind nicht nur aufschlußreich für die ersten Entwicklungsjahre des Germanischen Museums und für den Verkehr seiner Bibliothek mit dem deutschen Buchhandel, sondern enthalten vor allem auch interessante Äußerungen Hahns über seinen eigenen Verlag und über die »Monuments«, sowie andererseits über die Beweggründe, die ihn 1848 zur Anregung einer Reichs- und Parlamentsbibliothek veranlaßten. Leider können hier nur einige Andeutungen gemacht und die wichtigsten Stellen angeführt werden. Schon in seinem ersten eigenhändigen Schreiben an den Vorstand des Germanischen Museums vom 15. Dezember 1853 betont Hahu: »Ich erkläre mich mit Vergnügen bereit, auch diesem großartigen Vaterländischen Institute, wie so manchem ähnlichen, durch Gratis- Lieferung meiner Verlagsarticel an dessen Bibliothek, so weit es meine Vorräthe und sonstige Rücksichten mir irgend gestatten, meine Theilnahme zu bcthätigen.« Gleichzeitig übersandte er, wie schon früher der Frankfurter Neichsbibliothek, seinen vollständigen Ver lagskatalog zu beliebiger Auswahl; nur die Monuments«, von denen damals zehn Bände Vorlagen, nahm er aus, weil diese als komplette Reihe bereits vergriffen und von ihm schon früher in je einem Exemplar der besten Ausgabe der Reichsbibliothek und auch der Bibliothek der Deutschen Bundesversammlung in Frankfurt gewidmet worden seien. Es war ihm noch nicht bekannt, daß das erstere Exem plar inzwischen als wertvolle Einzelgabe von der Deutschen Bundes versammlung dem Germanischen Museum überwiesen worden war. Als ihm dies in dem ersten ausführlichen Dankschreiben von Aufseß mitgeteilt wurde, erklärte er sich gern bereit, die folgenden Bände der -Monuments« auch jeweils in der besten Ausgabe zur Verfügung zu stellen und betonte deren Wert und das besondere Interesse, das jedem einzelnen Bande zu komme, immer von neuem. »Auf welche bedeutende Weise«, so schreibt er am 13. Februar 1854, »daher dieses Unternehmen, wohl eines der großartigsten und ausgedehntesten im deutschen Buchhandel, meine Kräfte mehrfach in Anspruch nimmt und wie mannigfache Opfer und Schwierigkeiten dabei, namentlich im An fänge, zu überwinden waren, bedarf wohl keiner weiteren Darlegung. Im fünften Bande von Pertz' klassischem Werk »Stein's Leben«, wird die Geschichte der Mvnumenta nächstens veröffentlicht, worauf ich zu verweisen mir erlaube. Zu der Müuchener Gewerbe-Ausstellung werde ich den, seiner Vollendung nahen 13ten Band der Monumenta einsenden und würde es für mich aufmunternd und erfreulich sein, wenn demselben, des ganzen Unternehmens halber, einige geneigte Beachtung zugewandt werden könnte.« Ähnlich betont er in einem späteren Briefe vom 15. Juli 1863, daß ihm die Besprechung jedes Fortsetzungsbandes in dem vom Germanischen Museum herausge- gebcnen »Anzeiger« sehr erwünscht sei, »da jede Erwähnung dieses *) Vgl. meinen Artikel »Aus den Kantatetagen des Jahres 1853« im Börsenbl. vom 16. August 1927.