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Buchhandlungen zu geben versucht. Ich hätte das Bild noch reich haltiger gestalten können und noch über manche mehr sagen, an manche noch erinnern können; wer wird von denen, die in Heidel berg jung waren, nicht das Bild des lieben alten Jean Hör- ning, des Untversitätsbnchdruckers, vermissen, dessen tiefemp funden« und mit warmherzigem Gefühl vorgetragcnen Lieder uns so sehr ergriffen und dessen gastliches Haus eine Heimstätte für manchen Jungbuchhändler wurde! Ich hätte auch von den langjährigen, treuen Mitarbeitern noch manche erwähnen mögen und vielleicht auch manche charakteristische Züge dieses oder jenes schildern können, so des alten Peter Hannesen und des erst'kürzlich von uns genommenen Fritz Tiesler oder der alten Markthelfer Bauer, Brenner usw., aber es würde zu weit führen. Die ganzen Skizzen sollen ja auch nur eine Vorarbeit für eine ausführliche Arbeit sein, die vielleicht zum 50jährigen Jubi läum des Badisch-Pfälzischen Buch händler-V cr- bau des, der am 25. September >875 in Heidelberg ge gründet wurde, erscheinen soll und für deren Ausgestaltung ich um weitere Beiträge bitte. Sie sollen beweisen, wieviele Ge schäfte es bis zum Vorjahre in Heidelberg gab, die auf eine mehr als hundertjährige Vergangenheit zurückblicken, wieviele es gab, di« mehr als 60 Jahre bestanden, und wie im Verhältnis zur Entwicklung der Stadt bis 1920 die Ausgestaltung des Buch handels in den Grenzen des vorigen Jahrhunderts geblieben war; für eingegangene Handlungen kamen neue, die Zahl war aber nicht wesentlich geändert, im Gegenteil, es waren weniger geworden. Dabei will ich nicht behaupten, daß nicht von jeher genügend Buchhandlungen in Heidelberg waren, im Gegen teil, sie waren immer reichlich vorhanden, der Umstand aber, daß sie solange bestehen, daß sie sich vielfach erst in dritter oder vierter Hand befinden, beweist doch, daß sie all« eine Mission zu erfüllen hatten und erfüllt haben, und diese Mission war: zu arbeiten und zu wirken sürdasWohlnndGedeihendes deutschen Buchhandels und die Ausbreitung der deut- sclM Geistcswissenschaften. Phantastische Kostbarkeiten. Ungeahnte Entdeckungen eines Berliner Bibliophilen nnd Antiquars. In der Gesellschaft der Bibliophilen Hai ein kleines Bächlein ge waltiges Aussehen erregt. Es handelt sich um ein von Fedor von Zabeltitz, dem bedeutenden Bibliophilen, und Martin Breslauer, dem bekannten Berliner Antiquar, zusammcngestclltes, in der beschränkten Auflage von nur 350 Exemplaren erschienenes Katalogmerkchen über »unaustreibbar gewordene, verschollene, aus dem Handel gezogene, auch völlig neuer und doch schon überaus seltener Vorzugsdrucke« von ganz besonderer Merkwürdigkeit. Aus der großen Reihe der Kostbarkeiten und bibliophilen Lecker bissen, die in diesem Büchlein aufgetischt werden, können hier nur die bedeutendsten Hauptwerke erwähnt werden, aber ich glaube, daß schon sie den geradezu phantastischen Wert der Sammlung zeigen, die selbst den ersten Bibliophilen bisher unbekannt war. Da ist zunächst O. Blumcnthals und G. Kadelburgs »I m weißen Röhl« (Berlin, ohne Jahresangabe) hcrvorzuheben: Es ist ein anasta tischer Neudruck der nicht mehr auffindbaren Manuskriptausgabc auf Pergament, mit golderhöhten Miniaturen der Hauptszenen und fünf Aquarellen von Kokoschka. Die Einleitung zu diesem ausgezeich neten Werke im handgearbeiteten Claquenrband schrieb kein Geringerer als Alfred K e r r, das biographisch-bibliographische Referat stammt von Siegfried Iacobsohn. Ganz besonderes Aufsehen unter den Bibliophilen erregte die kost bare Großfolio-Ausgabe des flammenden Romans »Treue Liebe siegt« von H. Cour ths-Mahler, die im Blaubart-Verlag zu Leip zig mit 20 Radierungen von Max Licberman n, Randzeichnungen von M. Slevogt, handgemalten Initialen von F. Mescck und einem Vorwort von Gerhart Hauptmann erschienen ist. Der großen Bedeutung dieses berühmtesten Romans der Deutschen entspre chend, wurden hiervon gleich fünf Luxusausgaben hergestellt, die alles bisher Dagewesene tatsächlich in den Schatten stellen. Die erste^Aus- gabe enthält Gerhart Hauptmanns begeisterten Hymnus auf die Dich terin in Originalschrist, die ganzseitigen Radierungen Liebermanns in siebenfacher Folge und in den sieben Farben des Ncgenbvgens. Die 367 Nandzcichnungen Slevogts — jede einzelne vom Künstler signiert — sind von chm persönlich mit Edelkleister angcklebt. Die Initialen 1810 Mesecks find in Weinfarben erlesenster Jahrgänge gehalten. Die Type ist Chmckeschc Mönchgotisch mit ausfallenden Vokalen, der Einband aus echt russischem Juchten, auf dem Vorderdeckel eine Goldplakette mit dem Porträt der Dichterin, auf der Rückseite derselbe Kopf von hinten, in Silber ziseliert. D i e-S chlicßen sind mit je drei Bril lanten beseht. Als Preis dieses außerordentlich luxuriösen Stückes sind 30 000 Goldmark angegeben. Die zweite Ausgabe enthält im Vorwort nur die eigenhändige Unterschrift Hauptmanns, die Radie rungen enthalten noch die Korrekturen Liebermanns, die Initialen sind »nur« ans parfümierten Wasserfarben. Einband: angeborenes Zicgen- leder mit Schlangenhauteckcn und -schließen mit besten Similibrillanten. Die übrigen Ausgaben sind entsprechend einfacher, so enthält die fünfte in einer eleganten Mappe nur das Papier, ohne Druck. Die Bearbeiter des .Katalogs glauben, daß diese Ausgabe am meisten verlangt werden dürfte, sie lassen den Preis deshalb freibleibend. Auch Goethes »Jaust«, ein Werk von bedeuten dein literarischen Wert, ist hier wieder in einem besonders beachtenswerten Neudruck (Gottlieb Schulzes Frühlings-Presse, Berlin, Leipzig, Ncgensbnrg, München, Allcnstein. 1922) erivähnt. Dies ist vom literarischen Standpunkte aus den Herausgebern des Katalogs beson ders zu danken. Als Vorlage dieser Ausgabe diente Neclams klassischer Text. Gedruckt wurde das Werk auf edelstem grasgrünen Maschinen bütten, die Kommata und Doppelpunkte in Silber er höht. Der Einband besteht aus Rasscpudelhaut, die Auslage ist auf 65 Exemplare beschränkt, da damit der Vorrat der Rasscpudcl er schöpft war. Der Verlag soll übrigens beabsichtigen, in Kürze noch den zweiten Teil dieses ja etwas veralteten Dichtcrwerk.es herauszugcbcn: vorgesehen ist als Ersatzeinband: Deutscherschäscrhundmitstammbaum. Auch eine neue Gerhart H a u p t m a n n-Luxusausgabe fehlt nicht (S. Fischer, Berlin 1922 ff.). Es handelt sich um eine Perga mentausgabe, aus Pergament gezeichnet, gedruckt, gemalt, in Ganzpcrga- ment gebunden, jeder Band außerdem in Pcrgamcntmappe. Alles an dieser Ausgabe ist monumental. Der Preis soll dementsprechend am Tag des höchsten Dollarstandes festgesetzt werden. Große ästhetische Freude erregt die Ankündigung des 33. Zwöls- angeldrnckes Heinrich Heine »Lieder«. In diesem Werke zeigt Hans von Weber sich als unübertroffener Meister des künstle rischen Buchgewerbes. Gemäß seinem Grundsätze, »mit sorgsamer Liebe das Satzbild dem dichterischen Inhalte anzupasscn«, ist dieses Satzbild auf jeder Seite anders. Bei dem Liede »Es treibt mich hin, es treibt mich her« beispielsweise steht der Satz geflissentlich inkorrekt, hie und da fallen die Typen sogar aus der Linie, charakteristisch für die Ruhe losigkeit des Leitmotivs. So geht es Seite für Seite, immer angcpaßt dem dichterischen Inhalt: ein so inniges Einvernehmen, wie es bisher »och nie geschaffen worden ist. Uber E. T. Ä. Hoffman ns »Gesammelte Werke«, die seit 1912 im Proppcn-Vcrlag (Berlin) im Erscheinen begriffen sind, erfährt man, daß der Verlag sich nunmehr entschlossen hat, die Titel blätter der noch fehlenden 26 Bände zu verausgaben. Besondere Bedeutung mißt man dem — allerdings nur zum Neu- Neichenpreise erhältlichen — Werke unseres Zeitgenossen August Raffke »Ter Umgang mit Seinesgleichen« bei (Berlin, Akropolis-Verlag). Tiefes Lehrbuch des nelizeitlichen Guten Tons ist das Buch der aus den Wirren der Zeit sich schälenden neuen Ge sellschaft. Es enthält insbesondere die von der Gattin des Verfassers, Nosalie Raffke, geschriebene Anweisung »Die Lady vor der Toilette nnd nachher« und »Die Dame im eigenen Auto«. Die Ausstattung ist durchaus dem Inhalt angepaßt; so lieferte z. B. der Zeichner der ele ganten Gesellschaft, Heinrich Zille, den künstlerischen Buchschmuck. Zum Schluß seien noch die kostbaren Notizzettcl des Herrn Hugo Stinnes erwähnt (Unbekannter Verlag, Berlin 1926), di-e eine meisterhafte Nachbildung von 100 Fünfhundertmarkscheinen der Neichsdruckerei in erster Ausgabe darstellen, deren freie Rückseiten von St. mit handschriftlichen Notizen bedeckt und hier als Papierkorbauslese erstmalig gesammelt wurden. Die Ausgabe ist geheftet und perforiert. Alle diese Kostbarkeiten sind nicht bei Martin Breslauer zu haben, auch nicht in der Privatbücherei des Herrn Fedor von Zobcltitz durch Einbruch oder sonstige Machinationen, sondern einzig und allein in der Buchhandlung der Phantasten (Hans Wolkenhoch L Baldrian Sternenthau) in Himmelstcdt. Diese Einrichtung ist in dankenswerter Weise getroffen worden, um die Käufer genau beobachten und den Verbleib der kostbaren Stücke einwandfrei feststellen zu können. Ich empfehle den interessierten Kreisen, sich sofort dort hinzuwcndcn, che die Entente auf Grund irgendeines Paragraphen ihres Friedcnsver- trags Beschlag darauf legt. Für Portvverkust komme ich aber nicht aus. Otto Niebickc