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8802 Nichtamtlicher Teil. pW 270, 20. November 18S3. Nichtamtlicher Teil Handelskammer zu Leipzig. Stricht des Handelggcsetzgedungs-Äusschiljfts über den Entwurf eines Gesetzes, betreffend das Urheberrecht an Werken der Litteratur und der Tonkunst?) Vom 7. November 1899. Durch Verordnung des Königlichen Ministeriums des Innern Nr. 612. III. il. vom 12. Juli d. I. ist die Handels kammer aufgefordert morden, sich über den Entwurf eines Gesetzes, betreffend das Urheberrecht an Werken der Litteratur und der Tonkunst, dessen Erscheinen damals noch bevorstand, nach Gehör des Börsenvereins der Deutschen Buchhändler zu Leipzig bis zum 1. Oktober d. I. gutachtlich zu äußern. Diese Vorlage ist dem Handelsgesetzgebungs-Ausschusse zur Berichterstattung überwiesen worden. Da die endgiltigen Beratungen des von dem Börsen verein der Deutschen Buchhändler für die Behandlung der Vorlage niedergesetzten außerordentlichen Ausschusses erst Mitte Oktober stattfinden konnten und dessen Beschlüsse erst am 21. Oktober der Handelskammer mitgeteilt worden sind, hat der Unterzeichnete Ausschuß seine Beratungen erst in der jüngsten Zeit zum Abschluß bringen könnnen. Dem König lichen Ministerium hatte dek Herr Vorsitzende der Handels kammer von dieser Sachlage Kenntnis gegeben und um ent sprechende Nachfrist gebeten. Mittels Schreibens vom 14. Oktober hat auf Veranlassung des Herrn Linnemann, der als sachverständiges Mitglied der Handelskammer von vornherein zu den Beratungen des Ausschusses zugezogen worden war, auch der Verein der Deutschen Musikalien händler seine dem Reichsjustizamt unterbreiteten Abänderungs vorschläge zu dem vorliegenden Gesetzentwürfe der Handels kammer mit dem Ersuchen überreicht, sie dem Königlichen Ministerium des Innern gegenüber zu vertreten. Ferner hat dem Ausschuß eine von den Inhabern der Firma Henry Litolff's Verlag in Braunschweig, den Herren Theodor und Richard Litolff, an das Reichsjustizamt gerichtete Eingabe Vorgelegen, die sich auf die Schutzdauer für Werke der Ton kunst bezieht. Dem Wirkungskreise und den Aufgaben der Handels kammer entsprechend hat der Ausschuß nicht auf alle in den gutachtlichen Aeußerungen der genannten beiden fachmännischen Vereine enthaltenen Einzelheiten eingehen zu sollen geglaubt. Er hat sich vielmehr im wesentlichen auf die Punkte be schränkt, die ihm von einem allgemeineren Standpunkte aus wichtig erschienen, und hofft, dafür die Zustimmung der Kammer zu finden. Er ist dabei von der Voraussetzung ausgegangen, daß jene Gutachten schon wegen ihres Ursprungs nach dem Maße der ihnen innewohnenden überzeugenden Kraft die gebührende Beachtung finden werden. Vorauszuschicken ist noch, daß neben dem eingangs ge nannten Gesetzentwurf ein das Verlagsrecht betreffender Ent wurf in Bearbeitung begriffen ist, der sich naturgemäß mit jenem vielfach berührt, von dessen näherem Inhalte aber der Ausschuß keine Kenntnis hat. Die Neubearbeitung der gleich falls verwandten Gesetze vom 9. und 10. Januar 1876, be treffend das Urheberrecht an Werken der bildenden Künste und den Schutz der Photographieen gegen unbefugte Nach- *) Vgl. auch Börsenblatt Nr. 162, 163, 165, 168, 171, 172, 175, 176, 177, 179, 180, 181, 182, 185, 187, 189, 190, 192,193, 195, 198, 199, 201, 205, 213, 214, 215, 216, 220, 222, 231, 234, 243, 246, 247, 249, 250, 251, 253, 254, 257, 265, 266. bildung, deren Notwendigkeit die Handelskammer in einem ausführlichen Gutachten vom 19. Juli 1890 dargelegt hat, scheint noch im Rückstände zu sein. Der Entwurf gewährt, zum Teil in Anlehnung an die internationale Berner Uebereinkunft und die Pariser Zusatz akte zu dieser, dem Urheber einen ausgiebigeren Schutz als das bisher geltende Gesetz vom 11. Juni 1870. Insbesondere gewährt er das ausschließliche Uebersetzungsrecht; er schützt nicht nur die Verwertung der geistigen Arbeit, sondern auch das persönliche Interesse des Verfassers an seinem Erzeugnis; in ersterer Hinsicht sind die ausschließlichen Befugnisse des Urhebers bezüglich der Vervielfältigung verstärkt; die Befugnis zur öffentlichen Aufführung wird dem Komponisten gewahrt, auch wenn das Werk ohne Vorbehalt erschienen ist. Die Dauer des Schutzes ist nach zwei Richtungen hin erweitert: einmal soll der Schutz eines Werkes, so lange es noch nicht veröffentlicht ist, unbegrenzt sein; sodann soll für Werke der Tonkunst an Stelle der seitherigen dreißigjährigen Frist nach dem Tode des Verfassers eine fünfzigjährige treten. Alle diese Erweiterungen erhalten eine verstärkte Bedeutung da durch, daß dem neuen Gesetze, wie es bei dem geltenden der Fall war, rückwirkende Kraft beigelegt wird Im folgenden wird nun zu den einzelnen besonders wichtigen Bestimmungen des Entwurfs Stellung zu nehmen und schließlich eine kurze Bemerkung über die Sprache des Entwurfs anzufügen sein. 1. Nach Z 12 des Entwurfs ist der Urheber ausschließlich befugt, das Werk zu vervielfältigen und gewerbsmäßig zu verbreiten. Das Urheberrecht an einem Bühnenwerk oder an einem Werke der Tonkunst enthält auch die ausschließliche Befugnis, das Werk öffentlich aufzuführen. Diese Befug nisse, die nach tz 9 auf die Erben übergehen, erstrecken sich nach Z 13 auch auf die Bearbeitungen des Werkes, insbesondere auf Uebersetzungen; auf die Wiedergabe einer Erzählung in dramatischer Form oder eines Bühnenwerkes in Form einer Erzählung; auf die Herstellung von Auszügen aus Werken der Tonkunst, sowie von Einrichtungen solcher Werke für einzelne oder mehrere Instrumente oder Stimmen. Nach H 9 kann das Recht des Urhebers »beschränkt oder unbeschränkt« auf andere übertragen werden. Nach Z 10 soll aber der Erwerber auch dann, wenn ihm das Recht des Urhebers »unbeschränkt« übertragen worden ist, gleichwohl an dem Werke selbst, an dessen Titel und an der Bezeichnung des Urhebers ohne die Einwilligung des Urhebers keine Zusätze, Weglassungen oder sonstigen Aendernngen vornehmen dürfen. Zuwiderhandlungen sollen nach K 45 mit Geldstrafe bis zu 1000 im Falle des Unvermögens mit Gefängnis bis zu drei Monaten bestraft werden. Gegen diese Bestimmung, die einen Widerspruch in sich selbst — Beschränktheit eines unbeschränkt erworbenen Rechts — ent hält, ist sowohl von dem Börsenverein der Deutschen Buch händler und dem Verein der Deutschen Musikalienhändler als auch von anderen Seiten nachdrücklichst Einspruch erhoben worden, und der Ausschuß kann sich dem nur anschließen. Daß der Entwurf das persönliche Verhältnis des Urhebers zu seinem Werke mehr, als bisher geschehen, berücksichtigt, ist gewiß als ein Fortschritt zu bezeichnen. Aber wie selbst im Familienrechte die verweigerte Einwilligung, wenn die Weigerung nicht auf triftigen Gründen beruht, durch Gerichts spruch ersetzt werden kann, so muß es auch hier einen Schutz geben gegen unbelehrbaren Eigensinn des Urhebers selbst, gegen überspannte Pietät der Erben, ganz besonders auch gegen etwaigen Unverstand eines Zustandsvormundes. Daß