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466 Nichtamtlicher Teil. Börsenblatt f. d. deutschen^Buchhandel. (vr. Müller sMeiningens.) zu lösen; welch schwierige Aufgabe der Kommission in dieser Beziehung harrt, können die Herren am allerbesten daraus ersehen, daß bis heute in der Theorie und Praxis nicht feststcht, was überhaupt eine Melodie ist. — (Hört! hörtl) Der Entwurf geht im 8 13 Abs. 2 davon aus, daß erkennbare Melodie» eines anderen nicht einer neuen Arbeit zu Grunde gelegt Werden dürfe». Aber die Weisen der Jurisprudenz sowohl, als auch der Tonkunst sind sich, wie gesagt, bisher noch nicht darüber einig geworden, was ein Motiv ist, was eine Melodie ist; wir werden in dieser Beziehung eine ganz ungemein schwierige Arbeit in der Kommission vorfindeu. Besondere Schmerzenskinder mußten der Regierung vor allem die Paragraphen 16 bis 18 sein, vor allein die Bestimmungen über die Presse. Was den 8 16 anlaugt, so wurde in dein Vorbcreitungsstadinm des Gesetzes vor allem das politische Bedenken geltend gemacht, es könnte vielleicht der Schießerlaß des Ministers v. d. Recke oder auch der Erlaß des Prinzen Georg von Sachsen über die Militärmißhandlungcn in den K 16 Ziffer 2 Satz 2 eingcreiht werden; wenn also z. B. Prinz Georg von Sachsen über seinen Erlaß geschrieben hätte: -Nachdruck verboten», so hätte sich der Abdruck« womöglich auch noch eines Nachdrucks schuldig gemacht. Ich glaube, daß dieses politische Bedenken unter keinen Umständen gerechtfertigt ist; denn alle derartige Erlasse fallen unter Ziffer 1 des H 16 und sind unter keinen Umständen als Nachdruck an- zuseheu, wenn sic abgcdrnckt werden. Aber, meine Herren, z. B. der bekannte Zwölftauscndmarkbcttelbrief könnte unter Umständen meiner Anschauung nach unter tz 16 Ziffer 2 Satz 2 fallen; ich glaube, wir haben absolut keinen Anlaß dazu, daß derartige Schreiben irgend einer Be hörde, die vielleicht für die Veröffentlichung sehr wichtig sind, noch als »Geisteswcrke« geschützt werden — (sehr wahr! links), — die sie auch theoretisch nicht sind. Der § 17 mußte natürlich auch große Schwierigkeiten machen; er führt direkt unter Ziffer 2 zur Annahme, daß die Parlamentsberichte nicht geschützt seien. Die Motive aber verweisen niit vollem Recht darauf, daß auch die Parlamentsberichte z» schützen seien. Am schärfsten ist dieser Schutz ausgeprägt in der Rechtsprechung der englischen Gerichte. Der Schutz dürfte sogar noch weiter ausgedehnt werden. Ich meine natürlich auch bezüglich der parlamentarischen Berichte bloß diezenigen, die wirklich eine Originalgeistesarbeit bedeuten. Denn leider macht man ja die Erfahrung auch bei Zeitungen, die eine sehr hohe Auflage haben, daß ihre Parlamentsberichte bisweilen in einer Weise verstümmelt, frei erfunden oder in einer solchen Weise ausgesaßt sind, daß man eigentlich von einem Origiualgcistesprodukt kaum mehr reden kann. Allein die reellen, guten und anständigen Zeitungen, die daraus halten, gewissen hafte Berichte über die Parlamentsverhandlungen zu bringen, müsse» unter allen Umständen in ganz energischer Weise gegen de» unlauteren Wettbewerb des Nachdruckes geschützt werden. Auch bezüglich des 8 18, den ich kurz den »Zeitungsparagrapheu« nennen möchte, erscheint mir ein großer Fortschritt, sogar gegenüber der internationalen Gesetzgebung, die in dem Artikel 7 der Pariser Zusatzakte niedcrgelcgl ist. Es erscheint mir vor allem der 8 18 als großer Fort schritt deshalb, weil hier die bisherige, ungerechtfertigte capitis äsminutio gegenüber politischen Artikeln weggefallen ist; es kann nach den Motiven keinem Zweifel unterliegen, daß auch politische Artikel, sei es nun, daß sie als wissenschaftliche behandelt werden, sei es, daß der Vor behalt ihnen vorgcsetzt ist, den Schutz finden, den sie bisher entbehrten. Ein weiterer Fortschritt des 8 18 gegenüber der internationalen Gesetz gebung ist besonders der größere Schutz der wisseuschastlichen Artikel, während bisher nach Artikel 7 der Pariser Zusatzakte bekanntlich bloß die Feuilletonromane unbedingt geschützt waren. Sehr bedenklich erscheint nun aber trotz der im internationalen Rechte vorhandenen Begriffe der sehr vage Unterschied zwischen den »Vermischten Nachrichten- einerseits und den »Ausarbeitungen unterhaltenden Inhalts- andererseits. Was nun den Absatz 3 anlangt, der die deutliche Quellenangabe verlangt, so wurden in der anständigen Presse große Befürchtungen laut. Ich glaube nach reiflicher Erwägung auch, daß die Sache ihre zwei Seiten hat: auf der einen Seite wäre es ja sehr zu wünschen, daß den gewerbsmäßigen »Zeitungsräubern-- und »Scherenarbeitern- endlich eiumal ganz energisch auf die Finger geklopft würde; auf der anderen Seite ist aber doch mit vollem Recht auch geltend gemacht worden, daß zu be fürchten ist, daß gerade anständige Zeitungen große Chikanen haben, daß Vor allem auch sehr viele Denunziationen gegen die großen und an ständigen Zeitungen von seiten gewerbsmäßiger Wichtigthucr und Demi»« zianten einlaufen werden. Ich gebe sehr gern zu, daß mau bezüglich dieser Fragen sehr geteilter Ansicht sein kann; wir werden in der Kom mission gewiß mit größter Gewissenhaftigkeit diese sehr wichtige und schwierige Frage prüfen müsse». Meine Herren, wichtig ist auch der 8 22 bezüglich der mechanischen Musikinstrumente. Ich sür meine Person halte ihn für eine namhafte Verschlechterung des bisherigen durch die bekannte Reichsgerichtsentschcidung kreierten Rechtszustandcs. Ich gehe so weit, daß ich sage: es ist der 8 22 ein Schlag ins Gesicht der Autoren; der 8 22 bildet einen voll kommene» Widerspruch gegenüber dem ganzen Prinzip, das dem Gesetze zu Grunde liegt. Es erscheint mir vollständig undenkbar, daß das Rcichs- Justizamt selbst der Urheber des 8 22 ist, und ich habe Anhaltspunkte dafür, daß nicht das Reichs-Justizamt der Attentäter ist, der diesen 8 22 in das Gesetz hineingebracht hat — (hört, hört! links), — sondern ein anderes Amt, das dieser Gesetzentwurf eigentlich wenig angeht. Selbst wenn die ominöse Zahl von 12000 nicht auf ein anderes Amt hin- ziclte — (hört, hört! links), — so würde mau doch immerhin merken, daß hier Einflüsse geltend gemacht werden, die mit dem Urheberrecht, mit dem Autorcnschutz nicht das geringste zu thnn habe». — (Sehr gut! links.) — Die hier in Rede stehende Frage wird daun so behandelt werden, wie ihn das Ncichsamt des — Innern behandeln wollte, wenn man von einer ganz falschen Grundlage bei der Behandlung des Ur heberrechts ausgeht; diese Frage ist derartig wichtig, daß ich mir von Ihnen die Erlaubnis ausbitten muß, eine ganz kurze theoretische Aus führung in dieser Richtung zu mache». Meine Herren, die Verteidigung des 8 22 ist bloß möglich, wenn man sich auf den auch i» einigen Zeitungen in letzter Zeit wieder auf- gcnommenen Standpunkt stellt, daß das Urheberrecht weiter nichts ist als gewissermaßen eine ans Zweckmässigkeitsgründen ausgebaute legale »Prämie« zu Gunsten eines Origiualwerks. Mau hatte ja einst einen derartigen Standpunkt. Meine beiden großen Landsleute Albrecht Dürer und Hans Sachs wurden vor 300 bis 400 Jahren nach diesem System geschützt. Man gab ihnen von seiten der Deutschen Kaiser einen derartigen Pri- vilcgiumsschutz. Allein diese Theorie liegt, Gott lob, weit, weit hinter uns! Man ist später dazu übergegange», von diesem Privilegiumsschutz der Autoren ans einen ausschließlichen Privilegiumsschutz der Verleger zu gründen, und vor allen die sächsische Regierung, die sächsischen Kur fürsten sind darauf cingegangc», die Leipziger Verleger in solcher Weise zu schützen. Auf dem Standpunkte des Verlagsschutzcs steht noch das allgemeine preußische Laudrccht. Allein seit dem Jahre 1813 ungefähr — in England seit 1709 — ist diese »Prämien«- oder »Privilegicutheorie« vollkommeu verlasse» worden. Das geht wie ein roter Faden durch die Gesetzgebung seit Anfang des verflossenen Jahrhunderts. Ich erinnere als Merkstein in dieser Entwicklung bloß an die deutsche Buudesakte vom 8. Juni 1815, Art. 18, und die infolge dessen ergangenen Bundes- beschlüssc vom 6. September 1832 und 9. November 1837. Sie bringen den Gedanken, daß wir es hier mit einem vollständigen, aus innerster Rechtsüberzeugung des Volkes beruhenden »Recht« zu thnn haben, mit einem wirklichen Recht des Urhebers auf Schutz nach zwei Richtungen hin, d. h. auf Schutz in vermögensrechtlicher Beziehung und in individueller Beziehung, vollkommen zum Durchbruch. Noch schärfer ist dies im preußischen Gesetze vom 11. Juli 1837 zum Ausdruck ge kommen. Meine Herren, der einzige Mann, der diese Theorie wieder aus genommen hat, war der bekannte Rechtslehrer Gerber, und auch er hat, da er keine Anhänger für seine Theorie fand, selbst diesen Standpunkt als einen »überwundenen«, d. h. über den man zur Tagesordnung über gegangen sei, bezeichnen müssen. Die ganze Theorie und Praxis steht jetzt auf dem Standpunkte, den bisher auch die Rcichsregierung, und zwar sowohl das Reichs-Justizamt, wie auch das Reichsamt des Innern ver treten haben, daß es sich hier um ein wirkliches immanentes Recht des Autors aus doppelten Schutz, wie ich ihn eben bezeichnet habe, handelt. Wenn mau diesen richtigen Gesichtspunkt im Auge hat, dann kommt man zu dem Resultate, zu sagen, daß der 8 22 eine vollständige System- losigkeit bedeutet; denn er zerstört einseitig und willkürlich gegenüber den musikalischen Autoren das Urheberrecht, das vor allem in diesem Gesetz und auch in den früheren Gesetzen von 1837, 1870 und den Gesetzen vom 9., 10. und II. Januar 1876 de» Autoren gegeben ist. Wenn ich darauf ausgehcn würde, die Motive bezüglich des 8 22 vollkommen zu widerlegen, so würden Sie erkennen können, daß meine Behauptung nicht zu kräftig ist, wenn ich sage, die Motive zu dieser Bestimmung sind in einem vollständigen Volksverjammlungston gehalten; fast sämtliche Grund lagen sind falsch. Da ist z. B. behauptet, es handle sich um eine In dustrie, welche 12000 Arbeiter beschäftige. Es wird dabei immer der Schein erweckt, als handle es sich um die mechanische» Musik instrumente selbst. Davon kann ;a gar keine Rede sein, es handelt sich lediglich um die Scheiben, Walzen und Bänder; diese werde» nicht in der Hausindustrie gemacht. Es wäre mir sehr interessant, wenn ein Herr vom Reichsamt des Innern mir Auskunft geben wollte, in welchen Teilen von Deutschland diese Hausindustrie besteht. Diese Scheiben, Walzen, Bänder u. s. w. werden bekanntlich in einigen großen Fabriken, Unternehmungen von Aktiengesellschaften, hergestellt, die mit er heblichen Dividenden arbeiten. Es handelt sich auch nicht um eine In dustrie, bei der 12000 Arbeiter beschäftigt sind, sondern nach den grüne» statistischen Heften vom Juli >899 sind nur etwa 7500 Arbeiter in dieser und in verwandten Branchen beschäftigt. Ich sage, ungefähr 7600 Ar- beiter als Verfertiger von allen musikalischen Instrumenten mit Aus nahme der Geigen, Klaviere, Zieh- und Mundharmonika. Ich kann also wohl sagen, daß cs sich höchstens um die Hälfte der Arbeiter handelt, die i» den Motiven angegeben sind. Ich lege aber kein so großes Ge wicht darauf; ich will diesen Punkt nur hervorgrcifc», um zu zeigen, daß thatsächlich die Angaben der Motive vollständig willkürlich und einseitig zusammengestellt sind, daß sie die Kritik in keinem Punkte aushaltcn. Was dann die Frage anlangt, inwieweit eine Verschlechterung des