Volltext Seite (XML)
X-160, IS. Juli 19S5. Redaktioneller Teil. Börsenblatt s. b. Ttschn Buchhandel. Der 31. Deutsche Bibliothekartag Von Bibliothekar Dr. Lans Praesent Wie alljährlich in der Woche nach Pfingsten fand vom 12. bis IS. Juni die Versammlung der wissenschaftlichen Biblio thekare statt, diesmal inTübingen. Dem Ruse in die reizvolle schwäbische Universitätsstadt waren etwa 130 Kollegen aus allen Teilen des Reiches gefolgt, um der von Direktor I)r. Hilsen- b eck-München geleiteten und von Direktor Prof. vr. Leyh- Tübingen und seinem Mitarbeiterstabe bestens vorbereiteten Ta gung beizuwohnen und mit den Fachgenossen Gedankenaustausch zu Pflegen. Fehlten diesmal auch leider wieder die österreichischen Kollegen, so konnte doch eine Reihe von ausländischen Gästen begrüßt werden. Wie immer soll an dieser Stelle über die Vorträge und Ereignisse nur insoweit berichtet werden, als der Buchhandel daran Interesse hat. <Der Bericht mußte wegen Raummangels leider gekürzt werden. D. Schrift!.) Nach den kurzen Begrüßungsansprachen des Vorsitzenden, der Wesen und Bedeutung der wissenschaftlichen Bibliotheken kurz umriß, des Universitäts-Rektors, eines Vertreters des württem- bergischen Kultministeriums und des Oberbürgermeisters eröff- nete am 13. Juni Leyh - Tübingen die Reihe der Vorträge mit einem Bericht über den Stand der Zeitschriftenreform, die seit langem Bibliotheken, Buchhandel und diese besonders im Ausland beschäftigt. Dabei führte er etwa folgendes aus: Die Überproduktion aus dem Gebiete des Zeitschriftenwesens, beson ders der naturwissenschaftlichen und medizinischen Facher, mußte in Deutschland infolge des großen Reichtums an wissenschaftlichen Instituten besonders stark in die Erscheinung treten. Ihre letzte Ursache ist aber nicht so sehr in der Willkür der Herausgeber und der Verleger der Zeitschriften zu suchen als in der extensiven Form des wissenschaftlichen Betriebs, der wiederum mit der fort schreitenden Spezialisierung der Wissenschaft zusammenhängt. Versuche, die von vr. F. Springer und von den medizinischen Ge sellschaften schon in den Jahren 1826 und 1927 gemacht wur den mit dem Ziel, den immer bedrohlicher werdenden Umfang der deutschen Zeitschriften einzuschränken, blieben ohne wesentlichen Erfolg. Die zahlreichen außerdeutschen Proteste aber, die sich in den letzten Jahren gegen die Preise der deutschen Zeitschriften richteten, veranlaßten 1932 den Internationalen Verband der Bibliothekarvereine, die Frage der Zeitschriftenpreise in sein Ar- beilsprogramm aufzunchmen. Darauf entschloß sich der Börsen- verein der Deutschen Buchhändler in Verbindung mit dem Reichs verband der Deutschen Hochschulen und beraten von dem Verein Deutscher Bibliothekare, in dem bekannten Abkommen von Mün ster vom 3. August 1933 wirksame Maßnahmen zur Einschrän kung des Umfangs und des Preises der deutschen Zeitschriften zu treffen. Dieses Abkommen wurde im Oktober 1933 in Chicago und im Januar 1935 in Berlin erneut bestätigt und ergänzt. Die teueren Zeitschriften sind inzwischen um rund 45 Prozent ein geschränkt worden. Dissertationen sollen grundsätzlich aus Zeit schriften ausgeschlossen sein. Ein rechtzeitig bekannt zu gebender jährlicher Maximalpreis darf nicht überschritten werden. über diesen zweifellosen Erfolg hinaus erhebt sich aber noch das Bedürfnis nach einer Rationalisierung des gesamten wissen schaftlichen Zeitschriftenwesens, wobei die Bibliotheken weitgehend beteiligt werden müssen. Im einzelnen zu untersuchen sind die Fragen der Parallelzeitschriften, der mehrfachen Refcratenzeit- schriften, der Doppeldrucke, vor allem aber auch die Abwanderung der Dissertationen in Reihen, die die Etats der Bibliotheken ge nau so dauernd belasten wie die Zeitschriften. Der Rationalisie rung des Zeitschriflenwesens muß auf der Seite der Bibliotheken eine Rationalisierung des Sammelns entsprechen. Besonders aber ist zu prüfen, ob die Bücheretats der Bibliotheken als wichtiger Hilssstätten der Forschung den heutigen Bedürfnissen noch ge nügen. In seinem Vortrage teilte Prof. Leyh auch die Entschließung mit, die der Internationale Verband der Bibliothekarvereine auf seiner diesjährigen Tagung in Madrid (Mai 1935) faßte, und die dahin geht: I. Der Internationale Verband der Bibliothekar- 570 vereine erkennt an, daß die deutschen Zeitschriften der medizinisch- naturwissenschaftlichen Fächer seit 1933 eine wesentliche Ein schränkung in Umfang und Preis erfahren haben. 2. über die bisherigen Erfolge hinaus besteht das Bedürfnis, die Frage der Rationalisierung des wissenschaftlichen Zeitschriflenwesens aller Kulturländer in das Arbeitsprogramm des Internationalen Ver bandes der Bibliothekarvereine aufzunehmen. 3. Die Reform des akademischen Schriftentausches bildet einen einheitlichen Fragen komplex mit der Zeitschriftenreform. 4. Dissertationen sind nur in besonders begründeten Ausnahmefällen in Zeitschriften und Serien auszunehmen und in jedem Fall als akademische Schriften eindeutig zu kennzeichnen. Darauf berichtete Abb - Berlin über die Einrichtung des internationalen Leihverkehrs, der ebenfalls in Madrid besprochen worden war. Die dort vertretenen Länder waren sich darin einig, daß der internationale Leihverkehr aus dem einfachsten, raschesten und billigsten Wege erfolgen müsse und daß die bisherige Gepflogenheit des direkten Verkehrs von Biblio thek zu Bibliothek soweit als möglich beibchalten werden solle. Darüber hinaus hatte man, auf einen Vorschlag von Abb ein gehend, die Einrichtung von Zentralstellen für den Leihverkehr, die in Verbindung mit Auskunftstellen oder Gesamtkatalogen eingerichtet werden könnten, für wünschenswert bezeichnet. Diese Zentralstellen könnten die Listen der angeschlossenen Bibliotheken führen, statistische Angaben sammeln und jener Bestellungen, die im direkten Verkehr der Bibliotheken nicht erledigt werden könn ten, sich annehmen. In Tübingen legte Abb noch einmal ein gehend seine Gedanken über den internationalen Leihverkehr und die Zentralstellen dar, ohne daß es zu einer weiteren Aussprache kam. Von sehr aktuellem Interesse waren die Ausführungen von Des Coudres (Bibliothekar der Reichsführcrjchule der SS auf der Wewelsburg in W.), der über die Behandlung des verbotenen Schrifttums in den Bibliotheken sprach. Unter verbotenem Schrifttum versteht man heute das vom Staate verbotene oder beschlagnahmte und eingczogene Schrift tum, wie es außer bei gerichtlicher Einziehung in den Polizei blättern der deutschen Länder und im Rcichsanzeiger angezeigt wird. Dazu gibt es seit der nationalsozialistischen Revolution noch eine Unterscheidung: das unerwünschte Schrifttum, das, ohne aus drücklich verboten zu sein, von den Bibliotheken ähnlich zu be handeln ist. Gegen eine Verzeichnung des verbotenen Schrifttums bestehen keine Bedenken, denn die Bibliotheks-Kataloge sollen ja kundtun, was sich alles in der Bibliothek befindet. Dabei wird aber ein Verbotsvermcrk von Nutzen sein. An dieses Referat schloß sich eine Aussprache, an der sich D i e s ch - Königsberg, Krüß- Berlin, Rust-Leipzig und U h l e n d a h l - Leipzig beteiligten. Man wies darauf hin, daß viele Bibliotheksleitungen den Wunsch hätten, daß die an gewissen Stellen geführten vollständigen Listen der verbotenen Bücher in irgendeiner Form ihnen zugänglich ge macht würden, damit der bei den Bibliotheken noch vielfach herr schenden Unsicherheit mit Erfolg gesteuert werde. Es wurde be schlossen, diese Wünsche den zuständigen Stellen zur Kenntnis zu bringen. Der Schlußvortrag des ersten Tages und der erste am 14. Juni betrafen die Geschichte der Universitäts-Bibliothek Tü bingen. Zöpf-Tübingen sprach über den Magister Georg Burck- hard, den ersten ständigen Universitäts-Bibliothekar im 16. Jahr hundert, und L e i p P r a n d-Tübingen würdigte in fesselnder Weise den Nachlaß von Fr. Th. Bischer und Rob. Bischer. Ein zeitgemäßes bibliothekarisches Thema berührte sodann Ham mer - Stuttgart, indem er den -Luftschutz und die Bibliotheken behandelte und die dringendsten Maßnahmen zum Schutze der Be stände, Kataloge usw. vor Augen führte. Kl e f e k e r - Berlin be sprach das wissenschaftliche Bibliothekswesen in der Wehrmacht und gab einen Einblick in den Neuaufbau der deutschen Militär- bibliotheken nach dem Kriege, besonders in die von ihm geleitete