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Hier nun könnte vielleicht die Aufnahme von kleineren, gut gewählten B ü ch c r k o l l e kt i o n e n die Lücke ausfüllen. Die Marketendereien begleiten den Soldaten so weit wie nur mög lich, sind ihm jederzeit leicht und bequem zugänglich. Selbst wenn er Vvrnc im Graben liegt, wird oft die Kompagnieordonnanz, die täglich »nach hinten« geht, imstande sein, für die Kameraden beim Marketender dies oder das einzukaufen. Würde der Marketender eine Anzahl von Büchern jederzeit auf Lager haben und feilhal- tcn, so könnte sein Wagen, bzw. sein Verkaufsplatz der geeignete Ort fein, dem Soldaten die Gelegenheit zu anregender Lektüre gerade auch da zu bieten, wo er ihrer am meisten benötigt. . Es müßt« natürlich den Marketendern, die zum guten Teil von Literatur wenig Ahnung haben, so bequem wR möglich ge macht werden. Sie besorgen ihre gesamten Einkäufe gewöhnlich in Grvtzmarketendereien, die ihre Niederlassungen in den Haupt etappenorten haben. Diese wären von den Verlagsbuchhand lungen dafür zn gewinnen, daß sie ihren Kunden auch Bücher anbieten. Und zwar würde es am besten sein, wenn den Batail« lonsmarketenderu schon immer ausgewählte Zusammenstellungen in geeigneter Aufmachung, von nicht zu grobem Umfang, mitge geben werden könnten. Größere Verlagsbuchhandlungen könnten gegebenenfalls aus den Werken des eigenen Unternehmens allein derartige Kollektionen bilden. Im übrigen aber würde es sich empfehlen, wenn geeignete Sortimentsfirmen die Erzeugnisse verschiedener Verleger, soweit sie wirklich für den Verkauf an Soldaten geeignet sind, vereinigen würden. Bei der Auswahl würden Mannigfaltigkeit und Billigkeit der Bücher die tzauptgesichtspunkte abzuge-ben haben. Eine Ver kcnnung des Bedürfnisses der Soldaten, die in der Heimat nahe genug liegt, wäre es, wollte man ausschließlich oder auch nur hauptsächlich »Kriegsliteratur« anbieten. Der Soldat, der immer von dem Krieg in seiner grausigen Wirklichkeit umgeben ist, hat wenig dafür übrig, auch noch von dem Krieg zu lesen, sich von seinem Leben und Wirken erzählen zu lassen, ebenso, wie er im allgemeinen für die patriotische Begeisterungsliteratur kein be deutenderes Interesse hat. Weit bessere Aussicht auf Anteil nahme hat reine Unlerhaltungsliteratur; nicht vergessen sollten aber auch Bücher werden, die Entdeckungsreisen schildern, kleine naturwissenschaftliche Schriftchen (Sternenkunde, Abstammung des Menschen usw.j, technisch« Merkchen, aus denen fortgeschrit tene Facharbeiter Anregungen und Belehrung schöpfen könnten, und dergl. mehr. Natürlich wird immer Wert daraus zu legen sein, daß Titel, äußere Aufmachung und Stil nicht allzu wissen schaftlich wirken, daß möglichst weite Kreise am Kauf interessiert werden können. Was mehr als eine Mark kostet, wird gemeinhin nicht auf Absatz rechnen können; je weniger ein Heftchen kostet, um so mehr wird es bei den Soldaten Freunde finden. Umfangreichere Werke jenen Kollektionen einzureihen, muß auch schon die Rücksicht auf die Schwierigkeiten -des Transports verbieten, Der Marketender, der sich dazu versteht, zwei oder drei Kollektionen im Gesamtgewicht von vielleicht 30 Kilo zu kaufen, »ruß damit schon 5, 8, 10 Dutzend Bücher und Hefte mitnehmen können. Es wäre angebracht, ihm mit jeder Zusammenstellung auch immer gleich einen geeignetenBehälter zum Trans port und zum Feilhalten zu liefern — selbstverständlich ohne be sondere Berechnung. Am besten würden sich Wohl leichte, dünne Kisten eignen, die, auseinandergeklappt und neben dem Marke tenderwagen ausgestellt oder im Verkaufsstand aufgehängt, gleich als Schaukästen benutzt werden könnten. Auseinandernehmen und Zusammenpacken müßte aber ohne Schwierigkeiten und aufs schnellste besorgt werden können: denn nur unter solchen Um ständen würden sich die meisten Marketender bereit finden lasse», diesen neuen »Artikel« in ihre Warenliste mit anfzunehmen. Natürlich müßte die Einführung solcher Marketender-Büche reien zunächst von einiger Propaganda begleitet werden; durch sie wäre es aber Wohl auch möglich, manchen Truppenführer aus die Einrichtung aufmerksam zu machen und von hier aus dann eine Unterstützung in der Einwirkung auf die Marketendereien zu erhalten. vr. dl. Das Buch in schweren Zeiten. Nachdruck, auch ohne Quellenangabe gestattet.*) Das Gewicht, das von seiten der Heeresverwaltung auf die geistige Nahrung des Soldaten iw Felde gelegt wird, ist das beste Zeugnis für den Wert des Buches in schweren Zeiten. Die Kämpfer im Schützengraben, feste Männer mit unerschrockenem .Herzen in Leiden und Gefahren, klagen nicht so sehr über diese Leiden und Gefahren wie über die Langeweile in der Ruhestellung. Gerade wenn der Geist aufs äußerste angespannt ist, braucht er Beschäftigung. Draußen sowohl wie daheim könnten die Nerven das Gewaltige nicht dnrchhalten, wenn nicht für eine heilsame ablenkendc Beschäfti gung des Geistes gesorgt würde. Die Verfolgung der Tatsachen des großen Krieges, mit seinen großen Erfolgen und seinen Sorgen, kann das Gemüt doch nicht ganz ausfüllen. Ja, eine gewisse Diätetik der Seele, eine Hygiene des Gemüts verlangt, daß auch irgendwann ein mal ganz eingehend ein anderer Gedanke in Hirn und Herzen platz- greise. Ein lustiges Buch kann anffrischen und erheitern, ein ernstes kann den Gedanken eine neue, stärkere Richtung geben. Fn schweren Zeiten wandelt uns mehr als einmal, bei aller be rechtigten Zuversicht ans den glücklichen Endansgang, Unbefriedigthcit über Einzelnes an, wir murren und wollen es nicht ertragen, das Einerlei der Erscheinungen nutzt unsre Widerstandskraft ab: Ta kann nur intensive geistige Beschäftigung mit etwas anderem uns wieder ins seelische Gleichgewicht bringen. Mögen cs Bilder der Vergangen heit oder der Zukunft, dichterische Gesichte oder wissenschaftliche Wahr heiten, Glaubenssätze oder Formschönheiten sein, sie heben uns ans der engen Erfassung des Alltags heraus und lassen uns freier'und größer über die Unebenheiten denken, die wir williger dann in große Znjaminenhänge einordnen und uns daran anfrichtcn. Aber das Buch muß gut sein? Gut ist dabei kein enger kritischer Begriff. So verschieden der Leser und sein Bedürfnis ist, so ver schieden kann auch das sein, was das Buch gibt, und das, was es von dem Leser fordert. Für den einen sind die Gedanken Fansts in seinen Monologen ein Evangelium, das ihn zugleich mit Fngenderinnernngen über der Zeiten Bedrängnis hinweghcbt, der andere aber fragt, ob cs nicht statt dessen etwas >znm Lesen« gebe. Gut ist das Buch in diesem Sinne, wenn es seinen Zweck erfüllt und dieser Zweck kein ver derblicher ist. Qb er höher oder weniger hoch steht, ist bei der Ver schiedenheit der Leser kein ausschlaggebendes Kriterium. Qb es po litische und geschichtliche Aufschlüsse, Fachwissenschaft oder Schön geistiges gibt, bleibt sich schließlich gleich. Was der Einzelne, wenn er Bücher als Weihnachtsgeschenke wählt, von dem Buch seiner Wahl verlangen und erwarten soll, muß der Schenker wissen. Ter Buchhändler aber wird ihm dabei helfen. Mehr aber als sonst muß das Buch dieses Fahr überhaupt als Weih nachtsgeschenk in Frage kommen. Denen, die im schweren Kampf stehen, und denen, die daheim Sorgen tragen, gilt es das Gemüt nnf- znrichten, indem cs mit Bildern von Schönheit und Wahrheit erfüllt wird. Dann sieht man die Dinge nicht etwa bloß rosiger, man sicht sic auch wahrhaftiger und richtiger? Das Buch ist überdies eines der wenigen Gegenstände, die nicht teurer geworden sind. Nur in ganz geringen Schwankungen für einige Werke haben sich die erheblich gesteigerten Herstellungskosten geltend gemacht. Fm allgemeinen ist das Buch ebenso preiswert geblieben wie im Frieden, es ist in den Läden in reicher Auswahl vorhanden und wird willig und liebenswürdig verkauft, so daß man sich nicht erst Wir werden diesen Artikel eines unserer Mitarbeiter durch das Prcsseburean dcS Börscnvereins den Zeitungen zur Verfügung stellen. Das wird hoffentlich niemand hindern, ihn in seinem Kreise zn verbreiten, wenn er mit uns der Meinung ist. daß nicht oft und dringend genug in der Presse auf Buch und Buchhandel hingcwiesen werden kann. Die Zeit, da auch Herr Mvffs ein Buch kauft, rückt heran, und wenn wir einigermaßen einen Ausgleich zwischen den ge ringen Einnahme» während des übrigen Fahrcs und den erhöhten Aus gaben schaffen wollen, so dürfen wir keine Gelegenheit vorübergchcn lassen, das Publikum znm Bücherkanf anzuhalten. Die Gelegenheit ist nie günstiger gewesen. Wer die Gemüter empfänglicher für poetische Beiträge hält, sei ans die nachdrnckfrcicn Gedichte in Nr 268, 274 und 277 aufmerksam gemacht, während diejenigen, die der Sache mehr einen geschäftsmäßigen Anstrich geben wollen und über eigene Blätter ver fügen, die Anzeigenteile in Nr. 271 des Bbl. benutzen können. Der Dienst am Buche ist auch Kriegsdienst, und wie der Kampf, den unsere Brüder an den Fronten führen, einer großen, heiligen Sache gilt, so ist auch der Kampf gegen Tand und Luxus, die durch das gute Buch verdrängt werden sollen, unserer Zeit und des Buchhandels würdig, da wir dadurch unser Volk bereichern und cs empfänglich für alleK Gute und Schöne machen! 1466