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X: 261, 8, November 1928, Redaktioneller Teil. Börsenblatt f.b.Dtschn. Buchhandel. des Zentralausschusses der Papier-, Pappen-, Zellstoff- und Holz stoff-Industrie für den Monat Oktober 1928 lautet: »Die Ge stehungskosten in der Papiererzeugung sind weiter gestiegen, ohne daß die Preise sich dieser Entwicklung angepaßt hätten. Die Er höhung der Frachten wirkte auch ganz besonders preissteigernd auf die Brennstoffe, Von den Hilfsstoffen sind die zuletzt im Juni d, I, erhöhten Preise für Metalltücher seit dem 27. Oktober 1928 erneut gestiegen. Der Absatz vollzog sich dieser Entwicklung entsprechend größtenteils zu nicht ausreichenden Preisen, Bei noch immer ungenügenden Betriebswasserverhältnissen dürften größere Holzstosfvorräte gegen Ende des Monats nicht vorhan den gewesen sein.« Die oben behauptete rückläufige Tendenz der Preise ist tatsächlich kaum spürbar. Sie gilt allenfalls für das Ausland, schwerlich aber schon für das Inland, Bekannt ist jedoch, daß seitens der Zeitungsverleger sehr stark auf eine Senkung der Druckpapierpreise hingearbeitet wird, Anfang Ok tober nahm dazu auch ein Artikel in der »Zeitschrift für Deutsch lands Buchdrucker« Stellung, in dem es zum Schluß hieß: Eine Senkung ist unter den gegenwärtigen Verhältnissen m, E, nur dann möglich, wenn das Angebot die Nachfrage über steigt, wie dies jetzt in Amerika der Fall Ist, Der Satz im Leit- anfsatz der Nr, 31 des »Zeitungs-Verlag«: »Die Verlage ftn Amerika) sahen sich im Herbst l927 genötigt, die seitherige be denkenlose Erweiterung des Lesestoffes auszugeben« sollte den deutschen Zeitungsverlegern zu denken geben. Dem Verband kann es nur recht sein, wenn die Verlage gegenseitig durch stetige Erweiterung des Textteiles und Vermehrung der Beilagen sich zu übertrumpfen suchen. Desto stärker wird die Position des Verban des, wenn auch so mancher Verleger Pleite macht oder durch einen kapitalkräftigen Nachfolger abgelöst wird. Ein Mißstand ist cs auch, daß so mancher Verlag blindlings darauf los wirtschaftet, keine richtige Gewinn- bzw. Verlustberechnung macht, keine Sta tistik führt und nur darauf aus ist, umfänglich starke Nummern hinauszuschleudern. Allzuviel ist ungesund! Die Zeitung ver liert an innerem Wert, wenn sie eine überfülle von Stoff bietet und der Umfang nicht im Verhältnis zu dem erzielten Preis steht, DaS Mißverhältnis zwischen Text- und Inseratenteil ist bei vie len Zeitungen besonders auffallend. So liegt mir eine Zestungs- nnmmer vor, die bei 2g Seiten Umfang nur 4)4 Seiten Anzeigen hat. Eine andere Zeitung prunkt mit nicht weniger als zwölf Beilagen, Ein wesentlicher Punkt bei Bemessung des Texttelles ist der Umstand, daß dem Zeitungsleser auch Zeit zum Lesen der Inserate llbrlgblctben muß. Der Inserent erwartet mit Recht, daß seine Inserate, für die er sein gutes Geld hingibt, auch ge lesen werden. Wie kann aber ein Zeitungsleser, dem an manchen Tagen 2g und mehr Textseiten aufgetischt werden, noch Inserate lesen. Bei allzu großem Umfang wird die Zeitung nur über flogen oder nur stellenweise gelesen und das nicht zu Bewältigende ist Totgeburt bzw. schon am ersten Tage Makulatur, Leute, die die Zeitung von A bis Z lesen wollen, und es gibt solche, brauchen für eine Tcxtscitc ungefähr 20 Minuten, für 10 Textfesten aber 3 Stunden und 2V Minuten. Wer hat so viel Zeit im heutigen schweren Existenzkämpfe? Deshalb besser: guter, wertvoller Lese stoff in bczivinglichem Maße als eine unverdauliche Masse, die niemand bewältigen kann. Die Frage des Papierpreises hängt, wie vorstehend nachge wiesen, mit der Krage des Textumfanges innig zusammen, und cs ist klar, daß eine Einschränkung des Umfanges bei Verbesserung der Qualität des Lesestoffes nur günstige Wirkungen haben kann. Gelingt cs, den Druckpapierpreis zu senken, so muh eine Senkung der Preise für alle übrigen Papiersorten wiederum zwangsläufig Nachfolgen, Dies zu erreichen, sei das gemeinsame Ziel von Druckern und Verlegern, die zur Erreichung eines Erfolges ge schlossen vorgehcn müssen. Aus diesem Gründe werden auch vor stehende Ausführungen, die ja in erster Linie die Zeitungsverlcgcr interessieren, in der »Zeitschrift» veröffentlicht. Den Buchhandel interessieren gerade diese Ausführungen in doppelter Hinsicht, Einmal könnte es auch ihm nur lieb sein, wenn in der Tat auf diese Weise eine Verbilligung des Papiers erreicht würde. Zum andern kann er sich aber vielleicht auch von einer Beschränkung der Lesestofflieferung dieser Art eine Erleichterung für den Absatz seiner eigenen Erzeugnisse erhoffen. Welche Konkurrenz die Zeitung für das Buch bedeutet, wird am besten klar, wenn man sich vergegenwärtigt, daß der heutige Textteil einer normalen Tageszeitung dem Umfang nach ins gesamt etwa einem Rcclam-Doppelheft entspricht. Je mehr Zeit bei der Zeitungslektüre also gespart werden kann, desto eher darf man wieder aus Muße für Lektüre eines Buches erhoffen. Die Lage im Buchhandel selbst weist im übrigen immer noch Kennzeichen der Spannung auf. Die Zahl der Neu erscheinungen ist, nach den Erstankündigungen im Börsenblatt gerechnet, mit den 1739 Nummern des Oktober in den ersten 10 Monaten des Jahres bisher auf insgesamt 11 737 angewach sen, Das sind rund 200 weniger als in derselben Zeit 1927 (11952) und rund 800 weniger als 1913 (12 548), Die Über produktion hat also nachgelassen. Die Absatzerfolge können je doch, jedenfalls nach Andeutungen über Versteifungen im Zah lungsverkehr zu urteilen, nicht wesentlich besser geworden sein. Die Preislage ist im Durchschnitt ein wenig höher als voriges Jahr, Kein Wunder, nachdem die Herstellungskosten wie die allgemeinen Unkosten überall steigende Tendenz haben. Im Juli berichteten wir an dieser Stelle von Bestre bungen des amerikanischen Buchhandels, aus sich heraus eine Vertriebsorganisation nach dem Muster der auch in Amerika entstandenen Buchgemeinden zu schaffen. Die Pläne sind zur Ausführung gelangt. Im September ist die erste »Book selection«-Ausgabe der American Boolscllers' Association erschienen. Jeden Monat wird ein Buch in diesem Sinne ver breitet, Darum baut sich eine großzügige Gemeinschastswerbung auf, und die Väter des Gedankens erhoffen davon vor allem auch eine erziehliche und förderliche Wirkung für einen festeren Zusammenschluß des amerikanischen Buchhandels, Man hofft darauf um so mehr, als auch die ebenfalls schon im Juli hier erwähnte Gesetzesändcrung wahrscheinlicher wird, die dem ameri kanischen Buchhandel eine Organisierung des Schutzes des Laden preises ermöglichen würde. Mit der zunächst von ihm befehdeten amerikanischen Buchgemeinde, der Literary Guild, hat übrigens der amerikanische Buchhandel, wie es heißt, seinen Frieden ge macht, Auch dort sind also die Dinge vernünftigerweise den selben Weg gegangen wie in Deutschland, Wir erinnern insbesondere an den Friedensschluß zwischen Börsenverein und Deutsche Buchgemeinschaft, In der Tat verspricht, aufs ganze gesehen, eine solche Verständigung mehr als ein Kampf, Die Literary Guild of America zählt etwa 60 000 Mitglieder, Sie liefert für ein Jahresabonnement von 18 Dollar, das aber bezeichnenderweise vom 1, Januar 1929 auf 21 Dollar erhöht wird, monatlich ein Buch, das im Buchhandel 2—5 Dollar kostet. Das ist nur dadurch möglich, daß die Guild dem Verleger eine Großauflage von vornherein im ganzen fest abnimmt und selber binden läßt. Die Buchhandelsausgabe er scheint dann in anderer Aufmachung, Coward Mac kann hat so im September von dem »Francois Villon« von Lewis von vornherein eine Auflage von 70 000 und George H, Doran im Oktohcr von dem »Point counter Point« von Huxlsy sogar gleich 75 000 drucken können. Die andere amerikanische Buchgemeinde der »Book of the Month Club« hat über 85 000 Mitglieder, Er verpflichtet nur zur Abnahme von 4 Werken im Jahr, stellt aber 150—200 zur Wahl, die er empfehlend ankündigt, und berechnet im übrigen den Ladenpreis, Dem Epos »John Brown's Body« von Benet hat er so eine Erstauflage von 60 000 Stück verschafft. Von Saltens »Bambi« (Verlag Simon L Schuster) hat er 50 000 abgenommen. Durch den Buchhandel wurden dann von dem letzteren Werl von Anfang Juli bis Ende August ebenfalls noch 18 493 Exemplare abgesetzt. Hier zeigt sich also, daß die Arbeit einer solchen Buchgemeinde auch für den allgemeinen Buch handel Pionierdienste zu leisten vermag, sofern eben eine Ver ständigung über ein vertrauensvolles, gleichberechtigtes Zu sammengehen erzielt werden kann. Der an sich geschäftlich so gesunde und vor allem geschickte Gedanke, unter Ausnutzung des menschlichen Bequemlichkeitsdranges, den Abonnementsgedanken von der Zeitschrift auf das Buch zu übertragen, mit allen darin liegenden Vorteilen der Finanzierung, der Herstellungsver billigung, -der Risikominderung, könnte so am besten dem Gesamt buchhandel nutzbar gemacht werden. 1231