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Redaktioneller Teil. 210, 8, September 1921, Die zweite Periode beginnt mit dem Jahre 1900, in dem die ersten neuen deutschen Druckschriften von Künst lern herauskamcn, Der Buchschmuck trat jetzt zurück; mau be mühte sich, diese neuen Schriften ihrer Eigenart entsprechend an- zuwendcn. Den Druckereien ward neues künstlerisches Material an Typen und dazu gehörigen Bnchornamenlen an die Hand ge geben, und sic lernten nun damit selbständiger arbeiten. So wurde diese Periode zu einer vorwiegend typographischen. Der Beginn der dritten Periode datiert etwa vom Jahre l910. Die Auchkünstler ließen ihre individuelle Art, ihren per sönlichen Stil zurücktreten i sic knüpften bewußt an die letzte selbständige geschichtliche Periode des deutschen Buchdrucks, an die Zopf- und Biedermeierzeit, an. Ein schlichter, ganz sachlicher Stil, die Anfänge eines nationalen Stils für die deutsche Buch ausstattung wurden gesunden. Es waren die Anfänge einer Periode der Typisierung, wie sie Muthesius auf der Werk bundtagung in Köln 1914 für die nächste Zukunft des ganzen deutschen Kunstgewerbes vorausgesagt hat. Fast gleichzeitig, d, h, schon bald nach 1910, begann eine vierte Periode (eigentlich wäre es besser zu sagen eine vierte Richtung), Jetzt wirst man die mühsam wiedergewonnenen Regeln von einer künstlerischen Übereinstimmung zwischen Satz und Bild oft leicht fertig über Bord, Es treten Künstler als Buchillustratoren auf, die ihre Bilder in skizzenhaften Eindrücken leicht auf den Stein zeichnen (Corinth, Slevogt, Meid u. a,). Die Ver leger und die Drucker konnten sich nun damit abfinden, die Form des Textsatzes dazu zu finden. Die Bilder wurden wieder nach der älteren Art als Tafeln, die auf der Rückseite unbedruckt blei ben und also den Fortgang des Tcxtdruckcs zerschneiden, in das Buch eingefügt. Dadurch leidet die Harmonie des Buches, und zwar einerseits durch die leichte Steinzeichnung, die mit dem festen Typenbilde nicht harmoniert, andererseits durch die Ta feln, die in die fortlaufenden Textbogen lose eingeschaltet werden. Diese neue Richtung ist aber, wie Loubier mit Befriedigung fest stem, nicht die allein herrschende geworden. Wie sich solche generellen Unterschiede in der inneren Aus stattung des Buches zeigen, so nehmen wir sie auch, und zwar recht in die Augen fallend, au den künstlerischen Verlegerein- bänden wahr, die zuerst stark individuell gestaltet werden, dann vom Individuellen mehr und mehr ablassend, sachlicher, strenger, schlichter, aber darum durchaus nicht weniger geschmackvoll, nicht weniger künstlerisch werden und auch in der vierten Periode in der .Hauptsache so geblieben sind. Bei der eingehenderen Darstellung der einzelnen Zeit abschnitte und Richtungen schildert Loubier das Wirken der be deutendsten Auchkünstler, indem er zugleich von ihren bemerkens wertesten Werken Probeseiten (meist Titelblatt und Textseite) wiedergibt. Es ist ungemein reizvoll zu beobachten, wie der Ver fasser jedem einzelnen gerecht zu werden sucht, wie er das zu er fassen sucht, was die Bedeutung des einzelnen in der neuen Bewegung ausmacht, aber auch wodurch er sich im übrigen ver dient gemacht hat. Man braucht durchaus nicht in allem mit ihm übereinzustimmcn, und man wird doch den Eindruck gewinnen, daß von all den beteiligten Auchkünstlern und Verlegern, denen er einen Mißgriff vorhält, Wohl kaum einer ihm gram sein wird, Loubier geht eben in seinen Regeln von ganz bestimmten An schauungen aus, die in ihrer Art ganz richtig sind, aber doch nicht ausschließen, das; auch andere noch gelten können. Daß Loubier den neuen Druckschriften eine besondere Be achtung schenkt, ist erklärlich, obschon es manchem scheinen mag, als ob die Schriftgießereien in neuerer Zeit des Guten und minder Guten reichlich viel auf den Markt gebracht haben. Der Verfasser lobt übrigens durchaus nicht alles, was auf diesem Gebiete geleistet worden ist, und er erteilt sehr beherzigenswerte Winke und Warnungen betreffs der Anwendung neuer Schriften, Den Verlegern wird Loubier ebenso gerecht wie den einzel nen Verfassern, soweit sie sich um die Ausstattung ihrer Bücher verdient gemacht haben. Erfreulicherweise war es dem Verfasser möglich, seine Aus führungen durch eine große Zahl Abbildungen zu erläutern, 1341 Diese Titelbilder und Probeseiten (oft in mehrfarbigem Druck) geben einerseits Muster des Schönsten wieder, was die neue deutsche Buchkunst auszuweisen hat, andererseits auch solche, die zwar in ihrer Art bemerkenswert oder auffallend, aber nicht gerade als vorbildlich zu betrachten sind. Der flüchtige Leser, der auch in einem solchen Buche wie in einem Bilderbuche zu blättern ansängt, möge also nicht in den Irrtum verfallen, alle diese Bilder und Probeseiten würden als Muster vorgcftihrt. Bei dem stattlichen Format des Buches konnten auch große Probe seiten noch in einem entsprechenden Maßstab wiedergegeben wer ben, Unter jeder Reproduktion ist übrigens das Originalformat angegeben und durch eine Tonunierlage das Papierformat ange- dcutet. Außerdem sind auf 12 Schrifttafeln 48 moderne, künstle risch einwandfreie Schriftarten und auf 7 Tafeln eine Auswahl der schönsten Verleger- und Druckermarken wiedergegebcu. Zum Schluß sind eine Anzahl Bucheinbände, zum Teil farbig, abge bildet, Hier möchte Wohl mancher Bücherfreund noch eine grö ßere Auswahl zu finden wünschen, aber über Bucheinbände gibt cs ja besondere Werke, und es wäre wirklich unbescheiden, bei einem mit einer so großen Opferwilligkeit des Verlages geradezu glänzend illustrierten Werke mit dem Gebotenen nicht zufrieden zu sein. Die Darstellung reicht bis zum Eindringen der expressioni stischen Kunst in die illustrierten Bücher, doch macht Loubier aus seiner geringen Sympathie dafür kein Hehl, Auch über die neuerdings massenhaft fabrizierten Luxusdrucke geht er ver hältnismäßig kurz hinweg, da er diese entweder nicht als echte Kunstwerke betrachtet oder wenigstens in ihnen keinerlei Fort schritt zu erkennen vermag. Auch abgesehen von den Abbildungen, verdient das Buch ivcgen seiner schönen und gediegenen Ausstattung volles Lob, Es ist auf einem bllltenweißen, kräftigen, holzfreien Papier ge druckt, das den besten Erzeugnissen des Friedens gleichkomml. Gesetzt ist es in der klaren kräftigen Behrens-Antiqua mit schwarz- roten Initialen und roten Kapitelüberschriften. Während die Druckfehler sich auf ein Minimum beschränken (S, 73 soll es hei ßen Biographischer statt Bibliographischer Verlag), ist der Satz einzelner Zeilen ungleichmäßig: es gibt nämlich Zeilen, wo der »Ausschluß« völlig fehlt, so daß also Wort an Wort steht (offen bar eine Folge nachträglicher Korrekturen). Diese kleine Unregel mäßigkeit im Satz fällt dem gewöhnlichen Leser aber nicht aus. Der Verlag bezeichnet im Prospekt das Buch mit Recht als »ein Dokument deutscher Kultur für alle Zeiten«. Man möchte deshalb wünschen, daß es auch im Ausland recht viel Verbreitung fände. Gibt es doch kein anderes Werk, das in solcher Weise in Wort und Bild die Fortschritte und Leistungen dieses Zweiges deutscher Kunst und deutschen Kunstgewerbes vor Augen führt. Die ausländischen Fachzeitschriften und Fachwerkc ignorieren ja zumeist — zumal seit dem Weltkrieg — alle derartigen deutschen Leistungen, und deshalb wäre es sehr zu wünschen, daß das Werk zum mindesten den Weg in die öffentlichen Bibliotheken und in die Büchereien der Fachverbände des Auslandes fände, um dort we nigstens einem Teil der Interessenten in die Hände zu gelangen. Selbstverständlich hat auch der deutsche Sortimentsbuchhan del ein Interesse daran, es in seinem Kundenkreis möglichst be kannt zu machen, denn es fördert und läutert die Freude am schönen Buche und regt damit die Kauflust an. Wer schöne Bücher kauft, wird gern auch dieses Werk erwerben. Für alle aber, die im Buchgewerbe tätig sind, Verleger, Sortimenter, leitende An gestellte, Künstler, Drucker, Buchbinder, ist cs einfach unentbehr lich, denn es ist ein geschichtlich-ästhetischer Führer, der einzig in seiner Art ist und Wohl auch noch auf lange Zeit hinaus durch kein ähnliches Werk ersetzt werden wird. Einerseits ist es ein sicherer Leitfaden für den Kunstbeflisscnen und andererseits wegen des weiten Gebiets, das es behandelt, ein schätzenswerter Bei trag zur Geschichte des Buchgewerbes und auch des Buchhandels, Nicht zuletzt bietet es einen guten Ersatz für die bisher noch feh lende Monographie der deutschen Luxusdrucke, Alle, die sich für Werke dieser Art interessieren, hätten schon längst eine kritische Bibliographie dieser Luxusdrucke gewünscht, aber bei der Schwie-