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7«, 2. April. Nichtamtlicher Theil. 1563 für den Wahlausschuß die Herren H. Georg, Basel, und F. Springer, Berlin; für den Rechnungsausschuß die Herren E. Paetel und H, Höfer, Berlin; und an Stelle des etwa austretenden Herrn Müller-Grote, Herrn I. Stettner, Freiberg. Für den neuen Verbandsvorstand wurde einstweilen die Wahl der Herren C. Winter, Heidelberg, und I. Alt, Frankfurt a/M., in Aussicht genommen; wenngleich auch beide Herreu erklärten, eine event. aus sie durch die Delegirtenversammlung fallende Wahl nicht annehmen zu wollen. Es wurde ferner beschlossen, nachstehenden Antrag des Mittel deutschen Buchhändler-Verbandes der diesjährigen Delegirtenver- sammlung in Leipzig vorzulegen: „Die Delegirtenversammlung möge, sobald sich die Modi ficirung der 1882er Delegirtenbeschlüsse als nothwendig oder zweckdienlich erweisen sollte, in Erwägung ziehen, inwieweit die Rabattnormen derjenigen Vereine, welche solche auf niedrigerer Basis als logg vereinbart haben oder vereinbaren wollen, unter den Schutz des Verbandes gestellt werden können, und damit zugleich eine allmähliche Beseitigung des Kundenrabatts und die Rückkehr zu den Ladenpreisen erreicht werden kann." Als Dclegirtc zur diesjährigen Delegirtenversammlung wurden ernannt die Herren Bcrgftraeßcr, Darmstadt, Koenitzer, Frank furt a/M., Limbarth, Wiesbaden, Winter, Heidelberg. lieber Caricaturen, Spott- und Schmähschriften. Ein Bortrag gehalten im Verein Berliner Buchhändler von Otto Mühlbrecht. (Schluß aus Nr. 7S.) Ich Werde aus die politischen Caricaturen und Pas quille, eine gefährliche zweischneidige Waffe, nachher noch zurück kommen; zunächst bitte ich Sie, sich mit mir der Betrachtung einer liebenswürdigeren Gattung der Caricaturen zuzuwenden, nämlich derjenigen, in welcher der Humor dominirt, wohl vom Witze unterstützt, aber mit Ausschluß der eigentlichen Sa tire, deren zersetzende Schärfe die harmlose Freude nicht ge deihen läßt. Die Satire cultivirt nur zu oft die Schaden freude, und berührt mit diesem Bestreben gar manches Gemüth peinlich, während der Humor sich niemals Feinde macht. Die mildere, humoristische Form der Caricatur findet gewöhnlich Anwendung bei der Schilderung menschlicher Sitten und Ge bräuche, in der Persiflage der Moden, in der Parodirung der Lächerlichkeiten des gesellschaftlichen Lebens u. s. w. Der Zeichner kann hier ganze Gattungen persisliren, wie die Dummheit, den Hochmuth, den Geiz, er kann das Wesen ganzer Gesellschafts klassen, wie der Soldaten, der Künstler, der Gelehrten dar stellen, er bedarf nicht bestimmt erkennbarer Persönlichkeiten, um seine Wirkung zu erzielen. Diese sehr feine und schwierige Art der Caricatur zu schaffen ist nur der wahre Künstler fähig; denn sie erfordert nicht nur den echten, ungekünstelten Humor — bekanntlich eine seltene Gottesgabe —; sondern cs muß mit dieser Eigenschaft auch ein seines Gefühl und Verständniß für Schönheit und Grazie verbunden sein, und auch dann erst gelangen diese Eigenschaften zum harmonischen Ausdruck, wenn der Künstler in der Technik Meister ist. Nur in diesem seltenen Falle, also bei höchster Kunstvollkommenheit des Schaffenden, schwingt sich die Caricatur über die ihr sonst angewiesene untergeordnete Stellung empor und vermag selbständig und frei aufzutreten, während es sonst überall ein Merkmal ihrer Unselbständigkeit ist, daß sie des Textes nicht entbehren kann. In den meisten Fällen muß sich die Caricatur an einen Text lehnen, beide ergänzen sich gegenseitig und verstärken damit die Wirkung, während durch das Fehlen des einen Factors das Ganze stark abgeschwächt wird. Es ist nicht erforderlich, daß beide witzig sind, denn ein ganz solider ernster Text kann um so drastischer wirken, je mehr er in Widerspruch mit der Zeichnung steht, ebenso umgekehrt; ich erinnere Sie an die bekannten „Illu strationen zu den deutschen Massikern" in den „Fliegenden Blättern". Auf diesem dankbaren Gebiete der künstlerischen, echt humoristisch erfundenen Caricatur haben in neuerer Zeit Callot und Gavarni Ausgezeichnetes geleistet, sie besaßen diejenigen Eigenschaften in hohem Grade, durch welche die französischen Caricaturenzeichner sich oft von denen anderer Nationen vor- theilhaft unterscheiden: den spielenden, geistreichen Wurf und die anmuthig flüchtige Eleganz der Technik. Diese blendende französische Technik der Zeichnung bewundern wir auch augen blicklich wieder bei Grevin, der im ckonrnul amüsant leider nur seinen Stift fortwährend zur Verherrlichung jener Fri volität herleiht, mit welcher der Pariser bekanntlich gern öffent lich coquettirt. Das Beste in der feineren Caricatur hat England im vorigen Jahrhundert durch Hogarth geleistet. Wir finden in dessen Schöpfungen eine bedeutende geistige Tiefe, den unsicht baren und deshalb um so mächtiger wirkenden psychologischen Hintergrund der Komposition, die auf vollendeter Technik beru hende vis oomiva der Linien und Verhältnisse in den Bildern, genug die vorerwähnte seltene Vereinigung aller erforderlichen Eigenschaften, welche Hogarth einen Ehrenplatz unter den Künst lern aller Zeiten sichert. Wir Deutsche können ihm vielleicht nur Chodowiecki gegenüberstellen, doch konnte Letzterer sich auf dem Gebiete der humoristischen Caricatur nicht in gleicher Weise entwickeln wie Hogarth, dem die freieren socialen Zustände seines Landes einen viel größeren Spielraum für seine über- müthige Laune gewährten. Der Lichtenberg'sche Commentar hat viel dazu beigetragen, das Andenken Hogarth's zu befestigen und seinen Ruhm zu erhöhen, ein Beweis für das vorhin Gesagte, daß auf dem Felde der Caricatur selbst die besten Leistungen Wohl selbständig austreten können, durch die Verbindung mit einem Texte jedoch erst recht eigentlich zur Geltung gelangen. Die feinere englische Caricatur der Neuzeit kennzeichnet sich durch eine gewisse markige, nüchterne Schwere, durch das tief einschneidende directe Anfassen des Zieles und durch eine etwas harte äußere Form, Eigenschaften, welche aus dem „Punch" Je dermann bekannt sind. Die Zeichnungen des Punch gehören übrigens mit zu dem künstlerisch Besten, was gegenwärtig in den verschiedenen Ländern aus diesem Gebiete geleistet wird; ebenso ist der Text vorzüglich redigirt, so daß der Punch in seiner Gesammtleistung, verglichen mit seinen verschiedenen Nach ahmungen, noch unerreicht dastcht. In Deutschland zeigt die heutige feinere Caricatur, wie in Frankreich und England, ein durchaus nationales Gepräge, sie ist, unserem Volkscharakter entsprechend, harmlos-humoristisch ge färbt. Nehmen wir als ein Beispiel unsere illustrirten Berliner Wochenblätter, die zwar eigentlich nicht in diese Kategorie hineingehören, da sie überwiegend politische Tendenzen ver folgen und der satirischen Schärfe sich mit Vorliebe bedienen. Trotzdem, wie häufig ist die beißendste Wahrheit in einen gut- müthigen Humor gehüllt, wie läßt man die Müller und Schultzc, Wippchen und Andere ihre tollen Einfälle oft in spießbürgerlich harmloser Weise vortragen. Schade nur, daß unsere deutschen Caricaturzeitungen fast sämmtlich so sehr in der Form ver- 222»