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2S6, 17. November 1910 Fertige Bücher. «Irinibl-Ut s. d. D»«„. «L«i»ndll 14017 Die eiste Besprechung des Werkes „Ae Weckung des Nordpols" von E. Peary ist im langen dreispaltigen Feuilleton der „Leipziger Neuesten Nachrichten" von Freitag den ll. November erschienen. Es heißt darin unter anderem: H'earys Auch ist ei« Schkachtenbuch. Das Ringen der Wenigen ist darin, die sich mutvoll in eine ungeheuere, verderbliche Leere stellten, Strapazen und Niederlagen Heraufziehen sahen, gegen die es nur die Abwehr durch äußerste Energie, durch unbedingte Herrschaft über den schwachen, eigenen Menschenkörpsr und durch die List, Schärfe und Überlegenheit eines nie überrumpelten Geistes gab. Und der Drang zu forschen, der wiederum ein dunkles Erdstück zum Licht der Wissenschaft hinriß. das Alleswagen um Erkenntnis auch im Anblick der Vernichtung: die Arbeit, das Vorwärtswollen aller in der Verkörperung deS Einen ist das Bleibende und Große auch an Pearys Werk. — Alles von dieser heroischen Fahrt, von diesem Reisen durch die Nacht der Monate und durch die Monate des stillstehenden Tages ist jetzt, Episode um Episode, Kapitel um Kapitel von dem Augenblick an aufgereiht, da Rooseoelt der Expedition die Abschiedsworte der amerikanischen Heimat an Bord des Expeditionsschiffes brachte. In den ersten Apriltagen soll sich das Ziel erfüllen. Peary weiß, daß er vor der Erfüllung seiner Träume steht, Peary weiß, daß nur wenige Kilometer ihn vom Pole noch trennen können. Doch so erschöpft sind die sechs Männer, daß sie hart vor dem Pol noch einmal schlafen, schlafen müssen. Wie Peary erwacht, notiert er: „Endlich der Pol. Der Preis von drei Jahrhunderten. Mein Traum und Ziel seit zwanzig Jahren. Endlich mein. Ich kann es noch nicht begreifen. Es scheint alles so einfach und selbstverständlich." Die Sechs machen sich zum Schlußmarsch bereit. „Wir marschierten etwa 18 Kilometer. Während wir dahinzogen, klärte sich der Himmel auf, und am Ende des Tages war es möglich, um Mitternacht des Columbia Meridians eine zufriedenstellende Reihe von Beobachtungen anzustellen. Diese Be obachtungen bewiesen, daß unsere Stellung jetzt jenseits des Poles war. Fast alle Umstände, die uns jetzt umgaben, schienen uns zu sonderbar, als daß wir sie ganz begreifen konnten. Aber einer der sonderbarsten von diesen Umständen schien mir die Tatsache zu sein, daß ich auf einem Marsch von nur wenigen Stunden aus der öst lichen in die westliche Hemisphäre gekommen war, daß ich meine Stellung auf dem Gipfel der Welt festgelegt hatte. Es war so schwer zu begreifen, daß wir bei den ersten Kilometern dieses kurzen Marsches nach Norden gegangen waren, während wir auf den letzten Kilometern desselben Marsches nach Süden marschiert waren. Und doch hatten wir die ganze Zeit genau die gleiche Richtung ein geschlagen. Es dürfte schwer sein, sich eine bessere Illustration der Tatsache vor zustellen, daß die meisten Dinge relativ sind." Am Pol selbst war die Zeremonie der Besitzergreifung knapp und einfach. Die sechs hißten die Flagge, die Eskimos donnerten ihr „Hoch" in den Polarhimmel. Wortlos schüttelte Peary den Gefährten die Hand. ... In einer Glasflasche am Pol wurden die Aufzeich nungen der Expedition, das Dokument der Ankunft zwischen Eisblöcken geborgen. Einen Tag später strebten sie alle unter gleicher Gefahr, wie sie vorwärts ge kommen waren, wieder der »Rooseoelt« zu. Und bald danach jagten die Depeschen in alle Welt. . . . Und er schildert voll Temperament, voll Anschaulichkeit und mitunter voll künstlerischer Kraft sogar, und in Todesnähe verliert er manchmal nicht den Humor grotesker Situationen. Sein Kapitel über die Eskimos ist ein völker geschichtlicher Beitrag voll neuen Inhalts. Sein zwanzigjähriger Kampf mit der arktischen Zone, die Erfahrungen der zwei Dezennien stecken in dem Buch: die harte, verwegene Persönlichkeit, die ihren Lebenskampf sieghaft zu Ende brachte, hat auch für die Darstellung all ihrer Erlebnisse den kongruenten, harten, plastischen Ausdruck gesunden. Berlin. Wilhelm Süsserott. Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel. 77. Jahrgang. 1820