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12018 ^bwnbllM X, h Dtschn. vuchhander., Amtlicher Teil. .Ä 235, 8. Oktober 1SI2. China hatte sich, stolz auf seine uralte nationale Kultur, in starrem Konservativismus lange dem Eindringen neuzeitlicher Kultur und Zivilisation verschlossen. Als es schließlich dem immer mächtiger werdenden Ansturm der westeuropäischen Nationen, denen sich die Nordamerikaner und die Japaner angeschlossen hatten, nachgeben und sich zu einer „Politik der offenen Tür" bequemen mußte, entstand unter diesen Nationen ein Konkurrenzkampf um den besten „Platz an der Sonne". Dieser Kampf hat seither stetig an Schärfe zugenommen. Es bilden dabei neben den wirtschaftlichen be sonders auch geistige Eroberungen das Kampfziel. Alle konkurrierenden Nationen sind bestrebt, auf das chinesische Bildungswesen einen möglichst weitgehenden Einfluß auszuüben und damit die Jugend Chinas zu gewinnen. In klarer Erkenntnis dieser Tatsache hatte auch Deutschland mit der Einleitung der erforderlichen Schritte begonnen und durch die Pachtung des Kiautschougebietes eine Operationsbasis geschaffen. Da es aber am spätesten in den Wettbewerb eintrat, hatten England, Frankreich, die Vereinigten Staaten und Japan bereits einen mehr oder weniger bedeutenden Vorsprung gewonnen. Ihnen allen war der neue Konkurrent sehr unwillkommen, und sie suchten ihm die Arbeit möglichst zu erschweren. Wie skrupellos dieser Konkurrenzkampf namentlich von englischer Seite ge führt wird, beweist die kürzlich erfolgte Gründung der „kritisli Hn^ineers Association", gegen deren Programm der „Ostasiatische Lloyd" in seiner Nr. 24 vom 14. Juni ds. Is. mit Recht scharfen Protest erhebt. Dieser neue Ver band, der seine Spitze ganz offensichtlich vor allem gegen Deutschland kehrt, bezweckt mit allen Mitteln die Förderung britischer Industrie und britischer Schulpolitik in Asien, sowie die Überwachung und Ausschaltung der fremden Konkurrenz, und zwar nötigenfalls unter Bevormundung bzw. Bekämpfung der einheimischen Gesetzgebung in den Interessengebieten. Punkt 7 seines Programms fordert „ünterstühung und Stärkung der Vorherrschaft englischer Instruktoren in asiatischen Schulen und Techniken". Trotz aller Schwierigkeiten haben wir auf schulpolitischem Gebiete Positives erreicht. Das erfreulichste Bild bietet unser Schutzgebiet Kiautschou. Euer bestehen außer zwölf Elementarschulen drei höhere Lehranstalten: die Deutsch- Chinesische .Hochschule, die Wsrftschule <als „Lochfachschule" zur Pflege technischer Spezialwisscnschaften) und die Deutsch-Chinesische Mädchenschule, sämtlich in Tsingtau. Die nächstwichtige Pflanzstätte deutscher Bildung ist Shanghai mit gleichfalls drei deutschen höheren Lehranstalten: der Medizinschulc <seit 1907), der in diesem Jahre gegründeten Technischen Lochschule und der Sprachenschule, in der die Schüler der beiden ersteren Anstalten die grundlegende Vorbereitung erhalten. Die Medizinschule hat in diesem Jahre zum erstenmal Approbalionsprüfungen abgehalten und drei chinesischen Kandidaten das Recht zur Ausübung der ärztlichen Praxis verliehen. Über die Gründung der Deutsch-Chinesischen Mädchenschule in Tsingtau und der noch im Bau befindlichen, aber bereits mit einem Lehrkursus für Techniker eröffnet«! Technischen Lochschule in Shanghai hat das „Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel" in der Nr. 75 vom 30. März ds. Is. berichtet, auf die hier nochmals verwiesen sei. An deutschen höheren Lehranstalten sind weiter zu nennen: die vom Deutsch-Chinesischen Schulverein in Canton unterhaltene Schule und die Deutsche Schule für Chinesen in Tsinanfu (Provinz Shantung). Zu diesen höheren Schulen kommt eine größere Anzahl deutscher Missionsschulen; die weitaus meisten sind Elementarschulen, der Rest Mittelschulen. Das Lehrpersonal, wenigstens an den höheren Schulen, besteht zum großen Teil aus tüchtigen, in der Leimat ausgebildeten deutschen Lehrern. Aus ihrer Mitte ist die in Shanghai erscheinende „Ostasiatische Lehrerzeitunq. Organ zur Förderung des deutschen Unterrichts in Ostasien" ins Leben gerufen worden. Dies außerordentlich verdienstvolle Linker nehmen hat bereits eine Fülle des wertvollsten Materials über deutsche und fremde Schultätigkeit in China veröffent licht Auch der „Ostasiatische Lloyd" läßt den deutschen Anterrichtsbestrebungen stetige und wirksame Förderung angedeihen. Desgleichen hat sich die in Shanghai erscheinende Zeitung „Usieli-Iio-pLo" in den Dienst der deutschen Sache gestellt. Sie ist für den deutschen LInterricht von ganz besonderer Bedeutung, weil sie in chinesischer Sprache herausgegeben wird und infolgedessen viel wertvollen Übungsstoff bietet. Von pädagogischer Bedeutung ist auch das mit der Tsingtauer Deutsch-Chinesischen Lochschule verbundene Schulmuseum. Daneben soll jetzt in Tsinanfu im Anschluß an die Deutsche Schule für Chinesen ein Deutsches Kultur-, Kandels- und Jndustriemuseum geschaffen werden, das den Chinesen ein möglichst abgerundetes Bild deutscher Art und deutschen Fleißes vermitteln und den deutschen Schulbestrebungen dienen soll. Alles bisher Geschaffene und Erreichte ist gewiß achtenswert und erfreulich, kann aber bei einem Vergleich mit den auf dem Gebiete des Erziehungswesens von den anderen Nationen, namentlich den Engländern und Amerikanern, erzielten Erfolgen nur die Überzeugung wachrufen, daß die bisherigen Anstrengungen ganz wesentlich erhöht werden müssen, wenn Deutschland mitmarschieren will. Zum Beweise hat Lerr R. Mell-Canton im Iuliheft der „Ost asiatischen Lehrerzeitung" eine Übersicht des Schulwesens der Provinz Kuang-Tung (Hauptstadt Canton) veröffentlicht. Er scheidet dabei die chinesischen Schüler der ausländischen Schulen in Propagandaleute, das sind solche, die u. a. die Sprache der fremden Nation erlernen, und Proselyten, das sind solche, die keinen fremdsprachlichen ünterricht empfangen. Erstere sind natürlich als Träger des fremden Einflusses weitaus wichtiger als letztere. Mell stellt nun folgendes Verhältnis fest: Deutscher Anteil. 500 Propagandaleute, 4435 Proselyten. k) Amerikanisch-englischer