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Redaktioneller Teil. I U. l8. Ma> 1918. und als die mit dem Oktober 1914 einiceteiide Besserung noch ^ nicht vorauszuschen war, gewagt hätte, etwas von Preiserhöhun gen und Kcicgszuschlägen vorzuschlagen? Gibt es einen einzigen unter uns, der es vor zwei Jahren siir möglich gehalten hätte, daß wir einmal so etwas wie diese Rcichsbuchwochc erleben würden, die, wenn sie auch vielleicht diese oder jene allzu hochgespannte Hoffnung nicht direkt er füllt, als Symptom doch kaum überschätzt werden kann? Karl Robert Langewiesche. Das verkaufte Exemplar. (Zum 50. Geburtstage Anna Julia Wolffs (2 6. Mai 1916j.) Bau meiueu Erfahrungen mit den Herren Verlegern fall ich Ihnen erzählen? Ich denke nach, sehr ernst und sachlich, nnd finde kaum etwas, das des Erzählens wert wäre. Gewiß, es gibt »solche nnd solche«, wie der Berliner sagt, und auch ich habe manch liebes Mal die Fäuste geballt und dem Manne, dem ich meinen Musensproß an- vcrtrante, einen kräftigen Fluch nachgejagt. Aber dann gab es auch wieder Lichtblicke im Verkehr mit den Verlegern, iveil zu ihnen Männer zählen, die den Blick aufs Große gerichtet halten nnd sich nicht, nach Vampirart, von dem Tintenblnt ihrer Opfer zu nähren pflege». Im allgemeinen jedoch habe ich wohl nichts erlebt, was nicht auch meine übrigen Kollegen von der Feder am eignen Leibe erfahren haben rverden. Wenn ich mich dennoch heranmache, von dem Lebensschicksal eines meiner Bücher zu erzählen, so muß ich weit, o so unwahrscheinlich weit znrückgreifen! Es betrifft mein erstes Buch, meine erste literarische Schöpfung, die ich seit Jahrzehnten verachtet, totgeschwiegen und ver leugnet habe, und die doch einstmals ein Schwingen nnd ein Hochgefühl in mir ansgelöst hat, wie cs kein späteres erfolggcsegnetes Buch jemals imstande gewesen ist. Ich hatte vier Novellen geschrieben, wnnderlieblich und rührend, nnd von einem so entwaffnenden Dilettantismus, daß selbst der blut rünstige Kritikus bezwungen die weiße Fahne hissen mußte. Sie ruhten fein säuberlich in meinem Kommodcnfach nnd wurden alle Wochen ein- bis zweimal ans Licht gezogen, wenn ich einen Verwandten, eine Freundin oder sonst einen Willfährigen damit zu beglücken trach tete. Ich hatte eine wundervolle Presse, ja, ich entsinne mich sogar des Urteils einer belesenen Hansschneidcrin, die meine Werke den Schriften Friedrich von Schillers ebenbürtig an die Seite stellte. Daß die Dame der Nadel bei mir den Tag 3 .// 25 F nnd volle Beköstigung erhielt, was ihr der nicht inehr lebende Schiller beim besten Willen nicht zu verdienen geben konnte, mochte ihre Kritik nicht unerheblich gefärbt haben. Nun, wie dem auch sei, jedenfalls hatten meine wohl gesinnten Hörer den Glauben an meine Dichtermission in mir groß- gezogen, nnd als ich eines Tages durch Zufall erfuhr, daß ein entfern ter Verwandter ein Buch heransgcgeben hatte, da kam es über mich wie eine beseligende Erleuchtung: »Auch deine Werke müssen der Nach welt erhalten bleiben«. In der Nähe meiner Wohnung befand sich ein Verlagshaus, ich kannte die Firma nicht, hatte wohl überhaupt nur eine recht verschwom mene Vorstellung von der Gattung Verleger, trotzdem ließ ich mich bei dem Inhaber melden und trug, ihm, heiß errötend und mit unbändigem Herzklopfen, meine Bitte vor. Ich betonte nachdrücklichst, daß es mir auf ein paar Mark mehr oder weniger absolut nicht ankäme, nnd bat und flehte im übrige» so rührend, daß der Gewaltige der Sache näher- zutreten versprach. Nun, er war ein mild denkender Mann, nichts Menschliches war ihm fremd, nnd »och heute — er ist schon viele Jahre tot - muß ich es dankbar anerkennen, daß er sich meine ahnungslose Uncrsahrenheit nicht zunutze gemacht hat. Kurz vor Weihnachten lag das Bändchen ans meinem Schreibtisch — ich hatte mir mittlerweile dieses selbstverständliche Inventar zn- gelegt —, nnd mein jubelnder Stolz nnd meine überspannte Hochstim mung nahmen Dimensionen an, die wohl kaum noch zu überbieten waren. Der Verlag hatte mir mehrere hundert Freiexemplare zur Verfügung gestellt (nehmt Euch ein Beispiel dran, Nachfolger dieses Edlen!), so daß ich also ans dem Vollen schöpfen und mit königlicher Verschwendung meine Gaben unter die Menge streuen konnte. Ich entsinne mich, daß die erwähnte Hansschneideri», der ein so großes Verdienst an dem Zustandekommen des Werkes znzuschreiben war, allein fünfzig Bändchen znm Verteilen an ihre Kundschaft ans meinen Händen empfing. Eines TageS hatte ich bei meinem Buchhändler Einkäufe zu machen: ich erzählte ihm von meiner neuen Schöpfung, nnd da ich eine gute Knn- 634 ! din war, erbot er sich bereitwilligst, drei Exemplare des Buches in das ! Fenster zu stellen. Nun hatten meine Tage einen Inhalt, und wenn ein geistvoller Satiriker behauptete, daß die Frauen die Hälfte des Tages vor dem Spiegel, die andere Hälfte aber vor dem Schaufenster znznbringen pflegen, so kann ich mit gutem Gewissen behaupten, daß ich meine weibliche Eitelkeit völlig dem zweckdienlicheren Schanfenster- besnch znm Opfer brachte. Und dann geschah das Wunderbare, Unbe greifliche. — Ich stehe vor dem Ladenfenstcr, nm mit liebevollem Mntterblick meine drei Sprvßlinge zn streicheln, da - ist es Wahrheit, ist es ein Spukbild? — da stehen wirtlich nnd wahrhaftig nur zwei meiner Bücher in dem Fenster, nnd die Stelle, wo das dritte Buch geprangt hatte, ist leer, klaffend leer. Ich stürze in den Laden, ich eile ans die Verkäuferin zu: »Wo ist mein Buch, mein drittes Buch?« Die Dame tritt meiner Erregtheit mit einer überlegenen Kühle entgegen. »Das ist verkauft, meine Gnädige.« »Verkauft?« Ich schreie, ich kreische, ich juble es hervor. »Und wer war der Käufer?« Mit einem Lächeln, ans dem man ein Dutzend Jnjurienprozesse zurecht- stntzen konnte, erwiderte die Holde: »Bedanrc, aber wir können unmög lich einen jeden Kunden nach seinem Namen nnd seinen Verhältnissen fragen«. Wer hat das Buch gekauft? Dieses nie ergründete, nie gelöste Problem hat mir schlaflose Nächte bereitet nnd meine Kombinations- sähigkeit vor schwindelerregende Aufgaben gestellt. — Jahrzehnte sind darüber hingegangen. Es ist meinem Schaffen nicht gelungen, meiner Zeit einen Stempel anfzndrücken, aber ich darf wohl ohne Überhcbnng sagen, daß mir die Jahre manch schönen, be glückenden Erfolg gebracht haben. Meine Bücher sind in Tausenden von Exemplaren in alle Welt verstreut worden, aber noch heute zergrüble ich mir mein Hirn über den geheimnisvollen Mäzen meines ersten, verlengneten Musenkindcs. A n n a .I n l i a Wolfs. Erhöhung des Nechnungsrabatts. <Vgl. Nr. 84, SS 11L) Eine altangesehene bedeutende Verlagsbuchhandlung strengwissen schaftlicher Richtung schreibt uns soeben nnd hat uns ans Anfrage die Veröffentlichung erlaubt: Sehr geehrte Herren Bernssgenosse»! Ihrem im Rundschreiben vom 25. April ausgesprochenen Wunsche nach allgemeiner Erhöhung des Rechnungsrabatts siir wissen schaftliche Bücher stehe ich wohlwollend gegenüber nnd kann das damit belegen, daß ich im Dezember v. I angeregt durch die Erörterungen im Börsenblatt nnd insbesondere überzeugt von der Wahrheit des Satzes, daß das Recht, den Ver kaufspreis zn bestimme», dem Verleger auch die Pflicht anferlegt, dem Sortimenter einen auskömmlichen Nutzen zn gewähren (so fern er wenigstens nicht bewußt auf die Mitarbeit des Sortiments am Vertrieb seiner Bücher verzichtet), mit 30°/,, bedingt nnd fest ansgegebe» habe. Ich hoffe auch, meine künftigen Neuigkeiten mit demselben Nachlaß ansstatte» zn können, wenngleich ich mir nicht verhehle, daß es schwierig ist, die stetig wachsenden Gestehnngs- kostcn mit den gesteigerten Ansprüchen an die Billigkeit der Bücher, zumal bei der gesunkenen Kaufkraft des Geldes, nnd jenem an sich berechtigten Wunsche des Sortiments in Einklang All bringen. Aber freilich, das sage ich mir auch, wenn ich als Verleger die Erhaltung eines leistungsfähigen Sortiments wünschen muß, so darf ich ihm meinerseits die Existenzmöglichkeit nicht vorenthalten. - Nur möchte ich wünschen dürfen, daß das Sortiment d i e Verleger, die sich zur Erhöhung des Rechnnngsrabatts grundsätzlich verstehen, auch durch ein etwas lebhafteres Interesse an ihre» Neuigkeiten belohne. Vielleicht ist daS ein Punkt, de» man dem hoffentlich unter besonnener zielbewnßter Leitung znstandetominenden großen Sortimentcrvcrein, der Deutschen Bnchhändlergilde, zur Beachtung empfehlen darf. Mir will es ganz gerechtfertigt erscheinen, daß sich ein solcher bilde, wie wir es anderswo längst haben: ich sage das trotz oder vielleicht gerade wegen meiner Zugehörigkeit znm Deutschen Verlegerverein. Wir beabsichtigen, mit der Veröffentlichung uns gewordener Zu schriften fortznfahren. Die Vorstände d e s B n ch h ä n d l e r - V e r b a n d e s Kreis Norde n u n d des H a m b n r g - A I t o n a e r Buchhändler-Verein S.