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98, 2g. April 1930. Redaktioneller Teil. Börsenblatt f. d.Dtschn.Buchhandel. eingestellten eigentlichen gesetzgebenden Körperschaften. Es ist ein bedauerlicher Mangel der Reichsverfassung, daß sie das eigentliche Wirtschaftsparlament, beruhend auf einer allerdings unzulänglichen berufsständischen Gliederung des deutschen Vol kes, bei der gesetzgeberischen Arbeit zur völligen Ohnmacht ver urteilt. Entsprechend den vielfältigen sozialpolitischen Problemen, die im vergangenen Jahre Arbeitgeber- wie Arbeitnehmerschaft beschäftigt haben, war auch die Tätigkeit der beiderseitigen Orga nisationen eine außerordentlich rege. Interessant ist in diesem Zusammenhänge die Entwicklung der Gewerkschafts bewegung, aus der folgende charakteristische Zahlen hervor gehoben seien: Der frei-gewerkschaftliche Allgemeine Deutsche Gewerkschaftsbund zählte 1926 knapp 4 Millionen Mit glieder. Bei Jahresschluß 1927 war die Mitgliederzahl bereits auf über 4,4 Millionen angewachsen, 1928 auf 4,8 und Ende 1929 dürfte die Zahl von 5 Millionen überschritten worden sein. Im Rahmen dieser Freien Gewerkschaften bildete sich als Ein- heitsorgani-sation unter Beitritt des Deutschen Vcrkehrsbundes, dem auch die Buchhandelsmar-kthelfcr angchörcn, der Gesamt verband der Arbeitnehmer öffentlicher Betriebe und des Per sonen- und Warenverkehrs. Aus dem Programm dieses Ver bandes verdienen folgende Sätze Hervorhebung: »Die große Organisation hat die Aufgabe, mit besonderem Nachdruck die öffentliche Wirtschaft zu fördern und allen Versuchen, sie ab zubauen, den entschiedensten Widerstand entgegcnzusetzen. Die große Organisation tritt ein für die Sozialisierung, für Über führung der Produktions- und Konsumtionsmittel in den Besitz der öffentlichen Hand oder in dis Gemeinwirtschaft.» Bemer kenswert ist auch die Entwicklung der wirtschaftlichen Unter nehmungen des Allgemeinen Deutschen Gewerkschafts-Bundes. Der Zcntralverband Deutscher Konsumvereine erzielte 1928 einen Eigenumsatz von rund einer Milliarde Mark. Die Groß einkaufs-Gesellschaft Deutscher Konsumgenossenschaften in Ham burg erreichte bereits im Jahre 1928 einen Jahresumsatz von ^ Milliarde. Die »Büropa«, Bürobedarf- und Papier-Handels- Gesellschaft m. b. H. ist bestrebt, die Belieferung der Gewerk schaften, Krankenhäuser, Bauhütten, Volksbühnen usw. mit Büromatcrial, vom Bleistift bis zur diffizilsten Büromaschine unter Ausschaltung der alten Gcschäftsbczichungcn durchzu führen. Einen starken Wirtsch-aftsfaktor stellt insbesondere die »Bank der Arbeiter, Angestellten und Beamten A.-G.» dar, der nicht nur alle Gewerkschaftsgelder zufließen, sonder» auch die erheblichen Mittel beispielsweise des Hoirptver-bandes Deutscher Krankenkassen und aller öffentlichen Stellen, die unter links gerichtetem Einfluß stehen. Der Umsatz betrug bereits im Jahre 1928 rund 2 Milliarden Mark, das Aktienkapital wurde -von 4 auf 12 Millionen erhöht. Die Verl-agsgesellschaft des All gemeinen Deutschen Gewerkschafts-Bundes erzielte einen Umsatz von etwa 680 000 Mark. Von den gewerkschaftlichen Organisationen ist ferner der Zcntralverband der Angestellten zu nennen, der Ende 1927 etwa 175 000 Mitglieder zählte. Der Gcsamtverband der Christ lichen Gewerkschaften Deutschlands umfaßte Ende 1928 einen Mitgliederbestand von rund 650 000. Auch sind ihm zahlreiche wirtschaftliche Unternehmungen angegliedert, wie z. B. der »Reichsbund Deutscher Konsumvereine», die »Gepag«, Köln, -Deutsche Volksbank A.-G.» und der -»Christliche Gewerkschafts- Verlag». Als stärkster Verband zählt zur Angestelltengruppe der Deutschnationale Handlungsgehilfcn-Verbänd, der 1928 eine Mitgliederzahl von rund 335 000 erreichte und 1856 Orts gruppen umfaßt. Er hat vor allem ein außerordentlich gut ausgebildetes Pressewesen. Die ihm gehörig« Hanseatische Ver lagsanstalt ist im Buchhandel zur Genüge bekannt-. Sie stellt mit 425 Arbeitern und Angestellten und einem Umsatz von 6 Millionen Mark einen buchhändlerischcn Großbetrieb dar. Zugleich entwickelte der Verband im Versicherungskonzern »Deutscher Ring» die wichtigsten Versicherungsarten zum Vor teile seiner Mitglieder. Fast ebenso bedeutend ist der Gewerk schaftsbund der Angestellten, der Ende 1927 288 000 und Ende 1928 über 300 000 Mitglieder zählte. Nicht unerwähnt mag 396 schließlich bleiben, daß auch die im »Reichsbund vaterländischer Arbeiter- und Werkvereine« zusammengeschlossene vaterländische Arbeiterbewegung eine stetige Aufwärtsentwicklung und vor allem auch bezüglich ihrer arbeitsrechtlichen Anerkennung gute Erfolge zu verzeichnen hat. Die Tätigkeit unseres Verbandes verlief in dem bisher üblichen Rahmen und unter Aufrechterhaltung der guten Beziehungen zu den uns nahestehenden Organisationen, wie der Vereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände, dem Börscnvcrein der Deutschen Buchhändler und dem Zentralaus- schusse Leipziger Arbeitgeberverbände. Der von jeher gepflegte Tarisaustausch mit anderen Arbeitgeberverbänden wurde weiter geführt: durch ihn geht uns wertvolles Vergleichsmaterial für Tarifverhandlungen zu. Die stets gern gelesenen und als Binde glied für unsere Mitglieder dienenden A D B-Mi t t e i l u n g e n sind bis zum Dezember 1929 regelmäßig erschienen. Mit dem neuen Kalenderjahre mußte jedoch ihr Erscheinen infolge un bedingt erforderlicher Sparmaßnahmen eingestellt werden. Wir hoffen, daß dies nur vorübergehend sein wird und die Mit teilungen bei einer Besserung der allgemeinen Wirtschaftslage neu erstehen können. In der Zwischenzeit werden wir unsere Landes- und Ortsgruppen durch besondere Rundschreiben über wichtige Tarifabschlü-sse auf dem laufenden halten: über bedeut same arbcitsrechtliche Entscheidungen werden wir hin und wieder im Börsenblatt berichten, um dadurch den Ausfall der ADB- Mitteilungen weniger fühlbar werden zu lassen. Die Rechts auskunftsstelle des Verbandes wurde im Berichtszeit raum außerordentlich stark in Anspruch genommen. Zumeist handelte es sich dabei um Fragen des Kündigungsrechtes, was sich aus der Zunahme der Entlassungen auch im Buchhandel er klärt. Aber auch arbcitsrechtliche Fragen anderer Art standen zur Genüge zur Beratung, ein deutlicher Beweis dafür, wie notwendig das Bestehen und di« Erhaltung des Arbeitgeber- Verbandes ist. Die M i t g l i c d e r z a h l hat sich nur wenig verändert; sie hat einen geringen Rückgang erfahren. Dieser hat einmal seinen Grund in dem Zusammenbruch einzelner Firmen, zum anderen in Austrittserklärungen aus Sparsam keitsgründen im Zusammenhang mit Personalabbau. Die Zahl der Landes- und Ortsgruppen des Verbandes hat sich auf sieben erhalten, die wir im einzelnen aufführcn: Landes gruppe Bayern: Vorsitzender I. G. Auer i. Fa. I. Schweitzer Verlag, München, Ottostr. 1«. Ortsgruppe Berlin: Geschäftsstelle Berlin W. 35, Pots damer Str. 36, Vorsitzender vr. K e o r g Elsner t. Fa. Otto Elsner, Berlin S. 42, Oranicnstr. 140/142. Ortsgruppe Holle: Vorsitzender Paul Gloeckner i. Fa. Gloeckner L Nicmann, Halle (Saale), Universitäts- ring 7. Ortsgruppe Leipzig: Geschäftsstelle C 1, Platostr. 1». u) Abteilung Verlag: Vorsitzender Heinrich Hirzel i. Fa. S. Hirzel, Leipzig C 1, Königstr. 2. d) A b t c i l u n g S o r t i m e n t: Vorsitzender Alexan der Liebisch i. Fa. Beruh. Liebisch, Leipzig C 1, Kurprinzstr. 6. o> Abteilung Zwischenbuchhandel: Vorsitzen der Walter Thomas i. Fa. Theod. Thomas Komm.Gesetz., Leipzig C 1, Talstr. 13. Ortsgruppe Magdeburg: Vorsitzender Fritz Wahle i. Fa. Buchhandlung Fritz Wahle, Magdeburg, Breiter Weg 180. Ortsgruppe Mannheim-Ludwigshafen: Vor sitzender R. Hermann i. Fa. Hermanns Buchhand lung, Mannheim 8. 1. 2., Breite Str. Ortsgruppe Münster i. W.: Vorsitzender vr. Hein rich Schöningh i. Fa. Heinrich Schöningh, Münster i. W., Salzstr. 1. Leipzig, im April 1930. Der Vorstand des Arbeitgeber-Verbandes der Deutschen Buchhändler, Sitz Leipzig. Max Röder, Vorsteher.