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2270 Nichtamtlicher Theil. 140, 19. Juni. der übrigen Industrie in Wien, beim Publicum Fiasco machen. Denn mil bekannten großen Bibliotheken, wie die zu London, Paris, München, Berlin u. s. w. verglichen, können die deutschen Erschei nungen eines Jahres doch nur der Embryo einer Bibliothek genannt werden, und nun sehe man doch, wie der große Touristenstrom, und mit diesem Factor haben wir auch auf der Wiener Ausstellung zu rechnen, sich in den genannten Bibliotheken zu benehmen pflegt! Nur Kuriositäten reizen die Neugierde, alte Handschristen, in Gold und bunten Farben ausgemalte Pergamente u. s w. fesseln die Be sucher viel mehr, als die philosophischen Erzeugnisse aller Zeiten und Länder, an denen der Laie theilnahmlos vorübereilt, denn das sind einfache „Bücher", deren Acnßcrcs ihm hinlänglich bekannt ist. Ver mögen nun die großen Bibliotheken keine Anziehungskraft auszuüben, so wird cs die gedachte kleinere noch viel weniger zu thun im Stande sein. Die Erzeugnisse unseres Standes sind eben nicht derart, daß deren flüchtige, äußere Betrachtung der Menge einJnteresse einflößen könnte, der Schwerpunkt eines Buches ist nur durch eine ruhige, eingehende Beschäftigung mit ihn: zu fassen, und alle Anstrengung, diesen Schwerpunkt bei einer größeren Büchersammlung in die äußere Erscheinung künstlich zu verlegen, wird an der Unhaltbarkeit des Prinzipes scheitern Wir haben es ja in dem vorliegenden Falle nicht mit dem Gelehrten zu thun, mit dem Bücherfreunde, mit dem Buchhändler, diese Alle wissen ohne eine solche Schaustellung, was sie vom deutschen Buchhandel zu halten haben; nein, hier han delt es sich um die große, aus allen Nationen bunt zusammen-^ gewürfelte, vergnügungssüchtige Menge, bei welcher, leider, Bücher nicht gerade eine angesehene Rolle spielen. Nur das Frappirende, Ungewohnte, das Herauslreten aus der herkömmlichen Bahn kann allenfalls aus einer Industrie-Ausstellung der Thätigkcil einzelner buchhändlerischer Firmen, oder einzelnen Zweigen der Preßerzeug- nisse, die Beachtung, und in deren Gefolge die Anerkennung der Besucher verschaffen, Und nach dieser Auffassung haben auch bis jetzt unsere Kollegen im Westen bei vorkommenden Gelegenheiten, und stets mit Erfolg, gehandelt. Firmen wie Hachctte, Manie, Dupont u. A- m. schickten ein äußerlich prachtvoll ausgestattetes großes Buch, eine Art von Atlas, kostbar eingebunden, mit vielen Bildern geziert, in denen der Beschauer blättern und naschen kann; darin findet sich meistens zuerst eine Geschichte dcrFirma, dann eine Beschreibung und Abbildungen der vom Geschäfte benutzten Häuser und deren innere Räume, daran schließt sich ein beschreibender Katalog sämmtlicher Vcrlagsartikel, dem hier und da Original- Proben der hervorragendsten typographischen Erzeugnisse, Illu strationen verschiedener Gattung u. dergl. eingefügt sind, das Ganze aber nur einen mäßig starken Band bildend, genug, die Achtung vor der Thätigkcit des betreffenden Hauses wachzurufen, und wohl ver meidend, den Betrachtenden durch eine Fülle von Uninteressantem zu ermüden. In einem solchen Werke, dessen Herstellung allerdings bedeu tende Mittel nach jeder Richtung hin voraussctzt, gewinnt der Beschauer rasch und in fesselnder Form einen vollständigen Ueber- blick, wie ihn der Ort und die knappe Zeit bedingt, und das scheint uns der einzig mögliche Weg zu sein, wie der Buchhandel auf einer großen Industrie-Ausstellung auftreten kann, ohne das Publicum zu langweilen. Nur einzelne, in ihrem Beruf ganz besonders her vorragende Firmen haben im Buchhandel, wie in den übrigen Zwei gen der Industrie, die Berechtigung, Weltausstellungen zu beschicken, es sei denn, daß es gelingt, für einzelne interessante Zweige der Literatur, als geschlossenes Ganze, eine originelle äußere Form zu finden, wie dies z. B. jüngst dem holländischen Buchhandel ge glückt ist. Dort hat im Anfänge dieses Jahres das Ministerium den Buchhändler-Verband aufgefordert, die diesjährige Londoner In dustrie-Ausstellung zu beschicken; der Vorstand der „Vsrssni^iuA" nahm die Sache in die Hand, und beauftragte den Redacteur der holländischen Buchhändlerzeitung, Hrn. Zwaardemaker in Amster dam, mit der Ausführung seines Planes. Dem Genannten nun ist es nach vieler Bemühung gelungen, innerhalb dreier Monate etwa, eine Nummer sämmtlicher Zeitschriften und Journale, politischen, wissenschaftlichen und unterhaltenden Inhalts zu sammeln, welche im Januar 1872 in Holland am Leben waren. Das Resultat ist ein interessantes: die der holländischen Buch- händlerzcitung beigegebene Uebersicht der Sammlung ergibt in dem räumlich kleinen Holland nicht weniger denn 294 politische, und 224 Fach-Zeitschriften, darunter Amsterdam mit 57 politischen Blättern (hier sind allerdings die „Marktberichte" einbegriffen), derHaagmit 27, Rotterdam mit 18 u. s. w. Die Tagespresse des Mutterlandes dürfte wohl vollständig vertreten sein, dagegen scheinen die Kolonien der Aufforderung zur Einsendung einer Nummer nicht überall Folge geleistet zu haben; in Paramavibo z. B- erscheinen mehrere Jour nale, in Curayao gibt es deren vier (äs O.'solrs Osurant, äs Im pulse, äs Oivilisaäs, äs Onpartigäi^s) u. s. w-, während das Verzeichniß' nur ein westindisches Blatt, äs Lolouist, aufführt; Ostindien ist besser vertreten. Unter den Fachzeitschriften ragt, wie überhaupt in der hollän dischen Literatur, die Theologie mit 50 Zeitschriften hervor, wovon 10 dem Mrssiouswesen gewidmet sind; die Belletristik zählt 31, Erziehung und Unterricht 20, Staats- und Rechtswissenschaft 22, Handel nnd Schifffahrt 13 u. s. w. Die ganze Collection ist, syste matisch geordnet, in prachtvolle, sogenannte Elzevier-Einbände gebunden (ein Ledcrband, den die Firma Blikman L Sartorius in Amsterdam vorzüglich gut anfertigt), die politischen Blätter in zwei Folianten, die Fachzeitschriften in 17 starke Bände, und so, in dieser originellen äußern, specifisch holländischen Form wird das Gebotene unzweifelhaft auf der Ausstellung die Neugierde der Besucher erregen und zu näherer Betrachtung führen. Später soll, einem Beschlüsse des Korporations-Vorstandes gemäß, die Sammlung dem Lritisll Llussum in London als Ge schenk überwiesen werden, und dort wird gewiß diese cultur- geschichtlich interessante Uebersicht des jetzigen Standes der perio dischen Presse der Niederlande von späteren Generationen noch häufig benutzt und ihrem Werthe nach gewürdigt werden. Ohne nun gerade diese Methode zur Nachahmung zu empfehlen, denn das dürfte bei der Menge der deutschen Zeitschriften seine Schwierigkeiten haben, wollten wir doch nicht unterlassen, auf die Idee hinzuweisen; vielleicht findet sich Jemand, der für die Re präsentation des deutschen Buchhandels auf der Wiener Ausstellung in irgend einer Form Nutzen daraus zu ziehen vermag. Berlin. Otto Mühlbrecht. Die erste Generalversammlung der Bazar-Actien- Gesellschaft. Unter Vorsitz von Hrn. Stadtrath Franz Wagner aus Leipzig fand am 10. Juni die zahlreich besuchte Generalversammlung der Bazar- Actien-Gesellschaft in Berlin statt. Es mag auch für weitere Kreise nicht ohne Interesse sein, den Geschäftsbericht dieses großartigen Unternehmens, des ersten Actienvereins im Buchhandel, kennen zu lernen und so bringen wir denselben, unter Hinweis auf den in Nr. 137 d. Bl. abgedruckten Rechnungsabschluß, hier zur allgemeinen. Kenntniß. Der Bericht lautet wie folgt: Wir haben die Ehre, der ersten ordentlichen Generalversammlung Be richt zu erstatten über unsere bisherige Thätigkeit, welche sich vom 1. Okto ber 1871 bis zum 31. März 1872 erstreckt, da statutengemäß das erste Geschäftsjahr mit dem 1. April d. I. abgelaufen ist.